Funktionieren Heizungs- und Kühlsysteme in Gebäuden nicht, liegt das nicht unbedingt daran, dass einzelne Komponenten defekt sind. Häufig wurden stattdessen Energieströme bei der Planung falsch berechnet. Thermodynamische Bilanzanalysen können Planungsfehler aufdecken und vermeiden. Das zeigt der Fall einer Geothermie-Wärmepumpe in einem Bürogebäude.
In dieses Gebäude wurde ein Heizsystem eingebaut, das typisch ist für moderne umwelt- und klimaschonende Anlagenkonzepte: Eine Kombination aus Solarthermie und Geothermie heizt die Büroflächen im Winter. Insgesamt 54 Erdsonden in 74 Meter tiefen Bohrlöchern entziehen dem Boden Wärme, die auf ein Wasser-Glykol-Gemisch übertragen wird. Eine elektrisch betriebene Wärmepumpe erhöht das Temperaturniveau und speist die Wärme in den Heizkreislauf des Gebäudes ein. Im Sommer kann das System auch zur Kühlung der Büros dienen. Die Wärmepumpe arbeitet dabei als Kältemaschine. Dabei wird die Wärme über die Erdsonden in den Boden abgeführt und das Reservoir so regeneriert. Soweit die Theorie.
In der Praxis ging die Heizung an einem kalten Tag im Januar ohne erkennbaren Grund außer Betrieb. Einen Bauteildefekt konnten die Haustechniker und Installateure schnell ausschließen. Warum aber hatte sich die Wärmepumpe abgeschaltet? Die Sache ging vors Landgericht. Um die Schuldfrage zu klären, beauftragte der Richter die Energieexperten von TÜV Süd, mit einem Gutachten zu klären, warum die Wärmepumpe ausfiel. Sie gingen der Frage nach und dabei davon aus, dass erst die Analyse der gesamten Anlagenkonfiguration unter thermodynamischen Gesichtspunkten Klarheit schaffen konnte.
Zunächst kamen die Installationspläne auf den Prüfstand. Insgesamt vier Pufferspeicher waren eingerichtet, zwei im Solekreislauf und zwei im Heizkreislauf. Ihr Gesamtvolumen von sechs Kubikmetern sollte die Lastspitzen bedienen. Darüber hinaus war ein Temperaturwächter im Vorlauf des Geothermie-Kreislaufs installiert. Seine Aufgabe: Wenn das Wasser-Glykol-Gemisch an dieser Stelle im System auf 0,5 Grad Celsius (°C) abkühlt, sorgt er dafür, dass die Wärmepumpe über einen Not-Aus-Mechanismus automatisch abgeschaltet wird und die Temperatur nicht noch weiter sinkt. So wird verhindert, dass die Erdsonden vereisen. Offenbar geschah jedoch genau das an dem kalten Wintertag drei Jahre nach der Inbetriebnahme der Heizungsanlage. Warum die Sole im Vorläufer so stark abkühlte, dass der Temperaturwächter aktiv wurde, blieb zunächst unklar. Bei der detaillierten Betrachtung der Energieströme in der Anlage wurden jedoch Konzeptions- und Planungsfehler offengelegt und als Ursache für die Abschaltung identifiziert.
Bereits in den Planungsunterlagen fanden die Experten erste Hinweise. Während der Planung wurden die thermischen Eigenschaften des Bodens durch einen sogenannten „Geothermal Response Test“ untersucht. Dieser schließt die Messung der spezifischen Leitfähigkeit, der spezifischen Wärmekapazität und der Wärmestromdichte ein. Mit den so ermittelten Werten, dem jährlichen Heizwärme- und Kältebedarf sowie den Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpe im Heiz- und Kühlbetrieb, erfolgte eine mathematische Simulation zur Bestimmung des Temperaturprofils des Erdsondenfelds. Bei dessen Planung war man davon ausgegangen, dass es nicht durch externe Quellen, zum Beispiel zufließendes Grundwasser, regeneriert wird. Das bedeutet, dass die durch die Wärmepumpe im Erdsondenfeld entnommene und die zurückgeführte Wärmemenge ungefähr gleich groß sein müssen. Nur in diesem Fall kommt es über den gesamten Jahresverlauf zu einer ausgeglichenen Wärmebilanz. Die Berechnungen der TÜV-Süd-Experten ergaben jedoch, dass auch im Idealfall nur rund 88 Prozent der entzogenen Wärme wieder zurück in den Boden gespeist wurden. Somit wurde dem Boden im Lauf der Zeit mehr Wärme entzogen als zurückgeführt.
Darüber hinaus war der Wärmebedarf nicht korrekt ermittelt worden, den die Wärmepumpe decken sollte, um das Gebäude ausreichend zu beheizen. Bei der Berechnung waren die Planer von einem Wärmeverlustkoeffizienten von 5360 Watt pro Kelvin (W/K) und einer Norm-Gebäudeheizlast von 130 Kilowatt (kW) ausgegangen, bei einer Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außentemperatur von 24 Kelvin (K). Tatsächlich betrug diese Differenz aber 33 K, bei einer unterstellten Innenraumtemperatur von 21 °C und einer Norm-Außentemperatur am Standort von -12 °C. Daraus ergab sich demnach eine reale Norm-Heizlast von 180 kW. Diese hätte die Wärmepumpe mit ihrer Leistung von 212 kW auch bedienen können. Anders sah das allerdings an sehr kalten Wintertagen aus, denn der limitierende Faktor lag – wie sich herausstellte – an anderer Stelle.
