Endress+Hauser ist 60 Jahre alt, Sie sind der dritte CEO – aber der erste, der nicht aus der Gesellschafterfamilie Endress stammt. Lastet deshalb mehr Druck auf Ihren Schultern, da alle Welt schaut, wie Sie sich an der Spitze des Familienunternehmens machen?
Ich denke schon, dass alle Welt auf mich schaut. Vor allem die Mitarbeiter werden sich fragen, ob sich etwas ändern wird, wenn ein Nicht-Familienmitglied die Aufgaben des CEO übernimmt. Wenn der CEO aus der eigenen Familie stammt, lastet allerdings ein größerer Druck auf ihm, als wenn er ein Fremder wäre.
Inwiefern?
Es ist für ein Familienmitglied sehr viel schwieriger, sich von seinen Vorgängern abzusetzen und sein eigenes Profil durchzusetzen. Immerhin ist er auch immer ein emotionales Mitglied der Familie. Jemand von außen ist zwar an die Firma gebunden, aber hat das Familienthema nicht so stark im Rücken. Es war für meinen Vorgänger Klaus Endress deshalb sicherlich einst schwieriger, diese Aufgabe auszuführen als es für mich ist.
Sie sind seit etwa vier Monaten als CEO für Endress+Hauser tätig. Mit welchen Themen haben Sie sich beschäftigt?
Mir geht es darum, diejenigen kennenzulernen, die mit diesem Unternehmen zu tun haben – seien es Kunden, Mitarbeiter oder Gesellschafter. Ich verbringe folglich sehr viel Zeit mit den Menschen, die um mich herum sind. Ich habe aber auch einige internationale Vertriebsorganisationen, beispielsweise in China und USA, besucht, um mir vor Ort einen Überblick zu verschaffen. Und natürlich hatte ich auch einige Kundentermine in der Zwischenzeit.
Sie waren bis Ende 2013 Geschäftsführer bei Endress+Hauser in Maulburg – nun leiten Sie die Geschehnisse der Endress+Hauser-Gruppe. Was sehen Sie für sich als größte Herausforderung?
Wir haben uns mit den Zukäufen von SpectraSensors und Kaiser Optical Systems sowie der Beteiligung an der Analytik Jena verstärkt. Dies ist sicherlich eine Herausforderung. Diese Unternehmen müssen intelligent in das Netzwerk von Endress+Hauser eingebunden und für die Zukunft ausgerichtet werden. Das kommt auf der strategischen Seite auf uns zu. Eine weitere Herausforderung betrifft die Digitalisierung. Die Welt rückt enger zusammen, wir müssen unseren Platz in diesem Digital Space finden und uns dort positionieren. In diesem Zusammenhang beschäftigen uns Themen wie Feldbus, Wireless und Network Engineering. Die dritte Herausforderung für mich ist: Wir müssen uns so positionieren, dass wir unseren Kunden einen Mehrwert bieten können – in Form von Dienstleistungen und Betreuung, aber auch in Form von Innovationen.
Sie haben sich für Ihre Aufgaben als CEO weitergebildet. Wo waren Sie, welche Seminare haben Sie besucht?
Ich habe mich in Kalifornien an der Stanford University fortgebildet. Ich habe mich unter anderem für die Entwicklung digitaler Landschaften interessiert. In diesem Bereich gibt es dort sehr viele Start-ups. Welches Umfeld wird dafür benötigt, was ist die Kernaufgabe, wie werden die Unternehmen gemanaget? Das sind einige der Fragen, die mich beschäftigt haben.
Sie haben auf der Bilanzmedienkonferenz 2013 gesagt, dass Sie als CEO bei Endress+Hauser da ansetzen möchten, wo das Unternehmen heute steht. Sie haben in diesem Zusammenhang Klaus Endress zitiert, dass man auch das Gute immer noch weiter verbessern kann. An was haben Sie da gedacht?
Die Analysen-Messtechnik, vor allem die komplexe Gas- und Flüssigkeitsanalyse, möchten wir als Standbein ausbauen. Außerdem wollen wir in der Labormesstechnik vorwärtskommen, sowohl in Qualitäts- als auch in Forschungs- und Entwicklungslaboren. Weitere Schwerpunkte werden Themen wie Anwendung von Mikrosystemtechnologie oder Software in der digitalen Welt sein.
Sie sind auf die Akquisitionen eingegangen. Warum hat sich Endress+Hauser für diese Zukäufe entschieden?
Wir sehen in der Ramanspektroskopie eine Technologie, die langfristig für Flüssigkeiten, Feststoffe und Gase eingesetzt werden kann – ohne Verbrauchsmaterialien und Totzeiten, die entstehen, wenn man Testsamples in das Labor trägt. Wir versuchen, das Labor ins Feld zu bringen, so nah wie möglich zum Kunden, um die Regelkreise so schnell wie möglich zu schließen. Mit den Technologien von SpectraSensors und Kaiser Optical Systems können wir dies umsetzen. Mit der Beteiligung an der Analytik Jena möchten wir im Laborbereich Fuß fassen. Im Bereich Life Sciences kristallisieren sich neue Analysenmethoden, die biologisch bedingt sind, heraus. Dies betrifft unter anderem den Wasser- und Abwasserbereich. Kunden möchten nämlich langfristig nicht nur Fest- und Klärstoffe reinigen. Es wird auch immer wichtiger, wie man Hormone im Wasser oder Medikamente im Wasser misst bzw. wie man diese Medikamente aus dem Wasser filtert. Mit der Beteiligung an Analytik Jena kommen wir da einen großen Schritt vorwärts. Weitere Akquisitionen sind derzeit nicht geplant
Was ist das Wichtigste, was Sie mit Klaus Endress für die Zukunft vereinbart haben?
Wir haben gemeinsam das Interesse, diese Firma langfristig erfolgreich in die Zukunft zu führen – als selbstständiges Familienunternehmen. Ich kann meinen Teil dazu beitragen, dass die Chancen groß werden, dass Endress+Hauser wieder von einem Familienmitglied geführt werden kann. Dafür bedarf es aber Zeit. Diese Zeit werde ich zur Verfügung stellen, so lange mein Können, mein Wissen und meine Gesundheit ausreichen. Damit können die Familie Endress und ich gut leben. Es liegt natürlich im Interesse von Familie Endress, dass der neue Chef keinen Unsinn macht. Wenn man Verantwortung für 12.000 Mitarbeiter hat, gehört es sich, dass man die Aufgabe mit sehr viel Verantwortungs-, Pflichtbewusstsein und Respekt angeht.
Zur Person: Matthias Altendorf (46) hat seine gesamte berufliche Laufbahn bei Endress+Hauser absolviert. Sie begann mit einer Lehre als Mechaniker im Werk Maulburg (Baden-Würrtemberg), an die sich Studium und Weiterbildungen anschlossen. Bei Endress+Hauser Flowtec im schweizerischen Reinach übernahm Matthias Altendorf auf unterschiedlichen Positionen mehr und mehr Verantwortung, bis er dort im Jahr 2000 als Marketing-Direktor in die Geschäftsleitung aufrückte. 2005 kehrte Altendorf schließlich als Geschäftsführer nach Maulburg zurück. Seit dem Jahr 2009 ist der 46-Jährige auch Mitglied des Executive Board der Firmengruppe.