Am Anfang war die Maische. Das Gemisch aus Malz und Wasser wird über mehrere Stunden gerührt und schonend erhitzt. Die Flüssigkeit, die dabei entsteht, heißt Würze und wird in weiteren Prozessschritten zu Bier. Das verbrauchte Malz – der sogenannte Biertreber – hat einen weitaus weniger rühmlichen Weg vor sich. Meistens endet er als Futtermittel oder auf dem Komposthaufen.
Da steckt mehr drin, finden Forschende aus dem Empa-Labor „Cellulose and Wood Materials“ unter der Leitung von Gustav Nyström. Sie haben nun ein Verfahren entwickelt, um aus dem Brauereiabfall hochwertige Nanocellulose herzustellen – einen vielseitigen biologisch abbaubaren Rohstoff, der sich beispielsweise zu Verpackungen oder faserverstärkten Kunststoffen verarbeiten lässt.
Getreide statt Holz
Die Erstautorin der Studie, Nadia Ahmadi Heidari, ist Doktorandin an der „Isfahan Technical University“. Sie kam im Rahmen eines Bundes-Exzellenz-Stipendiums für ein Jahr an die Empa. Ihr besonderes Interesse galt der Herstellung von biologisch abbaubaren Verpackungsmaterialien aus Abfallprodukten – einer der Schwerpunkte des „Cellulose and Wood Materials“-Labors. „Wir sind sehr daran interessiert, neue Quellen für wertvolle Rohstoffe wie Cellulosefasern und Lignin zu erschliessen“, sagt Nyström.
Zurzeit werden mikro- und nanofibrillierte Celluloseprodukte aus Holzstoff gewonnen. Holz lässt sich allerdings anderswo sinnvoller einsetzen. „Holz bindet CO2 aus der Atmosphäre sehr gut, wächst aber nur langsam“, erklärt Nyström. „Daher eignet es sich viel besser für langlebige Anwendungen, etwa im Bau oder zur Herstellung von Möbeln.“
Die viel schneller wachsenden einjährigen Pflanzen können Rohstoffe genauso gut liefern, werden aber bis heute kaum dafür genutzt. „Mit unserem Verfahren können wir aus einem sehr günstig und in großen Mengen verfügbaren Abfallprodukt, das heute grösstenteils verschwendet wird, hochwertige Materialien gewinnen“, ergänzt Empa-Forscher Gilberto Siqueira, Co-Autor des Papers. „Davon profitieren auch kleine Unternehmen, die so das Maximum aus den Rohstoffen herausholen können, die sie bereits verwenden.“
Von einem solchen kleinen Unternehmen, der Pentabier-Brauerei in Dübendorf, stammte auch der Treber, den die Forschenden für ihr Experiment verwendeten. Daraus lösten sie die Nanozellulose-Fasern heraus und verarbeiteten sie durch Gefriertrocknung zu einem Aerogel. Dieses „luftige“ Material enthält sehr viele Poren, wodurch es ausgezeichnete Wärmeisolationseigenschaften aufweist. Aerogele können aus unterschiedlichen Stoffen hergestellt werden – besonders bekannt sind Silicat-Aerogele, die im Bau zum Einsatz kommen. Auf Nanocellulose basierende Aerogele haben zusätzliche Vorteile: Sie stammen aus erneuerbaren Quellen und sind biologisch abbaubar. Das Ziel ist es, sie für Verpackungen einzusetzen, insbesondere von temperaturempfindlichen Lebensmitteln wie Fleisch.
Einfache Herstellung
Um das Potenzial der Nanocellulose aus Biertreber genauer auszuloten, variierten die Forschenden die einzelnen Vorbehandlungs- und Herstellungsschritte und testeten deren Auswirkungen auf das Endprodukt. So verbessert sich etwa die Qualität der gewonnenen Nanocellulose-Fasern durch Bleichen und Oxidation des Ausgangsmaterials. Mittels unterschiedlichen Gefrierverfahren lässt sich die Größe und Ausrichtung der Poren im Aerogel steuern, was wiederum dessen isolierende und mechanische Eigenschaften beeinflusst.
„Dabei waren wir bestrebt, den ganzen Prozess möglichst einfach zu halten“, so Siqueira. Denn um Anwendung in der realen Welt zu finden, muss nicht nur das Endprodukt überzeugen – es sollte auch noch möglichst einfach und günstig in der Herstellung sein. Auch deshalb interessieren sich die Forschenden für Rohstoffgewinnung aus Abfallprodukten. „Verglichen mit Rückständen aus der Agrarindustrie ist Holz eine kostspielige Quelle für Cellulose, und es hat bereits so viele andere Anwendungen“, erklärt Siqueira.
In weiteren Forschungsprojekten untersuchen die Wissenschaftler deshalb weitere Abfallprodukte aus der Lebensmittelindustrie und der Forstwirtschaft. Und obwohl Nadia Ahmadi Heidari bereits an die „Isfahan Technical University“ zurückgekehrt ist, planen die Empa-Forscher eine weitere Publikation gemeinsam mit der Jungforscherin, in der sie die Aerogele aus Biertreber genauer beschreiben.