Der erste funktionsfähige Prototyp ist da: Ingenieure des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik (MRM) der Universität Ulm haben gemeinsam mit den Unternehmen Gigatronik Technologies, ID-Bike und IPDD im Rahmen des dreijährigen Verbundprojekts Sicherheitsfahrwerk mit Elektro-Allradantrieb für E-Bikes und E-Motorräder einen Allradantrieb für elektrisch betriebene Zweiräder entwickelt. Die Ergebnisse des Verbundprojekts können auf alle Klassen von Zweirädern mit elektrischem Antriebsstrang übertragen werden.
Obwohl Zweiräder wie Autos Vorteile aus dem Allradantrieb ziehen können, ließ sich ein zusätzlicher Motor am Vorderrad bisher unter anderem aufgrund von Konstruktionsproblemen nicht in der Serienproduktion durchsetzen. Mit dem neuen Prototypen soll sich dies nun ändern. Dazu diente ein Elektro-Leichtkraftrad mit Nabenmotor auf Basis des bis zu 45 Stundenkilometern schnellen Elmoto-Kleinkraftrads vom Fahrzeughersteller ID-Bike, der das Fahrzeug für den Allradantrieb modifizierte.
Gigatronik hat das Testgefährt mit einem hybriden Energiespeicher ausgestattet und eine neue Stromregelung für die Elektromotoren implementiert, damit beim Bremsen Energie zurückgewonnen werden kann. Für den Fall, dass der Speicher voll ist oder der Fahrer bei geringen Geschwindigkeiten bremsen muss, hat die Produktdesign- und -Entwicklungs-Agentur IPDD eine elektromechanische Bremseinheit bereitgestellt, mit der über eine elektrische Ansteuerung auch die klassische Reibbremse eingesetzt werden kann.
Ein Vorteil von zwei über den Elektromotor angetriebenen Rädern: Es kann deutlich mehr Bremskraft gewonnen und als Energie gespeichert werden. Dadurch wird die Reichweite erhöht und es tritt kaum Verschleiß beim Bremsen auf. Der so entstehende zusätzliche Freiheitsgrad gegenüber Elektrokrafträdern mit Einzelmotoren wurde von den Ingenieuren ausgenutzt, um die Energieeffizienz zu steigern: Sie haben einen intelligenten Algorithmus programmiert, der die richtige Ansteuerung der beiden Motoren in Echtzeit berechnet.
Darüber hinaus untersuchten die Ingenieure im Zuge des Projekts auch das Bremslenkmoment - eine häufige Unfallursache von Motorradunfällen. Bremst ein Fahrer in einer Kurve plötzlich, kann sich die Maschine durch die Einwirkung auf das Vorderrad überraschend aufrichten und fährt einen viel weiteren Bogen als erwartet. In der funktionsintegrierten Gesamtsteuerung übernimmt der intelligente Algorithmus die richtige Dosierung von Bremskraft auf beide Räder in kritischen Situationen. Somit wird dem gefährlichen Bremslenkmoment entgegengesteuert.