Die meisten elektronischen Baugruppen werden per Infrarot-Reflow-Löten miteinander verbunden. Für einige Bauteile – insbesondere Steckverbinder – ist diese Methode nicht geeignet, weshalb andere Verfahren benötigt werden, um sie auf der Leiterplatte zu montieren. Oft wird dazu ein zusätzlicher Schritt in den Herstellungsprozess eingebaut – entweder Wellen- oder Handlöten. Das erhöht jedoch die Komplexität und die Kosten der Herstellung. Zudem wird ein weiterer Wärmezyklus hinzufügt, was zu einer Verschlechterung der bereits auf der Leiterplatte installierten Bauelemente führen kann.
Eine Möglichkeit, diese Zusatzkosten und -komplexität zu vermeiden, ist ein lötfreier Ansatz. Diese Ansätze sind nicht neu: Seit mehr als 50 Jahren gibt es beispielsweise die Blade-and-Socket-Methode. Dabei wird während der Fertigung ein Steckkontakt am Bauelement angebracht und eine entsprechende Buchse wird während des Reflow-Prozesses in die Leiterplatte eingepasst. Nach der Fertigstellung des Boards wird das Bauelement einfach in die Anschlüsse eingesteckt, um eine mechanische beziehungsweise elektrische Verbindung zu bilden.
Lötfreie Verbindungen sind gefragt
Dieser Ansatz ist sehr einfach, bringt aber einige Nachteile mit sich. Da Blade-and-Socket-Verbindungen so ausgelegt sind, dass sie mehrmals zusammengesteckt und getrennt werden können, ist die zum Einstecken benötigte Kraft recht gering gehalten. Dies kann dazu führen, dass der Anschluss einen elektrischen Widerstand und eine Induktivität einbringt, was in modernen, hochohmigen, schnellen Schaltkreisen eine verheerende Wirkung mit sich bringen kann. Auch sind in einigen Fällen Edelmetalle erforderlich, um eine gute Verbindung zu gewährleisten und Fretting-Effekte zu vermeiden.
Um die Nachteile herkömmlicher Blade-and-Socket-Verbindungen zu umgehen, wurde die Press-Fit-Technik entwickelt. Dabei wird das Bauelement mit einem speziellen Steckanschlussstift (Pin) ausgestattet und direkt auf der Leiterplatte in eine starre Durchkontaktierung (Plated Through Hole, PHT) gepresst. Dabei kehren sich die Rollen des Steckkontakts und der Buchse um: Der Steckkontakt übt eine mechanische Kraft auf den PCB-Sockel aus.
Press-Fit kann so optimiert werden, dass eine bessere Verbindungsqualität als bei einer Steckkontaktverbindung entsteht. Damit erübrigen sich der Widerstand und die Induktivität, die den zuverlässigen Betrieb der Schaltung beeinträchtigen könnten. Wie auch bei einem Steckkontakt mit Sockel werden bei Press-Fit zusätzlicher Arbeitsaufwand und schädliche Wärmezyklen vermieden. Darüber hinaus können Bausteine mit Press-Fit mehrmals herausgezogen und wieder montiert werden, was eine einfache und risikoarme Nacharbeit beziehungsweise Reparatur ermöglicht.
Da Press-Fit keine Lote benötigt, um Buchsen an der Leiterplatte zu befestigen, erübrigen sich Probleme wie Cold Spots, Lötspritzer, Hohlräume oder Risse. So entsteht eine sehr zuverlässige und reproduzierbare Verbindung. Wird das Bauteil direkt in die Leiterplatte eingesteckt, entfällt auch der Einsatz von Edelmetallen und es besteht kein Fretting-Risiko, wie es bei zweiteiligen Steckkontakten auftritt. Zudem verringern sich die Materialkosten durch den Wegfall des Sockels.
Zusammenspiel der Toleranzen
Da Press-Fit-Bauelemente auf das Zusammenspiel der Toleranzen angewiesen sind, um eine zuverlässige Passung mit einer guten elektrischen Verbindung zu gewährleisten, besteht die größte Herausforderung für Entwickler darin, ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen den Toleranzen zu erzielen. Dieses Problem liegt in den unterschiedlichen Herstellungsverfahren für die Leiterplatte und die metallischen Press-Fit-Pins begründet – für eine Leiterplatte sind die erforderlichen Toleranzen eng, für einen Steckkontakt jedoch weiter gefasst. Die Toleranz des fertigen Lochs liegt oft nahe bei der nominalen Auslenkung des Pins.
