Das Wunder der Quanten Daimler forscht mit Google am Einsatz von Quantencomputern

Im Video erklärt Michael Marthaler (Karlsruher Institut für Technologie) Quantencomputing.

05.04.2018

Künftige Mobilität erfordert die Bewältigung hochkomplexer Fragestellungen, die aktuelle Rechnergenerationen und Serversysteme an ihre Leistungsgrenzen bringen oder gar überfordern. Quantencomputern lassen hoffen, diese Aufgaben weitaus schneller oder überhaupt erst lösen zu können. Außerdem: Wussten Sie, dass Quanten weder Teilchen noch Wellen sind?

Daimler setzt daher auf strategische Forschungskooperationen im Bereich des Quantencomputings und hat eine weitere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet mit Google vereinbart. Mit dem 72‑Qubit-Chip Bristlecone hat Google gerade den Quantencomputer mit der höchsten Anzahl an Quantenbits gebaut. Qubits sind die kleinstmögliche Speichereinheit und dienen als Maß für die Leistungsfähigkeit von Quantencomputern.

Spezialisten-Teams aus der Daimler Konzernforschung und der IT nutzen in dieser Kooperation Quantencomputer von Google, um konkreten Fragestellungen der Mobilität der Zukunft nachzugehen.

Daimler CIO Jan Brecht sagt: „Quantencomputing hat das Potential, die gesamte IT-Branche zu revolutionieren – und damit auch alle anderen Industriebereiche. Noch befindet sich diese Technologie im frühen Forschungs- und Entwicklungsstadium – aber die Möglichkeiten sind enorm. Wir wollen frühzeitig Erfahrungen mit dieser neuen Technologie sammeln. Daher bringen wir in die Forschungskooperationen konkrete Use Cases aus dem Automobil- und Mobilitätsbereich ein.“

Neue Rechendimension: Quantencomputer

Vereinfacht gesagt ist ein Quantencomputer ein unmittelbar mit den Gesetzen der Quantenphysik operierender Rechner. Anders als heutige Computer arbeitet er nicht nur in einem binären Zahlensystem (0 oder 1), sondern kennt weitere Zustände, die so genannten Superpositionen. Diese Zwischenzustände lassen sich mit klassischen Rechnern nicht darstellen und erweitern die Rechenmöglichkeiten des Computers enorm. Dadurch können manche komplexe Berechnungen in Geschwindigkeiten ausgeführt werden, die bisher undenkbar sind. Zu diesen zahlreichen möglichen Einsatzfeldern für Quantencomputer zählen:

  • die auf Quantenchemie basierende Wahl neuer Materialien, etwa für die Entwicklung von Batteriezellen

  • die effiziente und komfortable Bereitstellung individueller Mobilität: Dabei können autonome Fahrzeuge im urbanen Umfeld und in Megacitys eingesetzt werden, was gleichzeitig die Verkehrsinfrastruktur entlastet.

  • die Logistikplanung im Van-Bereich: Abhängig von einer Vielzahl von Variablen müssen dort Routen geplant und in Echtzeit aktualisiert werden.

  • die Optimierung von Fertigungsplanung und Produktionsprozessen

  • das maschinelle Lernen zur Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz

Die breit aufgestellten Forschungsaktivitäten im Bereich Quantencomputing sind Bestandteil der CASE-Strategie und unterstreichen den Wandel der Daimler AG vom Fahrzeughersteller zum Mobilitätsdienstleister. CASE steht dabei für die Felder Vernetzung (Connected), autonomes Fahren (Autonomous), flexible Nutzung (Shared&Services) und elektrische Antriebe (Electric). Ziel ist es, durch intelligente Verzahnung der CASE-Themen intuitive Mobilität für die Kunden zu gestalten.

Wussten Sie, dass…

… Quanten weder Teilchen noch Wellen sind? Teilchen sind Objekte, die klar definierte Grenzen haben. Zwei wesentliche Eigenschaften sind, dass sich Teilchen lokalisieren und zählen lassen. Klassische Wellen bestehen aus vielen Einzelteilchen, die sich an verschiedenen Orten befinden und mit verschiedenen Impulsen vorkommen, Wellen bilden außerdem Interferenzen. Quanten können die Eigenschaften klassischer Wellen und die klassischer Teilchen annehmen, man spricht vom Welle-Teilchen-Dualismus.

…in der Quantenwelt Gesetzmäßigkeiten auftreten, die den Gesetzen der klassischen Physik widersprechen und schwer zu greifen sind? Zum Beispiel ist es aus der Alltagswelt nicht zu verstehen, wie sich ein und dasselbe Teilchen an zwei verschiedenen Stellen gleichzeitig befinden kann. Oder wie zwei Teilchen über eine beliebig große Entfernung in eine Wechselwirkung miteinander treten, ohne dass man eine Kraftbeziehung dafür messen kann. Eine der Besonderheiten der Quantenphysik ist, dass sich von den unbeobachteten Quanten weder eine genaue Position noch eine genaue Bewegungsrichtung bestimmen lässt.

