Manufacturing-X: Wegbereiter für die industrielle Transformation? Data Act und digitale Allianzen

Mittels sogenannter föderativer beziehungsweise kollaborativer Datenräume sollen im Rahmen der X-Initiativen Daten entlang der gesamten Liefer- und Fertigungsketten gemeinsam und souverän genutzt werden können.

Bild: iStock, gremlin
03.07.2024

Ob Manufacturing- oder Factory-X – der EU Data Act bildet die Grundlage für wichtige Technologietreiber in Wirtschaft und Industrie. Während der Weg in eine neue europäische Datenökonomie damit auf dem Papier vorgezeichnet ist, stellt sich die Frage, wie er in der Realität erfolgreich beschritten werden kann. Welche Akteure sind nun besonders am Zug, um föderative Datenräume zu schaffen, die digitale Wertschöpfung, erhöhte Resilienz und Nachhaltigkeit für Unternehmen und Organisationen schnellstmöglich Realität werden lassen?

Zum Hintergrund: Die Initiative Manufacturing-X wurde als Gemeinschaftsprojekt von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gestartet. Neben der Bundesregierung beteiligen sich große Verbände wie VDMA, ZVEI, VDI und Bitkom, fortschrittliche Fertigungs- und IT-Unternehmen Deutschlands sowie renommierte Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer daran. Sie alle wollen mit der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft Ernst machen. Entstehen soll ein einheitlicher Markt, der einen freien Datenfluss innerhalb der EU und über Sektoren hinweg ermöglicht. Ohne eine gemeinsame Datenökonomie werden Digitalisierungsprojekte an der Oberfläche kratzen und nicht viel weiter als bis ans eigene Werkstor führen. Neben der Realisierung digitaler Geschäftsmodelle soll die Resilienz von Unternehmen und Lieferketten verbessert und die gemeinsame Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen erleichtert werden.

Eine wichtige Rolle im Rahmen dessen wird Factory-X einnehmen. Im Vergleich zu Manufacturing-X, das branchenübergreifend für die Industrie ausgerollt wird, richtet sich Factory-X an die deutsche Kernindustrie Maschinenbau und möchte hier den Aufbau einer digitalen und föderativen Plattform explizit für den Datenaustausch in der Fertigungsindustrie vorantreiben. Es ist das Pendant zu Catena-X für die Automobilbranche; des Weiteren stehen Aerospace-X für die Luftfahrtbranche und Silicon-X für die Chipindustrie zur Diskussion.

Mehrwert für die Fertigungsindustrie

Mittels sogenannter föderativer beziehungsweise kollaborativer Datenräume sollen im Rahmen der X-Initiativen Daten entlang der gesamten Liefer- und Fertigungsketten gemeinsam und souverän genutzt werden können. Dies soll nach vordefinierten Regeln, für die der Data Act den rechtlichen Rahmen vorgibt, erfolgen.

Der EU Data Act stärkt Nutzer von IoT-fähigen Maschinen und gibt ihnen erstmals das Recht auf ihre Nutzungsdaten. Sie können diese Daten frei nutzen und monetarisieren sowie zur Generierung weiterer digitaler Mehrwertdienste für Ökosysteme zur Verfügung stellen. Das hebt die zusätzliche Wertschöpfung maßgeblich. Auf EU-Ebene wird erwartet, dass der EU Data Act bis zum Ende des Jahrzehnts eine zusätzliche Wertschöpfung von 280 Milliarden Euro ermöglicht. Bereits heute werden Manufacturing-X und andere X-Initiativen auf europäischer und globaler Ebene geplant, entsprechend den internationalen Wertschöpfungsnetzwerken, und stoßen international auf großes Interesse. Länder wie Südkorea oder Japan sind bereits den Initiativen beigetreten.

Insofern schaffen die X-Initiativen eine grundlegende Neuordnung einer europäischen Datenökonomie und Wirtschaftsordnung unter Führung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das beträchtliche Steuermittel zum Aufbau dieser Initiativen bereitgestellt hat. Ziel ist es, die EU zu einer der international führenden Digital-Ökonomien zu machen und sie in eine digitale Führungsrolle zu bringen. Letztlich soll eine intelligent vernetzte Industrie entstehen.