Der Träger-Pin muss beim Einsetzen eine gewisse plastische Verformung durchlaufen. Die Konstruktion des Trägers, die verwendeten Materialien und die Geometrie bestimmen die Einsetz- und die Haltekraft – zwei entscheidende Parameter. Die Toleranzen müssen so ausgelegt sein, dass der Durchkontaktierungsschaft beim Einstecken nicht beschädigt wird und die Haltekraft im lockeren Zustand ausreicht, um alle Stoß- und Vibrationstests zu bestehen.
Angesichts der hohen Stückzahlen und der geringen Kosten pro Bauteil müssen Kondensatorhersteller sicherstellen, dass sich der Aufbau auch mit einfachen Mitteln reproduzieren lässt, ohne die erforderlichen Toleranzen zu überschreiten. Darüber hinaus muss die verwendete Plattierung, meist Zinn, so dünn wie möglich gehalten werden, damit sie beim Einstecken des Pins nicht beschädigt wird.
Neue Serie Press-Fit-Kondensatoren
Der Kondensatorhesteller Kemet hat kürzlich eine neue Serie von Press-Fit-Aluminium-Elektrolytkondensatoren vorgestellt. Diese erstmals am Markt erhältliche ALF-Serie stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung großer Snap-In-Elektrolytkondensatoren dar. Der von Kemet verwendete Press-Fit-Pin setzt auf den bewährten Eye-of-the-Needle-Ansatz von Interplex, wodurch eine große Kontaktfläche zwischen dem Pin und dem Durchkontaktierungsschaft entsteht.
In Kombination mit der hohen seitlichen Kraft, die der Pin aufbringt, ergibt sich damit eine zuverlässige und wiederholbare Verbindung mit niedrigem Widerstand. Die Pins selbst bestehen aus der Kupfer-Nickel-Silizium-Legierung C19010 mit Zinn-auf-Nickel-Beschichtung. Damit ist eine vollständige RoHS-Konformität sichergestellt.
Kemets Press-Fit-System ist für Dauerspannungen bis 550 V sowie Spannungsspitzen und Transienten bis zu 620 V ausgelegt. Aus mechanischer Sicht weisen Bauteile mit Press-Fit-Technik eine ähnliche Vibrationsbeständigkeit wie Snap-in-Bauteile auf. Das macht sie für immer mehr Automotive- und Industrie-Anwendungen und tragbare Elektronikgeräte, die unter schwierigen Umgebungsbedingungen arbeiten müssen, zu einer interessanten Alternative.
Ein weiterer Vorteil: Bei Press-Fit-Bauelementen entfallen die Reinigungsprozesse bei der Leiterplattenmontage. Dadurch verringern sich die Kosten pro Montage, die Taktzeiten und der Aufwand für die Materialhandhabung. Die verwendeten hochleitfähigen Materialien (50 Prozent IACS) garantieren, dass der Pin-Widerstand im Vergleich zu einem Anschluss aus Stahl weniger als ein Viertel beträgt. Damit eignen sich diese Bauteile ideal für Anwendungen mit dauerhaft hohen Strömen.
Anwendungen mit hohen Strömen
Der geringe Widerstand verringert ebenfalls den Anstieg der Wärme im Bauelement sowie die Übertragung der Wärme von der Komponente in die Leiterplatte. Da in den meisten Anwendungen die Stromgrenze durch die Leiterbahnen und nicht durch die Verbindung definiert wird, gewährleisten die Press-Fit-Bauteile auch in anspruchsvollen Anwendungen wie beispielsweise der Industrie, dem Energiesektor, bei Stromversorgungen und im Automotive-Bereich eine lange Lebensdauer.
Die Standard-ALF-Kondensatoren von Kemet sind in Gehäusegrößen von bis zu 50 mm Durchmesser erhältlich. Sie haben einen positiven und einen negativen Anschluss. Zusätzlich bis zu drei Pins sind vorgesehen, um sowohl mechanische Festigkeit als auch Stabilität zu gewährleisten. Versionen für höhere Ströme bieten zwei intern verbundene Pins, positiv und negativ, zur Aufteilung der Stromlast, was zudem einige gewisse Redundanz mit einbringt. Kundenspezifische Pin-Layouts für besondere Anforderungen sind ebenfalls erhältlich.