Sanierung Kaiserin-Augusta-Hospital Berlin Progressive Heizung trifft effiziente Gebäudesteuerung

Tradition und Moderne: Im Wintergarten des ehemaligen Kaiserin-Augusta-Hospitals zeigt sich die Symbiose aus alten, erhaltenen Baumaterialien und neuen Oberflächen.

Bild: GESA
17.04.2015

Innovative Gebäudetechnik ist auch im Altbau sinnvoll umsetzbar. Ein ganzheitlicher Lösungsansatz für die Sanierung muss dabei keine ausufernden Kosten verursachen, birgt aber ein erhebliches Wertsteigerungspotenzial.

Wenn ein High-Tech-Unternehmen einen Hospital-Altbau als Hauptstadtrepräsentanz sowie Besucher- und Schulungszentrum wählt, stößt Moderne nicht nur symbolisch auf Tradition. Nach der Entkernung und grundlegenden Sanierung stand auch die Überholung der Energietechnik auf dem Plan. Zentral war dabei ein progressives Heiz- und Kühlkonzept gespickt mit hocheffizienter Gebäudesteuerung, der den Unternehmensstandort nicht nur innovativ, sondern auch äußerst komfortabel macht.

Innovatives Heizkonzept

Das ehemalige Kaiserin-Augusta-Hospital in Berlin befindet sich im Rücklauf des Fernwärmenetzes eines Kraftwerks, wodurch lediglich Abwärme mit 40° C garantierter Versorgungstemperatur zur Verfügung steht. Zum Heizen und Kühlen des Besucher- und Schulungszentrums wurde deshalb ein Kapillarrohrsystem als flächige Anlage verbaut, denn Kapillarrohrsysteme benötigen nur geringe Vorlauftemperaturen. Zusätzliche Wärmeerzeuger waren nicht nötig, was dauerhaft niedrige Betriebskosten sichert.

„Die Umsetzung einer Fernwärmeversorgung mit derart niedrigen Temperaturen im Kraftwerksrücklauf war zu diesem Zeitpunkt einmalig in Berlin“, erläutert Dipl.-Ing. Peter Schober, Geschäftsführer bei S&L. „Eine Innovation, die sich im Alltag jedoch bewährt hat.“

Weiterer Vorteil der Heizmatten, gerade im Bestandsbau, ist die niedrige Aufbauhöhe (siehe Bildergalerie): Die Installation einer Kapillarrohr-Fußbodenheizung oder -Kühldecke geht mit geringem Platzverlust einher. Dadurch können vorhandene Fußbodenaufbauten und Deckenkonstruktionen großteils erhalten bleiben. Am vorliegenden Objekt musste auf den Böden beispielsweise lediglich ein dünner Fließ-Estrich eingebracht werden, der die Heizrohrnetze flächig abdeckt.

Beim Kühlen Energie und Kosten gespart

Die Kühlung des Gebäudes an warmen Sommertagen erfolgt über Kühldecken, welche ebenfalls als Kapillarrohrsystem ausgeführt sind. Durch den Einsatz von KNX-Temperatur- und -Feuchtigkeitsfühlern in Verbindung mit einer intelligenten Programmierung war es möglich, die Kühldecken ohne den unschönen, kosten- und wartungsintensiven Einsatz von Taupunktfühlern umzusetzen.

Die Versorgung der Kühlanlage übernehmen gebrauchsübliche Kältemaschinen, welche auf dem Dach des Besucher- und Schulungszentrums installiert sind. Eine der Kältemaschinen ist dabei mit einer Free-Cooling-Funktion ausgestattet. So kann in der kalten Jahreszeit die kühle Umgebungsluft genutzt werden, um beispielsweise Serverräume zu klimatisieren. Die Kältemaschinen entziehen in diesem Fall die Kälte lediglich der Umgebung, müssen sie jedoch nicht erzeugen, was sich in einer deutlichen Energieeinsparung niederschlägt.

