Rubrik sonstiges In Systemen denken

02.07.2014

„Die technischen Herausforderungen liegen in der Vernetzung der Einzelsysteme und 
der Zusammenführung der Daten zum aktiven Assistenzsystem.“

Studien zufolge werden 90 Prozent aller Unfälle durch menschliches Fehlverhalten verursacht. Dem kann das Fahrzeug der Zukunft vorbeugen, das automatisiert, elektrifiziert und vernetzt sein wird. Dieses smarte Automobil kann seine Services nur anbieten, weil es über vernetzte Elektronik verfügt. Neu ist, dass es über Echtzeit-Onlinezugänge eine Reihe von Informationsquellen anzapfen wird – nicht nur wie heute hauptsächlich für das Navigationssystem. Es wird auch Daten austauschen, also senden können. Wir sprechen somit vom Internet im Auto und vom Auto im Internet.

Eine Vernetzung des Fahrzeugs mit der Infrastruktur (Car-2-Infrastructure) ermöglicht innovative Verkehrsleitsysteme. Der Datenaustausch mit anderen Verkehrsteilnehmern als Car-2-Car-Kommunikation dient der Sicherheit, der Verbesserung der Serviceangebote seitens des Herstellers und zur Analyse des Fahrzeugzustands. Im Rahmen der Elektromobilität wird die Anbindung an das Smart Grid erfolgen.

In den Entwicklungsabteilungen laufen die Arbeiten am „Connected Car“ auf Hochtouren. Experimentierfahrzeuge zum Beispiel für autonomes Fahren findet man bereits auf den Prüfgeländen aller großen Fahrzeughersteller und Zulieferer. Einige (darunter Bosch) haben auch die Zulassung für Erprobungsfahrten auf öffentlichen Straßen in Deutschland. Völlig neue Marktteilnehmer treten auf den Plan: Microsoft und Google etwa wollen mit ihrer Kommunikationstechnik von diesem Markt profitieren.

Die Vernetzung der Komponenten innerhalb des Autos mit ihren hohen Anforderungen an die mechanische und elektrische Stabilität ist eine Aufgabe für Ingenieure. Bei der Vernetzung mit der Außenwelt über das Internet stellen sich jedoch ganz andere Fragen: Wie steht es um die Zuverlässigkeit der Verbindung, insbesondere um Echtzeit-Verfügbarkeit? Was hat es für Folgen, wenn das Internet gerade mal überlastet ist? Aber auch: Wem gehören die Daten, die der Bordcomputer ermittelt? Wer darf das Bewegungsprofil des Fahrzeugs auswerten? Wie sicher ist die Verbindung im Sinne von „Cyber Security“? Und letztlich: Wer haftet, wenn fehlerhafte oder unvollständige Daten zu falschen Entscheidungen führen?

Die technischen Herausforderungen liegen in der komplexen Vernetzung der Einzelsysteme (Steuergeräte, Kamera, Sensoriken, HMI/Navigation) und der Zusammenführung der Daten zum aktiven Assistenzsystem. Sie entstehen insbesondere, wenn proprietäre (Bus-)Systeme durch offene Standards (Ethernet, Open-Source-Software) ergänzt oder ersetzt werden. Diese bieten Einfalltore für Angriffe von Hackern. Hohe Bedeutung kommt damit der IT-Security zu, vom klassischen Schutz vor Tachomanipulation und Chip-Tuning über den Zugang durch Umgehung von Keyless-Entry-Systemen bis zur Fire­wall. Es gilt: „Ohne Security keine Safety“.

Neben den technischen Lösungen muss der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen anpassen, beispielsweise das
Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (Art. 8 I) novellieren. Hier ist der erste Schritt getan: Statt zu fordern, dass der Fahrer sein Vehikel jederzeit beherrschen muss, soll es künftig ausreichen, es jederzeit stoppen zu können. Diesem Vorschlag eines Expertengremiums für autonomes Fahren müssen allerdings die Vereinten Nationen formell zustimmen.

Um die technologieübergreifende Zusammenarbeit zu forcieren, hat der ZVEI Anfang 2014 die „Themenplattform Automotive – Electronics, Infrastructure and Software“ gegründet. Hier treffen Experten der verschiedenen Disziplinen – insbesondere Zulieferer – zusammen, um auf diesem wichtigen Zukunftsfeld Deutschlands Rolle als Innovationsführer zu sichern.

Ich bin überzeugt, die Deutschen werden bei der Entwicklung von „Smart Cars“ wichtige Beiträge liefern, denn sie haben mehr als andere die Kompetenz, in Systemen zu denken. Die Herausforderungen sind also vielfältig, gehen wir sie an!

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