Das neue Taiwan? Was hinter dem Chip-Rausch in Vietnam steckt

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts von Stefan Laser waren Rechenzentren in Deutschland. Er und seine Kollegen analysierten deren Komponenten und wie sie mit verschiedenen Orten in der Welt zusammenhängen. Chips spielen dabei eine zentrale Rolle.

Bild: Ruhr-Universität Bochum, Marquard
08.05.2024

„Vietnam möchte langfristig das neue Taiwan werden“, sagt Dr. Stefan Laser, Sozialwissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum mit Blick auf den Boom der Chip-Industrie in dem Land. Weil Vietnam als politisch stabil gilt und strategisch günstig am Meer gelegen ist, hat auch der Westen ein Interesse daran, dass die Chip-Branche dort erstarkt. Was nach außen oft als reine Erfolgsgeschichte verkauft wird, bringt bei genauer Betrachtung aber einige Widersprüche mit sich, wie Stefan Laser in seiner Forschung aufzeigt. Über seine Arbeit im Sonderforschungsbereich Virtuelle Lebenswelten berichtet das Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität.

„Es sind viele Hoffnungen und auch viele Investitionen mit der Chip-Industrie in Vietnam verbunden“, sagt Stefan Laser. „Aber es gibt auch Zweifel, wie tragfähig das Ganze wirklich ist.“ Er zeigt ein Beispiel auf: 2023 reiste US-Präsident Joe Biden nach Vietnam, um eine strategische Partnerschaft mit dem Land zu vereinbaren. „Er hatte eine ganze Entourage von Industrievertretern dabei“, erzählt Laser. „Das Unternehmen Intel kündigte anschließend an, ein zweites großes Werk im Land zu bauen – und sprang kurze Zeit später doch wieder ab.“ Warum, wurde zwar nicht öffentlich geäußert. Medien recherchierten jedoch zu dem Thema und machten die fehlende Energiesicherheit als Grund aus.

Unternehmen unterliegen Klimaverpflichtungen, sodass der Anteil der erneuerbaren Energie in Vietnam steigen soll. Allerdings, so Laser, sei in dem Land keine ausreichende Netzstabilität dafür vorhanden.

Kontroversen findet Stefan Laser nicht nur im Hinblick auf die Energiesicherheit, sondern auch an vielen anderen Stellen. So plant Vietnam beispielsweise 50.000 neue Ingenieure auszubilden und einzustellen. Sie sollen sicherstellen, dass das Land künftig auch am oberen Ende der Wertschöpfungskette mitmischen kann, etwa beim Chip-Design. Ob es gelingen wird, so viele neue Fachkräfte in den Arbeitsmarkt zu bringen, bezweifeln einige. „Es gibt Sorge vor brain drain“, sagt Stefan Laser. „Fachkräfte könnten sich zwar in Vietnam ausbilden lassen, dann aber nach Taiwan oder Südkorea abwandern.“

Feldforschung in Vietnam

Um diese und weitere Kontroversen sichtbar zu machen, forscht Laser intensiv vor Ort in Vietnam. Er sichtet die Medien, spricht mit Journalisten, besucht Industriemessen, um Kontakte in die Chip-Industrie zu knüpfen, und verfolgt Änderungen in den Gesetzen, die die Rahmenbedingungen für die Branche vorgeben.

Welchen außergewöhnlichen Karriereweg er dabei zum Beispiel aufgetan hat, berichtet er so: „Es bildet sich ein interessantes Ökosystem rund um die Chip-Fabrik, das fast schon grotesk anmutet.“

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