Zweidimensonale Kristallstruktur Hochdruck-Forschung bringt neues 2D-Material hervor

Eine einzelne Schicht des neuen Materials Beryllonitren besteht aus BeN4-Fünfecken und Be2N4-Sechsecken. Die Beryllium-Atome sind als graue Bällchen, Stickstoff-Atome als blaue Bällchen dargestellt.

Bild: Maxim Bykov, Universität Bayreuth
27.04.2021

Mit einem Druck, der rund eine Million mal höher war als der der Erdatmosphäre, haben Wissenschaftler ein bisher unbekanntes 2D-Material herstellen können. Es besitzt eine besondere elektronische Gitterstruktur, die unter anderem für Quantentechnologien interessant ist.

Unter extrem hohen Drücken von bis zu 100 Gigapascal haben Forscher der Universität Bayreuth gemeinsam mit internationalen Partnern Beryllium-Polynitride hergestellt. Dabei handelt es sich um neuartige Verbindungen, die sich aus Stickstoff- und Beryllium-Atomen zusammensetzen und entweder dem monoklinen oder dem triklinen Kristallsystem angehören.

Trikline Beryllium-Polynitride legen dabei, wenn der Druck sinkt, ein ungewöhnliches Verhalten an den Tag: Sie nehmen eine aus Schichten aufgebaute Kristallstruktur an. Jede Schicht enthält zickzackförmige Stickstoffketten, die durch Beryllium-Atome verbunden sind, und kann deshalb als eine flächige Struktur beschrieben werden, die aus BeN4-Fünfecken und Be2N4-Sechsecken besteht. Somit stellt jede Schicht ein zweidimensionales Material dar: Beryllonitren.

Interessant für Quantentechnik

Beryllonitren ist ein qualitativ neues 2D-Material. Im Unterschied zum bekannten Graphen verfügt es durch seine zweidimensonale Kristallstruktur über ein leicht verzerrtes elektronisches Gitter. Wegen der daraus resultierenden elektronischen Eigenschaften eignet es sich besonders zur Anwendung in der Quantentechnologie.

„Erstmals ist es jetzt der Hochdruck-Forschung gelungen, eine chemische Verbindung herzustellen, die zuvor völlig unbekannt war“, sagt Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth. „Diese Verbindung kann als Präkursor für ein 2D-Material mit einzigartigen elektronischen Eigenschaften dienen.“

Besser als Graphen?

Beryllonitren wird sich allerdings nicht im Industriemaßstab herstellen lassen, solange dafür extrem hohe Drücke erforderlich sind, die nur im Forschungslabor erzeugt werden können. Das räumt Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth ein.

Jedoch sei es sehr wichtig, dass die neue Verbindung bei der Dekompression entstanden ist und unter Umgebungsbedingungen existieren kann. Denn so lässt sich „grundsätzlich [...] nicht ausschließen, dass es eines Tages möglich sein wird, Beryllonitren oder ein ähnliches 2D-Material mit technisch weniger aufwendigen Verfahren nachzubauen und industriell zu nutzen.“

Die internationale Studie könnte der Hochdruck-Forschung jetzt eine neue Perspektive für die Entwicklung technologisch attraktiver 2D-Materialien eröffnen, die laut Dubrovinsky möglicherweise sogar Graphen übertreffen.

Weitere Details

Beteiligte Forschungspartner

Die Forschungsergebnisse zu Beryllonitren sind aus einer weltweiten Kooperation von Universitäten und Forschungseinrichtungen hervorgegangen. An der Zusammenarbeit mitgewirkt haben:

  • Universität Bayreuth (Deutschland)

  • Deutsches Elektronen-Synchrotron (Deutschland)

  • Universität Linköping (Schweden)

  • Radboud-Universität (Niederlande)

  • European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble (Frankreich)

  • National University of Science and Technology (Russland)

  • Ural Federal University (Russland)

  • Wuhan University (China)

  • Carnegie Institution for Science (USA)

  • Howard University (USA)

  • Center for Advanced Radiation Sources an der University of Chicago (USA)

  • Argonne National Laboratory (USA)

Die Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert.

Bildergalerie

  • Das sechseckige elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens beruht auf seiner Kristallstruktur und sieht wie eine leicht verzerrte Bienenwabe aus. Daraus ergeben sich elektronische Eigenschaften, die für quantentechnologische Anwendungen genutzt werden könnten.

    Das sechseckige elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens beruht auf seiner Kristallstruktur und sieht wie eine leicht verzerrte Bienenwabe aus. Daraus ergeben sich elektronische Eigenschaften, die für quantentechnologische Anwendungen genutzt werden könnten.

    Bild: Maxim Bykov, Universität Bayreuth

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