Partnerländer, Transport und Abstimmungen Wasserstoff: Welche Importstrategie lohnt sich für Deutschland?

Der globale Importbedarf für Wasserstoff ist eher gering, da viele Länder wie beispielsweise die USA oder China ihren Wasserstoffbedarf überwiegend selbst decken können. Dies gilt allerdings nicht für Deutschland – hier braucht es eine durchdachte Import-Strategie.

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13.02.2024

Eine Metastudie hat existierende Studien zu Erzeugung, Produktion und Handel von Wasserstoff ausgewertet. Aus den in einem Impulspapier festgehaltenen Erkenntnissen wurden Handlungsempfehlungen für eine deutsche Wasserstoff-Importstrategie abgeleitet, die klar zwischen dem Import reinen Wasserstoffs und von Wasserstoffderivaten unterscheidet.

In ihrer überarbeiteten Wasserstoffstrategie geht die Bundesregierung davon aus, dass rund 50 bis 70 Prozent des für 2030 prognostizierten Wasserstoffbedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen.

Vor diesem Hintergrund wertete ein Team des Fraunhofer ISI im vom BMBF geförderten Forschungsprojekt HyPat zahlreiche Studien aus, die sich mit den Kosten für Herstellung und Transport sowie möglichen internationalen Handelsströmen für grünen Wasserstoff und Wasserstoffderivaten befassten. Daraus wurden Handlungsempfehlungen für eine deutsche Importstrategie abgeleitet.

Globale Wasserstoffnachfrage lässt sich mit grünem Wasserstoff decken

Die Studien gehen von einer globalen Wasserstoffnachfrage bis 2050 von 4 bis 11 Prozent am Endenergiebedarf aus. Stellt man das globale Angebot dem Bedarf gegenüber, so lässt sich diese Nachfrage durch grünen Wasserstoff auch unter stark einschränkenden Annahmen, wie Ausschluss von Regionen mit Wasserstress oder geopolitischen Instabilitäten, decken. Derzeit bestehen aber eine Reihe an Hemmnissen für einen Markthochlauf, sodass dieser aktuell nur schleppend voranschreitet.

Für die Stromerzeugung zur Herstellung von Wasserstoff bieten sich nach Studienlage Standorte mit guten Photovoltaikbedingungen an, idealerweise kombiniert mit guten Windbedingungen, da in diesem Fall die Herstellungskosten am günstigsten sind. Künftige Exportländer sollten zudem Zugang zu kostengünstigen Finanzierungen und nationalen Fonds haben, damit sich Kapitalkosten, die einen hohen Einfluss auf die Gesamtkosten haben, niedrig halten lassen. Aspekte wie Wasserverfügbarkeit, politische Stabilität, technologisches Know-how und Transportdistanzen spielen ebenfalls eine zentrale Rolle.

Internationaler Wasserstoffhandel wird global überschaubar sein

Der globale Handel zwischen 2030 und 2050 wird aber voraussichtlich nur ein Drittel des Gesamtbedarfs ausmachen, weil der Importbedarf für Wasserstoff eher gering ist und viele Länder wie beispielsweise die USA oder China ihren Wasserstoffbedarf überwiegend selbst decken können. Dies gilt allerdings nicht für Deutschland. Da grüner Wasserstoff und Wasserstoffderivate kurz- und mittelfristig eher teuer und knapp bleiben werden, sollte sich eine Importstrategie auf Bereiche fokussieren, in denen sich die Klimaziele nur unter Anwendung von Wasserstoff erreichen lassen: Etwa in der Stahl- und Grundstoffchemie, dem internationalen Flug- und Schiffstransport oder Raffinerien.

Potenzielle Exportländer von Wasserstoff und seinen Derivaten verfolgen teilweise Strategien, künftig höhere Anteile an der Wertschöpfungskette im eigenen Land zu behalten und anstelle von Wasserstoff zum Beispiel Eisenschwamm für die Stahlherstellung oder Chemieprodukte wie Ammoniak zu exportieren, was die deutsche Industrie vor Herausforderungen stellt. Länder wie die USA, die über große und günstige Ressourcen zur Herstellung von grünem Wasserstoff verfügen und bereits heute beträchtliche Marktanteile bei industriellen Anwendungen, in denen Wasserstoff künftig eine wichtige Rolle spielen kann, besitzen, könnten durch die Integration von Segmenten der Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff in der Produktion und bei industriellen Anwendungen zu Spitzenreitern werden.

Der Handel mit reinem Wasserstoff wird überwiegend in großräumigen regionalen Märkten mit einem Radius von 2.000 bis 3.000 km erfolgen, wobei voraussichtlich der Pipelinetransport aufgrund von Kostenvorteilen die vorherrschende Transportoption darstellt und Schiffsimporte eher die Funktion einer Risikoabsicherung übernehmen. Auf der anderen Seite dürfte für Wasserstoffderivate eher ein internationaler Markt, analog zu den heutigen Ölmärkten, entstehen, wobei hier dem Schiffstransport eine entscheidende Rolle zukommt.

