Zeit der Ertragsabschätzung von Windparks halbieren Windparkprojekte schneller realisieren mit Hilfe von KI

Bei der Planung von Windparkprojekten spielt die Ertragsabschätzung eine wichtige Rolle.

Bild: iStock; Erdark
16.08.2023

Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Windenergieausbau in Deutschland deutlich beschleunigt werden, es müssen also viele neue Windparks in kurzer Zeit gebaut werden. Zu Beginn eines jeden Windparkprojekts steht die Abschätzung der zu erwartenden Energieerträge am Standort. Im Forschungsprojekt „STRAIGHT – Steigerung von Qualität und Effizienz bei der Ertragsabschätzung für Windparks“ entwickelt das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE mit seinen Partnern hierfür neue Verfahren auf Basis Künstlicher Intelligenz. Das ehrgeizige Ziel: Die Dauer der Ertragsabschätzung mindestens halbieren, um so zur Beschleunigung des Windenergieausbaus beizutragen.

Das Kick-off-Treffen des Forschungsprojekts fand im Juli 2023 statt. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in den kommenden drei Jahren mit knapp 1,2 Millionen Euro. Neben dem Koordinator Fraunhofer IEE beteiligen sich die Universität Kassel, das Unternehmen Anemos sowie weitere Unternehmen aus der Windbranche an dem Projekt.

Realisierung von Windparkprojekten

Das Konsortium erforscht, wie sich eine verkürzte Messdauer von einem Jahr auf wenige Monate auswirkt – vor dem Hintergrund der jahreszeitlichen Schwankungen im Wind ein wichtiger Faktor, wie Projektleiter Dr. Alexander Basse erläutert: „Im Sommer liegen hier in Deutschland üblicherweise deutlich geringere Windgeschwindigkeiten vor als in Herbst oder Winter. Wenn wir statt einem ganzen Jahr nur noch wenige Monate messen, deckt die Messung nicht mehr den ganzen Jahresgang des Windes ab; sie ist also nicht mehr repräsentativ für die mittleren Windbedingungen.“

Hinzu kommen außerdem jahreszeitliche Variationen in der Windrichtung oder der Windscherung (diese beschreibt die Änderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe). „Unsere KI-basierten Modelle sollen diese jahreszeitlichen Muster erkennen, lernen und auf andere Standorte übertragen – wir wenden also maschinelles Lernen auf Wind und Wetter an.“

Neben dem Windpotenzial müssen auch die energetischen Verluste berechnet werden, um genau abschätzen zu können, wie viel Strom ein Windpark später erzeugen wird. Dies umfasst vor allem Abschaltungen aufgrund sogenannter genehmigungsrechtlicher Auflagen. Das sind Abschaltungen oder Drosselung zum Schutz der anwohnenden Personen oder aus Gründen des Artenschutzes. So wird sichergestellt, dass zum Beispiel Schallimmissionen gering bleiben und Schattenwurf auf Wohngebäude nur in begrenztem Umfang auftritt. Auch bei Fledermausflug müssen die Anlagen zeitweise stillstehen. „Mittlerweile kann fast kein Windparkprojekt mehr ohne solche Auflagen realisiert werden – umso wichtiger ist es, deren Auswirkungen auf den Stromertrag zu bestimmen“, so Lasse Blanke, Geschäftsführer bei Anemos.

Wie die Windbedingungen sind auch praktisch all diese Verluste zeitlich abhängig: Fledermäuse fliegen nur unter bestimmten meteorologischen Bedingungen und Schattenwurf tritt nur auf, wenn die Sonne scheint. Umfang und Zeiträume solcher Abschaltungen möglichst genau vorherzusagen und damit die entsprechenden Verluste zu berechnen, liegt daher ebenfalls im Fokus des Projekts.

Die Windindustrie ist erst der Anfang

Hierzu werden in STRAIGHT Modelle entwickelt, die möglichst automatisiert aus Informationen über Wind und Wetter sowie den technischen Rahmenbedingungen der Windenergieanlagen letztlich die Erträge berechnen. „Mit unseren Partnern aus der Industrie stellen wir dabei sicher, dass unsere Ergebnisse in der Praxis auch genutzt werden können und die Modelle schnell in die Anwendung kommen“, sagt Dr. Doron Callies, Wissenschaftler an der Universität Kassel.

Doch nicht nur die Windindustrie soll von den Ergebnissen profitieren. Das Fraunhofer IEE passt die Modelle so an, dass sie auf ganze Regionen angewendet werden können. Dies ist von besonderer Relevanz, da die Bundesländer in den nächsten Jahren gezielt Flächen zur Windenergienutzung ausweisen werden. „Mit unseren Modellen soll genauer vorhergesagt werden können, wie viel Windstrom sich auf diesen Flächen erzeugen lässt. Wir unterstützen damit also auch die Planbarkeit der Energiewende in Deutschland“, sagt Projektleiter Basse.

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