Um die Qualität des Fernwärmenetzes in Hannover zu verbessern, setzte die Enercity Netzgesellschaft (eNG) im Winter 2015 erstmals Erkundungsflüge ein. Durch die Thermografie des 315 Kilometer langen Fernwärmenetzes konnte anstelle von Einzelbefunden erstmals der Gesamtzustand des Netzes zu einem Zeitpunkt ermittelt werden.
Die nächtlichen Flüge bieten nur bei Kälte und klarem Himmel aussagekräftige Daten. Der Hannover-Flug hatte beste Bedingungen (kein Wind, kaum Luftfeuchtigkeit), und so konnte die Analyse in weniger als zwei Nächten erfolgen.
Drei unterschiedlich dringende Handlungsfelder
Insgesamt ergaben die Wärmebilder einen weitgehend guten Zustand des Netzes. Sämtliche Befunde wurden in drei Klassen eingeteilt:
In Klasse 1 kamen 8 Fälle, bei denen aufgrund großer Temperaturabweichungen der Verdacht auf Rohrschäden oder Isolationsschäden bestand. Diese Stellen untersuchten die Enercity-Fernwärmetechniker sofort, um Reparaturen einzuleiten.
In 111 Fällen der Klasse 2 sind Auffälligkeiten festgestellt worden, die parallel zum laufenden Betrieb mittelfristig untersucht und eventuell behandelt werden müssen.
Die Klasse 3 umfasst 456 kleinere Auffälligkeiten auf den Wärmebildern, bei denen es sich um Anfangsstadien möglicher Schäden handeln kann. Die Stellen werden im Rahmen turnusmäßiger Kontrollen des Fernwärmenetzes mit überprüft.
Thermisch auffällige Anlagen
Neben den technischen Erkenntnissen zum Zustand der Fernwärme-Infrastruktur entstanden bei den Flug-Thermografien auch interessante Draufsichten altbekannter Gebäude, Anlagen und Wahrzeichen Hannovers (siehe Bildergalerie).
Die Leckage-Ortung ist wichtig, weil jährlich im Fernwärmenetz Hannovers circa 20.000 Kubikmeter speziell aufbereitetes Fernwärmewasser durch unerkannte Leckagen verloren gehen. Wasserverluste in dieser Größenordnung gelten in Fachkreisen zwar als üblich, müssen jedoch nicht sein. Die Nachspeisung dieser Wassermengen und die Suche nach Leckstellen im rund 300 Kilometer langen Fernwärmenetz sind sehr aufwendig zu bearbeiten und kosten Geld.
Ineinandergreifende Maßnahmen
Im Alltag gehen durch Kundenanrufe oder die elektronische Überwachung zentraler Leitungen (Meldeadern, Vakuumdetektion) akute Störungsmeldungen ein. Unerkannt verlaufende Leckagen können so aber nicht entdeckt werden. Daher sind systematische Ansätze wie Turnus-Begehungen von Schächten oder die temporären Aktionen mit auffälliger gelbgrüner Färbung des Fernwärmewassers notwendig.
Die Fluganalytik ist ein relativ junges Verfahren und wurde seit etwa 10 Jahre mit sinkenden Kosten der Kameratechnik interessant. Dieses Verfahren wird in größeren Abständen, etwa alle 5 bis10 Jahre, wiederholt.
Das „thermische Abscannen“ des Stadtgebiets mit Infrarottechnik ist nur nachts und bei klarer, kalter Witterung möglich. Tagsüber würde Sonneneinstrahlung die Ergebnisse generell verfälschen und der zahlreiche Autoverkehr (mit viel Motor-Abwärme) würde in Thermografiebildern die Fernwärmeleitungen überdecken. (kk)