Hohe Nutzerakzeptanz gefragt

Gefragt sind hier nun besonders die Anbieter von Softwarelösungen, die eine wesentliche Rolle dabei spielen, Manufacturing- oder Factory-X zum Erfolg zu führen. Nur wenn ein breites Manufacturing-X-Angebot an Standardsoftware vorhanden ist, kann die Nutzung föderativer Datenräume flächendeckend gelingen.

Insbesondere mittelständische Unternehmen werden Schwierigkeiten haben, die breiten Möglichkeiten der X-Initiativen durch eigene, individuelle Entwicklungsprojekte zu erschließen. Doch das ist auch nicht ihre Aufgabe. Vielmehr sollten die Funktionen von den relevanten Softwareanbietern so gestaltet werden, dass sie einfach nutzbar sind. Diese Anbieter, darunter auch Hersteller von ERP- und MES-Systemen, müssen ihren Kunden frühzeitig die technischen und funktionalen Voraussetzungen zur Verfügung stellen, um den vornehmlich mittelständischen Anwendern eine einfache Nutzung, „quasi aus der Schublade“ zu ermöglichen. Fehlt es daran, sind diese Initiativen zum Scheitern verurteilt.

Starke Konkurrenz

Die Herausforderung: Dieses Erfolgskriterium wird heute von den bisherigen Protagonisten der X-Initiativen, wie der Politik, noch viel zu wenig berücksichtigt. Darüber hinaus beteiligen sich Anbieter von Standardsoftware-Systemen nur begrenzt an den X-Initiativen. Viele sind sich derer kaum bewusst und stattdessen stark mit anderen Themen wie Artificial Intelligence, Cloud-Transformation und Blockchain beschäftigt. Selbst bei Factory-X sind im erfolgskritischen ERP- und MES-Bereich mit SAP und proALPHA bisher nur zwei Anbieter aktiv. Sie arbeiten daran, in den kommenden zwei Jahren X-kompatible Lösungen für ihre Kunden zu entwickeln. Diese Ausgangssituation ist bedenklich und wird es erschweren, Manufacturing-X möglichst frühzeitig und flächendeckend auszurollen – auch vor dem Hintergrund, dass sich Manufacturing-X gegenüber AI, Cloud und SaaS-Geschäftsmodellen im Kampf um Ressourcen behaupten muss.

Zudem ist zu bedenken, dass Manufacturing-X ein Software-dominiertes Thema ist und die Produktion nur in Teilen betrifft. Die wesentlichen Ziele sind sowohl Unternehmens- und Lieferketten-Resilienz als auch Nachhaltigkeit. Diese sind nur bedingt produktionsrelevant. Während der Schwerpunkt häufig fälschlicherweise auf die Produktion gelegt wird, wird die Bedeutung der Anbieter vernachlässigt – viele fühlen sich folglich auch nicht angesprochen.

Wie geht es weiter?

Die konkreten Manufacturing-X-Angebote werden erst über die kommenden zweieinhalb Jahre entstehen und müssen dann erst noch in standardfähige Softwarelösungen überführt werden. Demnach wird es noch eine gewisse Zeit dauern, bis diese Lösungen für die breite Masse zur Verfügung stehen werden. In der Zwischenzeit können sich Anbieter und Anwender aber bereits auf die föderativen Datenräume und das Arbeiten in Ökosystemen vorbereiten.

Bildergalerie

  • Michael Finkler, Geschäftsführer Business Development bei proALPHA: „Mittels sogenannter föderativer beziehungsweise kollaborativer Datenräume sollen im Rahmen der X-Initiativen Daten entlang der gesamten Liefer- und Fertigungsketten gemeinsam und souverän genutzt werden können.“

    Michael Finkler, Geschäftsführer Business Development bei proALPHA: „Mittels sogenannter föderativer beziehungsweise kollaborativer Datenräume sollen im Rahmen der X-Initiativen Daten entlang der gesamten Liefer- und Fertigungsketten gemeinsam und souverän genutzt werden können.“

    Bild: proAlpha

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