Höhere Heizlast, kaum Speicherkapazitäten
Um auch bei Lastspitzen ausreichend Wärme zur Verfügung zu stellen, wurden die vier Pufferspeicher installiert. Faktisch konnten die Speicher ihre Soll-Funktion allerdings nicht erfüllen – denn auch hier wurden Fehler gemacht: Erstens waren die zwei Speicher im Heizkreislauf an der falschen Stelle im Rohrleitungssystem integriert worden, nämlich im Rücklauf. So war keine nennenswerte Wärmespeicherung möglich, da das Wasser die Wärme bereits über die Heizkörper an die Raumluft abgibt und dabei abkühlt. Zweitens hatte das Wasser in den anderen beiden Speichern des Geothermie-Kreislaufs im Winter lediglich eine Temperatur von 3,6 °C und somit auch nur ein äußerst begrenztes Speicherpotenzial von 3,1 K bis zum Erreichen der Not-Aus-Temperatur von 0,5 °C, die nicht unterschritten werden durfte. Und drittens waren die Speicher zu klein dimensioniert. Selbst wenn sie korrekt installiert gewesen wären, hätte ihre Gesamtkapazität von 85 Kilowattstunden (kWh) unter Spitzenlast nur 40 Minuten lang ausgereicht, um Heizwärme für das Gebäude zur Verfügung zu stellen.
Tatsächlich musste die Wärmepumpe also auch unter Spitzenlast die gesamte Heizleistung allein erbringen. Was das für Folgen hat, zeigte eine Simulation der Anforderungen im Januar, dem kältestem Monat mit der höchsten Heizlast. In der Planung war auch zu diesem Zeitpunkt eine mittlere Entzugsleistung der Wärmepumpe von 58 kW erwartet worden. Ohne Unterstützung der Speicher und durch die niedrigen Boden- und Soletemperaturen betrug diese tatsächlich aber 151 kW. Sie war also mehr als zweieinhalbmal so hoch. Diese Entzugsleistung setzt aber eine Temperaturdifferenz zwischen Boden und Fluid voraus, die ebenfalls zweieinhalbmal so hoch ist. Statt 2,5 K bei einer Entzugsleistung von 58 kW muss sie bei 151 kW etwa 6,25 K betragen. Im Januar war mit einer Bodentemperatur von 5,5 °C zu rechnen. Daraus ergibt sich eine mittlere Fluidtemperatur von -0,75 °C. Wenn die Entzugsleistung um den Faktor 2,5 steigt, steigt auch die Temperaturspreizung zwischen Vor- und Rücklauf des Geothermie-Kreislaufs um denselben Faktor. Statt 1,3 K muss sie dann 3,2 K betragen. Damit würde unter Spitzenlast die Temperatur im Vorlauf auf -2,35 °C sinken. Bevor das geschieht, schaltet der Temperaturwächter die Wärmepumpe jedoch ab und schützt die Sonden so vor dem Vereisen.
Der Einsatz von erneuerbaren Energien kann CO2 und Energiekosten sparen. Wer diese Potenziale nutzen möchte, sollte sich jedoch der vielfältigen, technischen Aspekte bewusst sein, die mit den komplexen Systemen bei fast jedem Projekt verbunden sind. Denn ein allgemeingültiges, überschaubares „Schema F“ wie bei den fossilen und elektrischen Heizsystemen gibt es in den meisten Fällen nicht. In jedem Einzelfall ist es nötig, die technische Verzahnung der Anlagenkomponenten und die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort genau zu prüfen. Dazu gehören unter anderem die thermischen Eigenschaften des Bodens. Nur dann lassen sich individuell angepasste funktionale Konzepte entwickeln. Dabei ist es auch wichtig zu beachten, dass fehlerhafte Berechnungen der Energieströme nicht immer zum vollständigen Versagen der Systeme führen müssen. Meist arbeitet die Anlage unbemerkt in einem energetisch schlechten Betriebszustand – und damit ineffizient.
Im Fall der Geothermie-Wärmepumpe zeigt die Fehlfunktionsanalyse mit Hilfe thermodynamischer Bilanzierung, dass sich die Anlage unter Spitzenlast abschalten muss und auch nicht mehr gestartet werden kann. Ein störungsfreier Betrieb ist mit der vorhandenen Konfiguration schlicht nicht möglich. Zusätzliche Sonden, zusätzliche Speicher oder eine weitere Heizung mit konventioneller Energiequelle müssen in diesem Fall nachgerüstet werden. Deshalb ist es sinnvoll, Pläne solcher Anlagen vor der Realisierung von unabhängigen Experten prüfen zu lassen. Das beugt Ausfällen der Anlagentechnik vor und erspart spätere Rechtsstreitigkeiten und kostenaufwendige Anpassungsmaßnahmen.