…Quanten in der mikroskopischen Physik Größen sind, die nicht beliebige Werte, sondern nur bestimmte diskrete Werte annehmen können? Dazu zählen beispielsweise Energie und Drehimpuls. Oft bezeichnet man mit Quanten auch einfach Objekte wie Atome oder Elektronen, für die die Quantenphysik gilt, die also zum Beispiel die Phänomene Superposition und Verschränkung aufweisen.

…Superposition (deutsch: „Überlagerung“) bei Quanten heißt, dass sie sich in einem Zustand befinden, in dem sich mehrere einander klassisch ausschließende Eigenschaften in gewissem Sinne „überlagern“? So kann sich beispielsweise ein Elementarteilchen in Superposition von mehreren unterschiedlichen Orten befinden. Das heißt, dass sich das Teilchen zwar an keinem Ort definitiv befindet, aber dass es bei einer Ortsmessung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an dem einen oder anderen Ort festgestellt wird.

…Verschränkung bedeutet, dass zwei Quantenobjekte ihre Individualität verlieren und dass die Eigenschaften des einen von denen des anderen abhängen? Eine Operation an dem einen Objekt wirkt sich unmittelbar auf das andere Objekt aus. Diese Abhängigkeit wirkt über beliebige Entfernungen und benötigt kein bekanntes physikalisches Trägermedium.

…Qubits mikroskopische Quantensysteme sind, die zwei unterschiedliche Basiszustände enthalten? Diese entsprechen der 0 und der 1 beim klassischen Bit. Diese Quantensysteme weisen die typischen Quanteneigenschaften wie Superposition oder Verschränkung auf. Wie bei klassischen Bits gibt es verschiedene Möglichkeiten, woraus man Qubits bauen kann, beispielsweise mithilfe von Photonen, Elektronen, Atomen oder so genannten supraleitenden Schwingkreisen. Ziel ist, eine hohe zeitliche Stabilität der Qubits zu erreichen (so genannte Kohärenzzeit), um möglichst viele Operationen durchführen zu können, bevor durch Wechselwirkung mit der Umgebung die gespeicherte Information fehlerhaft wird. Des Weiteren sind eine hohe Präzision (= geringe Fehlerraten) beziehungsweise eine gute Fehlerkorrektur Ziel der aktuellen Entwicklung.

…man sich ein Qubit wie die Erdoberfläche vorstellen kann? Ist der Nordpol die 0 und der Südpol die 1, so gibt es bei einem Qubit auch alle anderen Punkte der Erdoberfläche, während bei einem klassischen Bit nur Nord- und Südpol existieren.

…sich die Suche nach dem Ausgang aus einem Irrgarten gut als Illustration für die unterschiedliche Arbeitsweise von Supercomputern und Quantencomputer eignet? Ein heutiger Computer prüft alle Ausgänge seriell, bis er den Ausgang gefunden hat. Ein Quantencomputer würde alle möglichen Pfade parallel absuchen und viel schneller das Ergebnis des richtigen Weges ausgeben. Manche Arten von Berechnungen können dadurch stark beschleunigt werden.

…ein Quantencomputer dennoch nicht in jedem Fall besser als ein heutiger Supercomputer ist? Ein Quantencomputer kann genau dieselben Probleme berechnen wie ein klassischer Rechner. Er ist aber nicht in allen Fällen besser darin. Ein Quantencomputer ist dann besser, wenn er Rechenaufgaben in akzeptabler Zeit lösen kann, für die der klassische Rechner unakzeptabel lange braucht oder für die er so große Mengen an Speicher benötigen würde, dass sie physikalisch unmöglich zu realisieren sind, wie es unter anderem in der Quantenchemie auftritt. Dabei ist auch die auf klassischen Rechnern stattfindende Vor- und Nacharbeit an den Daten mit einzuberechnen.

...sich durchaus überprüfen lässt, ob ein Quantencomputer richtig gerechnet hat, auch wenn diese Berechnungen für Supercomputer nicht mehr nachvollziehbar sind? Man kann den Quantencomputer kleinere Probleme rechnen lassen, die sich noch mit klassischen Supercomputern behandeln lassen, und die Ergebnisse vergleichen. Einige Berechnungsprobleme sind außerdem von der Art, dass es zwar sehr schwierig ist, auf eine Lösung zu kommen, aber andererseits sehr einfach zu überprüfen ist, ob eine vorgeschlagene Lösung korrekt ist. Die Ergebnisse des Quantencomputers kann man dann relativ einfach überprüfen. Für Optimierungsprobleme gilt Ähnliches: Wird vom Quantencomputer eine Lösung vorgeschlagen, kann man überprüfen, wie gut sie ist, indem man sie mit dem Lösungsvorschlag des klassischen Rechners vergleicht. Bei größeren Berechnungsproblemen kann der klassische Computer allerdings nur Näherungslösungen liefern, die auf den besten verfügbaren klassischen Algorithmen basieren. In weiterer Zukunft ist es denkbar, dass man die Ergebnisse mit denen eines Quantencomputers des gleichen Typs oder auch eines anderen Typs vergleichen oder abgleichen kann.

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