Stromversorgung & Leistungselektronik Smart Meter auf der Roten Couch

12.02.2013

Smart Grid und Smart Meter standen im Mittepunkt der „Roten Couch“, die 2012 erstmals auf der Electronica stattfand. Sechs Experten stellten ihre Standpunkte vor.

Es ist verständlich, dass die Stromnetze die Elektronik bewegen. Smart Grids und Smart Meter sind daher für viele Unternehmen der Branche derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Auf der „Roten Couch“ im Rahmen der Electronica reichten die Themen der Experten daher auch von der Simulation über Kommunikation und Sicherheit bis hin zu politischen Fragen.

Kein Trial&Error mit dem Grid

Für das Smart Grid sind komplexe technische Systeme erforderlich, die sich oft nicht vor ihrem Einsatz vollständig testen lassen. Dr. Joachim Schlosser, Senior Team Leader Application Engineering bei MathWorks, erläuterte die Möglichkeiten, die sich durch Simulation ergeben. „Es ist absolut notwendig, die Robustheit und korrekte Funktion eines Gerätes zu testen, bevor es mit dem Grid synchronisiert wird“, erklärte er. „Simulation ist hier essentiell, weil man das Gerät nicht ins Netz einbinden muss. Man testet es in einer virtuellen, kontrollierbaren Umgebung. Man arbeitet im Grid besser nicht nach dem Trial&Error-Prinzip.“ Die Einsatzmöglichkeiten von Simulationssoftware beschränken sich dabei nicht nur auf die Entwicklung neuer Geräte, sie ermöglicht es auch, Effizienzpotential bereits vorhandener Geräte auszuschöpfen, wie er an einem Beispiel demonstrierte. Im Gegensatz zu anderen Experten sieht Joachim Schlosser die Energiewende nicht als rein politische Herausforderung: „Es beginnt bei jedem einzelnen Entwickler. Aus meiner Sicht muss sich jeder Entwickler darüber im Klaren sein, dass jedes seiner Designs sich nicht nur auf den Umsatz seines Arbeitgebers auswirkt, sondern dadurch, dass sie Strom verbraucht, auch eine gesellschaftliche Auswirkung hat. Wenn jeder Entwickler sich dessen bewusst ist und immer versucht, ein besonders effizientes Design zu entwickeln, sind wir auf einem guten Weg.“

Eine neue Waschmaschine löst das Problem nicht

Die größte Herausforderung im Smart Grid besteht aus Sicht von Wolfgang-Heinz Fischer, Leiter Marketing & PR bei der TQ-Group, in der fehlenden Kommunikation. „Das ist das Entscheidende: Zu wissen wo die Energie generiert wird und sie intelligent dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird“, erklärte er. In vielen Teilen des Netzes fehle heute diese Kommunikation, obwohl sie technisch verfügbar sei, führte er weiter aus. Aus seiner Sicht fehlt der politische Wille, diese technischen Möglichkeiten tatsächlich umzusetzen. „Die Energieerzeuger wollen mehr Energie verkaufen und sind nicht wirklich daran interessiert, dass diese Lösungen in den Markt kommen“, so Wolfgang Heinz-Fischer. Befremdlich ist aus seiner Sicht auch, dass das Problem derzeit an den Endverbraucher abgeschoben wird. „Die Botschaft der Politik lautet: Schau dir deinen Energieverbrauch an und finde heraus, wo du Energie einsparen kannst. Aber der Kauf einer neuen Waschmaschine ist nicht die Lösung des Problems, wir brauchen einen politischen Wandel, der die Energieerzeuger zum Umdenken zwingt.“