Beschattung zentral und zugleich individuell

An nahezu allen Fenstern des Besucher- und Schulungszentrums sind Jalousien zur Verschattung angebracht, um die Kühllast für die Kälteanlagen vermindern zu können. Die automatische Nachführung der Lamellenstellung bei sich veränderndem Lichteinfall erfolgt durch einen zentralen Lichtsensor auf dem Dach, der die Werte für alle Jalousien des Gebäudes errechnet.

Die geforderte Aufschaltung der Beschattung an die vorhandene Brand- und Einbruchmeldeanlage stellte bei der Umsetzung kein Problem dar. Die Steuerung ist so programmiert, dass im Notfall alle Beschattungssysteme selbstständig öffnen, um beispielsweise Fluchtwege zu erhalten. Ebenfalls wurde eine Wind- und Regenüberwachung integriert, die Schäden an den Jalousien durch Unwetter vermeiden soll.

Umsetzung der Gebäudeautomation „in time“

Die Integration der intelligenten Gebäudesteuerungstechnik einschließlich der Klimasteuerung übernahm die TPN Service. Das Steuerungskonzept für die Gebäudeautomation basiert auf nicht proprietären, preiswerten Sensoren, Aktoren und universellen Steuereinheiten.

Die vielfältigen Schnittstellen der speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) erlauben den Anschluss von einfachen Tastern über Relais, Sensoren, Dimmer bis hin zu diversen Bus-Systemen verschiedener Hersteller (zum Beispiel KNX, SMI, Dali, Bacnet, LON, 1-Wire,). Leitungen, die zu Schaltern und Sensoren führen, sind als niederspannungsführende KNX-Leitungen realisiert. Das Risiko eines elektrischen Schlags, beispielsweise durch eine defekte Schalterabdeckung wird ebenso eliminiert wie das Auftreten von Elektrosmog.

Die Verwendung der Industriesteuerungen ermöglicht ein umfangreiches Datenlogging: Alle vom System erfassten Daten werden im 5-Minuten-Takt gesichert und bilden eine Art Tagebuch über die Funktionsweise der gesamten Anlage.

Einfache Handhabung durch „offenes“ System

Die Bedienung des gesamten Systems wurde offen gestaltet. So benötigt der Benutzer lediglich ein internetfähiges Endgerät (Computer, Tablet, Smartphone) sowie einen Netzwerk-Zugang. TPN Service programmierte einen browserbasierten, passwortgeschützten Zugang zur Gebäudesteuerung.

Ein von S&L projektiertes Strangschema (siehe Bildergalerie) für Heizung, Lüftung und Beleuchtung erleichtert darüber hinaus die Arbeit für Techniker und Hausmeister. Anstehende Fehlfunktionen werden hierfür in Form abweichender Werte im System vermerkt und gemeldet. Mithilfe dieser Information kann die Haustechnik den Mangel beheben, bevor die Nutzer des Gebäudes die Störung bemerken.

Innovatives „Raum-Informationssystem“

Der Auftraggeber hatte sich ein Raum-Informationssystem gewünscht, für das unter anderem sieben 55-Zoll-Monitore im Eingangsbereich und in den Treppenhäusern montiert wurden. Sie zeigen Informationen zu anstehenden Veranstaltungen und spielen in Vortragspausen etwa vorher definierte Werbefilme oder Dokumentationen ab.

Außerdem kommen vor jedem der 24 Veranstaltungsräume kleine Displays zum Einsatz. In standardisierten Unterputzdosen eingebracht, zeigen diese neben Raumnummer auch anstehende oder aktuelle Veranstaltungen und optional ein Veranstaltungslogo an. Auch die Raumplanung erfolgt über das passwortgeschützte Web-Frontend.

Automatische Lüftung und Temperierung

Auf Wunsch ist es möglich, jeden Raum vor einer eingetragenen Veranstaltung automatisch zu lüften und anschließend auf eine gewünschte Raumtemperatur zu bringen. Hierdurch können ohne Komforteinschränkungen oder zusätzlichen Personaleinsatz erhebliche Kosteneinsparungen für Heizung und Kühlung sowie Wartung und Stromverbrauch der Lüftungsanlage erzielt werden.