Mit Blick auf Handlungsempfehlungen sollte der Metastudie zufolge eine deutsche Importstrategie klar zwischen Wasserstoff und Wasserstoffderivaten unterscheiden.

Beim Import reinen Wasserstoffs sind folgende Aspekte zu beachten:

  • Infrastrukturaufbau: Der Aufbau eines Pipelinenetzes ist zeit- und kapitalintensiv, ließe sich aber aufgrund eines langsam anlaufenden Markthochlaufes realisieren.

  • Aus Erfahrungen lernen: Fehler beim Auf- und Ausbau des Gasnetzes wie die starke Fokussierung auf wenige Anbieter wie Russland gilt es zu vermeiden. Daher sollte nicht automatisch der kosteneffizienteste Importpfad gewählt werden.

  • Nachfragereduzierung: Durch Effizienz und Fokus auf wirklich notwendige Wasserstoff-Anwendungen wird die Nachfrage von vornherein begrenzt.

  • Diversifizierung: Durch verschiedene Lieferanten, Routen und Verkehrsträger sowie heimische Produktion gewisser Mengen werden Abhängigkeiten reduziert.

  • Widerstandsfähigkeit stärken: Diese lässt sich durch heimische Speicherung von Wasserstoff erhöhen, die Vorbereitung auf Versorgungsengpässe sollte ausgeweitet werden.

  • Marktdifferenzierung: Unterschiedliche Anforderungen an die Herstellung von Wasserstoff, etwa bezüglich Umweltstandards, begünstigen die Entstehung kleiner Märkte und höherer Preise, was aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sowie der Investitions- und Versorgungssicherheit zu vermeiden ist.

  • Importe aus der EU und EU-Anrainerstaaten bevorzugen: Deutschland sollte sich aus einer wirtschaftlichen Perspektive auf EU-Staaten mit guten Erneuerbaren-Potenzialen wie Spanien und EU-Anrainerstaaten wie Norwegen konzentrieren. Diese sind verlässliche Partner und die EU würde insgesamt gestärkt.

Für die Importstrategie für Wasserstoffderivate ist folgendes zu berücksichtigen:

  • Konkurrenz und Kooperation: Deutschland sollte insbesondere Japan und Südkorea – die beiden anderen Länder mit hohen Importbedarfen – als Konkurrenten, aber auch als mögliche Kooperationspartner betrachten.

  • Wasserstoff-Allianz: Aus Gründen der Marktmacht sollte eine gemeinsame Position mit EU-Importländern wie der Niederlande und Belgien beziehungsweise der EU insgesamt gesucht werden, etwa in einer europäischen Wasserstoff-Allianz.

  • Differenzierung nach Derivatien: Eine Importstrategie sollte die Spezifika bei Wasserstoffderivaten wie eKerosin, Ammoniak oder Methanol berücksichtigen.

  • eKerosin wird zum Erreichen der Klimaschutzziele im Flugverkehr benötigt, Alternativen gibt es so gut wie keine. Bestehende Importinfrastrukturen können weiter genutzt werden.

  • Methanol lässt sich als Treibstoff und in der chemischen Industrie als Grundstoff einsetzen. Bisher gibt es aber nur wenig Infrastruktur und Schiffe zum Transport.

  • Ammoniak ließe sich als Träger für Wasserstoff nutzen, was jedoch mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden und daher kostspielig ist. Für eine Direktnutzung kommt künftig der Schiffsverkehr und unter Umständen auch die Stromerzeugung in Frage, wobei für letzteres noch ein hoher Entwicklungsaufwand nötig ist.

Deutschland sollte schon jetzt auf potenzielle Exportländer zugehen

Prof. Dr. Martin Wietschel, der am Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet und Mitautor des HyPat-Impulspapiers ist, fasst mit Blick auf die Metastudie zusammen: „Die Bundesregierung wird im Frühjahr ihre Wasserstoff-Importstrategie vorstellen. Dafür gilt es eine Reihe von Aspekten zu beachten, allen voran Wasserstoff und Wasserstoffderivate separat zu betrachten. Gerade weil der Importbedarf international begrenzt sein wird, muss Deutschland in Abstimmung mit der EU schon jetzt auf potenzielle Exportländer zugehen, die mittelfristig eine bedeutende Marktmacht erlangen werden. Verhandlungen sollten nicht in die Länge gezogen werden, damit Erstanbieter nicht andere Importeure in Betracht ziehen. Daher gilt es mit Exportländern gemeinsam und auf Augenhöhe Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln und Risiken fair zu verteilen. Dies schafft nicht nur lokale Wertschöpfung, sondern treibt zugleich lokale Energiewenden voran – und hilft am Ende vor allem auch Deutschland bei der Erreichung seiner eigenen Klimaziele.“

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