Kosten entscheiden über Erfolg

Für Andy Harding, Senior Manager Lifestyle & Smart Energy Segment Marketing bei Resesas kommt es bei Smart Metern allem aufeins an: Auf den Preis. „Wenn man 35 Millionen Kunden hat, was für einige Versorger in Frankreich, Italien, oder Spanien gilt, macht ein Dollar mehr eine zusätzliche Investition von 35 Millionen Dollar aus.“ Und auch Anforderungen wie Langlebigkeit, Robustheit und die Unterstützung bestimmter Kommunikationsstandards lassen sich aus seiner Sicht am Ende meist auf die Kosten reduzieren. Standards würden aus seiner Sicht helfen, die Kostenproblematik in den Griff zu bekommen. „Aber derzeit sehen wir, dass jeder seinen eigenen Standard durchsetzen will.“ Viele neue Technologien benötigen so genannte Killer-Applikation, um sich durchzusetzen. Möglichkeiten gibt es dafür aus Sicht von Andy Harding viele, allerdings gibt er auch offen zu, dass viele Ideen noch Zukunftsmusik sind.

Es gibt nicht immer die perfekte Lösung

Erst die Integration von Kommunikation in das Netz macht es wirklich intelligent, so Markus Stäblein, General Manager Smart Grid Business Unit bei Texas Instruments. Die Energiversorger können so die tatsächlichen Bedürfnisse erkennen und darauf reagieren. Als wichtigste Kommunikationslösungen nannte Markus Stäblein Power Line Communication (PLC) und Wireless-Technologie. Welche Technologie die sinnvollere ist, hängt laut Stäblein vom Einsatzgebiet ab. „In Städten gibt es Probleme mit der Wireless-Technologie, daher ist hier PLC sinnvoller. In ländlichen Bereichen wird eher Wireless zum Einsatz kommen“, führte er aus. „Es gibt bei diesen Anforderungen nicht immer die perfekte Lösung.“

Alles im Netz ist ein potentielles Risiko

Das Smart Grid ist eine weit verzweigte Infrastruktur und bietet daher viele Angriffspunkte wie das Smart Meter, Datenverdichter, Umspannwerke, Server oder Gateways. „Es gibt so viele Schwachstellen in einem Netz wie es Endpunkte gibt“, erklärte Christophe Tremlet, Security Segment Manager EMEA Marketing bei Maxim Integrated. „Kurz gesagt: Wenn es mit dem Netz verbunden ist, stellt es ein potentielles Risiko dar.“ Zu den zahlreichen Bedrohnungen, denen das Netz heute ausgesetzt ist, gehören laut Christophe Tremlet unter anderem Angriffe auf die Privatsphäre und auf die Infrastruktur. Dabei können die Angriffe vom Öffnen des Smart Meters über das Ausstauschen von Software bis zum elektronischen Abgreifen von Daten reichen. Um dem vorzubeugen, sind aus Sicht von Christophe Tremlet mehrere „Verteidigungslinien“ notwendig. Er empfiehlt daher entsprechende Schutzmaßnahmen sowohl für das Gehäuse, die Elektronik und den Messschaltkreis.

Durch das Smart Grid wird alles effizienter

Aus Sicht von Brian Buchanan, Smart Grid Segment Marketing Manager bei ON Semiconductor, ist das Smart Grid eine logische und notwendige Weiterentwicklung der bestehenden Infrastruktur. „In vielen Bereichen der Welt sind die Stromnetze veraltet, zum Teil antiquiert“, erklärte er. „Gleichzeitig nehmen die Anforderungen an das Netz durch eine stetig wachsende Weltbevölkerung und immer mehr elektronische Geräte zu.“ Um dieser steigenden Nachfrage gerecht werden zu können, sind ein besseres Verständnis des Verbrauchs und darauf basierende zuverlässige Vorhersagen unabdingbar. Ein Problem der Akzeptanz beim Endkunden durch steigende Strompreise sieht Brian Buchanan nicht. „Wenn wir in der Lage sind, das Netz zu optimieren, werden alle Kosten sparen. Es ist völlig klar: Wenn wir ein optimiertes und effizientes System haben, werden auf Dauer die Verbrauchskosten sinken.“

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