Während einer Veranstaltung deaktiviert sich die automatische Beschattung, um eine Störung der Nutzer zu vermeiden. Zusätzlich schaltet das System – sofern ein Raum in den Abendstunden belegt ist – selbständig die Gehweg- und Treppenhausbeleuchtung. Sind im Programm keine Veranstaltungen eingebucht, fährt das System die Klimatisierung in einen Eco-Modus, um Energie zu sparen.

Herstellerunabhängige Umsetzung

Hohen Wert legt TPN-Service-Geschäftsführer Puchalski auf die Zukunftssicherheit der von ihm installierten und programmierten Gebäudesteuerung: „Durch den überwiegenden Einsatz standardisierter Technik können wir den Betrieb unserer Anlage herstellerunabhängig auf sehr lange Zeit gewährleisten. Ersatzteile können im Falle eines Defekts oder einer Erweiterung leicht beschafft werden. Die verwendete Software wird schlicht wieder aufgespielt.“

Die Entwicklungslogik der Steuerung kann einfach weiterverwendet und bei Bedarf erweitert werden. Selbst im schlimmsten Fall sind maximal kleine Anpassungsarbeiten bei Hard- und Software nötig.

Nach nur einem Jahr Gesamtbauzeit eröffnete das Unternehmen Karl Storz Endoskope 2013 sein Besucher- und Schulungszentrum in Berlin-Mitte. Mit dem Bekenntnis zur Sanierung unter Verwendung innovativer Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz schuf das Medizintechnik-Unternehmen ein ein Gebäude, das Tradition und Moderne komfortabel und repräsentativ miteinander verbindet (siehe Bildergalerie).

Weitere Informationen:

Mit ähnlichen Projekten befasst sich der „Fachverband ganzheitliche energieeffiziente Sanierung“ GESA, siehe unsere Meldung Gebäude-Energiewende im Visier

Bildergalerie

  • SL-Folimat-Matten für die Fußbodenheizung: Die Schichtstärke des Systems aus Kapillarrohrmatten beträgt nach dem Vergießen nur 12 mm.

    SL-Folimat-Matten für die Fußbodenheizung: Die Schichtstärke des Systems aus Kapillarrohrmatten beträgt nach dem Vergießen nur 12 mm.

    Bild: GESA

  • Heiz- und Kühldecke: Kapillarrohrmatten unter Gipskartonplatten vor dem Verputzen.

    Heiz- und Kühldecke: Kapillarrohrmatten unter Gipskartonplatten vor dem Verputzen.

    Bild: GESA

  • Lüftung: Das Strangschema des vielfältig regel- und programmierbaren Lüftungssystems dient der unkomplizierten Überwachung der verbauten Technik.

    Lüftung: Das Strangschema des vielfältig regel- und programmierbaren Lüftungssystems dient der unkomplizierten Überwachung der verbauten Technik.

    Bild: GESA

  • Webbedienung: Die netzwerkbasierte Bedienung bietet vielfältige Regelungsmöglichkeiten, unter anderem für Heizung, Lüftung und Beschattung

    Webbedienung: Die netzwerkbasierte Bedienung bietet vielfältige Regelungsmöglichkeiten, unter anderem für Heizung, Lüftung und Beschattung

    Bild: GESA

  • Außenansicht: Der Vordereingang des ehemaligen Kaiserin-Augusta-Hospitals nach der umfangreichen Sanierung.

    Außenansicht: Der Vordereingang des ehemaligen Kaiserin-Augusta-Hospitals nach der umfangreichen Sanierung.

    Bild: GESA

  • OP-Labor: Der historische Operationssaal mit erhaltenem Fliesenbehang ist mit Produkthighlights für die Endoskopie ausgestattet.

    OP-Labor: Der historische Operationssaal mit erhaltenem Fliesenbehang ist mit Produkthighlights für die Endoskopie ausgestattet.

    Bild: GESA

  • Besprechungsraum: Der Erhalt der alten Wandfliesen im Besprechungsraum des renovierten Labors spiegelt das Zusammenspiel aus Alt und neu bewusst wider.

    Besprechungsraum: Der Erhalt der alten Wandfliesen im Besprechungsraum des renovierten Labors spiegelt das Zusammenspiel aus Alt und neu bewusst wider.

    Bild: GESA

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