Glauben Sie auch, dass Surfen im Internet energieneutral ist? Weit gefehlt: Schon eine simple Suchanfrage bei Google benötigt etwa 0,3 Wattstunden Strom. Insgesamt verbrauchen die geschätzt 2,2 Milliarden Server in den über 3 Millionen Rechenzentren weltweit etwa 623 Milliarden kWh. Das sind circa 2,2 % des weltweiten Stromverbrauchs. Ein wesentlicher Teil – etwa die Hälfte – wird davon für die Kühlung der Server benötigt, denn davon hängt die Leistungsfähigkeit des Rechenzentrums ab. Der größte europäische Hosting-Provider OVH (weltweit laut Netcraft auf Platz 3) hat in den letzten zehn Jahren seine Rechenzentren so weit optimiert, dass die Klimatisierung fast keine Energie mehr benötigt und die entstehende Abwärme sinnvoll genutzt werden kann.
Intelligente Kombination
2003 setzte sich OVH das Ziel, die eigenen Rechenzentren ohne Klimaanlage zu betreiben und startete dafür das Projekt EcoSalle. Optimierungspotenzial sahen Geschäftsführer Octave Klaba und sein Team vor allem bei der Konstruktion der Server, der Schränke und Räume sowie bei den eingesetzten Kühlmitteln. Statt auf Luft setzten die Franzosen zusätzlich auf Flüssigkeit, um die entstehende Wärme abzuführen. Sie hat eine viel höhere Wärmekapazität, so dass mit weniger Volumen stärker gekühlt werden kann und weniger Umwälzung sowie Bewegung notwendig ist, was sich positiv auf den Energieverbrauch auswirkt.
Intelligente Konstruktion der Rechenzentren
Ein zweiter Ansatz: Die Kühlung der Serverräume sollte komplett über Ventilation erfolgen, so dass keine Klimaanlagen installiert werden müssen. Dafür nutzte OVH bauliche Möglichkeiten wie zum Beispiel den Kamineffekt mit großen Luftschächten in den Gebäuden, um die Warmluft aus den Räumen zu ziehen. So kann kühlere Außenluft ganz ohne Energieeinsatz dazu beitragen, dass die Temperatur der Prozessoren nicht zu hoch steigt.
In den Räumen selbst trennt OVH die sogenannten Kalt- und Warmgassen, um die Luftzirkulation im Inneren der Serverchassis zu kontrollieren. Die kühle Außenluft wird vorne in die Serverschränke eingeleitet, direkt auf die Komponenten gelenkt, wo sie sich erwärmt, und nach hinten durch die Warmgassen ausgeführt. Diese Gassen sind mit Absaugern ausgerüstet, die die Warmluft permanent abtransportieren. Jedes Chassis ist mit einer eigenen Ventilation bestückt. Da dieses Kühlprinzip nicht pro Gebäude oder Serverraum umgesetzt wird, sondern für jeden einzelnen Schrank, befindet es sich in unmittelbarer Nähe zu den Wärmequellen. Das macht das System sehr schnell und individuell steuerbar – und sehr effektiv, da der Energieaufwand für den Transport von Wärme und Kälte wegfällt. Das Konzept benötigt nur etwa drei bis vier Meter Leitungen für die Luftkühlung eines Serverschranks. Selbst zu Spitzenlastzeiten kann der Betrieb ohne Performance-Verlust sichergestellt werden.
Innovative Komponenten zur Kühlung
Der größte Schritt war jedoch die Umstellung auf Flüssigkeitskühlung, deren Entwicklung 18 Monate dauerte. Heute setzt das Unternehmen sie schon im industriellen Maßstab ein. Das Herz des Systems befindet sich im Chassis der Server. Die Kühlflüssigkeit wird unmittelbar zu den „heißen Komponenten“ (wie Prozessoren) geleitet und nimmt bei der Durchquerung der Server 70 Prozent der Wärme auf, so dass sie mit deutlich erhöhter Temperatur aus dem Chassis austritt. Die Flüssigkeit wird dann aus den Gehäusen gepumpt und von den Serverräumen durch die Mauern nach außen geführt. Dort sind Wärmetauscher angebracht, die die Flüssigkeit kühlen, falls sie nicht zum Heizen der Büroräume genutzt werden kann. Kilometerlange Schläuche und Rohre wurden dafür installiert.
Bei der Premiere 2008 wurden mehr als 43.000 Server mit dem Hybrid-System aus 70 Prozent Wasser- und 30 Prozent Luftkühlung ausgestattet und ein PUE (siehe Kasten) von 1,30 erreicht. Wenn die Server eine Leistung von 100 W aufwenden, sind also nur insgesamt 30 W zusätzlich für Wärmeabfuhr, Pumpen, den Verlust durch Transformatoren und Wechselrichter oder Ähnliches notwendig.
Das Kühlsystem mit all seinen Komponenten ist komplett redundant ausgelegt. Jeder Kunde hat zwei vollständige Systeme für seine Server. Die Kompressoren und Pumpen werden abwechselnd angesteuert, ihre durchschnittliche Auslastung liegt bei (stromsparenden) 30 Prozent. Im Störungsfall oder bei hoher Belastung und Erwärmung kann das System sehr einfach hochgefahren werden.
Rechenzentrum als Energielieferant
Mit der Kombination dieser Ansätze ist es gelungen, einen der geringsten Energieverbräuche der Branche zu realisieren: Der Wert liegt im Durchschnitt unter 1,20, die besten Werte bei 1,09. Im nächsten Schritt will OVH die Abwärme noch sinnvoller nutzen. Am Standort in Roubaix gibt es erste Gespräche, für die benachbarten Wohngebäude das Kaltwasser zu erwärmen und Heizungen zu betreiben.
Weitere Informationen
[1] Jonathan Koomey. 2011. Growth in data center electricity use 2005 to 2010. Oakland, CA: Analytics Press. August 1.
[2] Dr. Ralph Hintemann, Prof. Dr. Klaus Fichter: Energieverbrauch und Energiekosten von Servern und Rechenzentren in Deutschland. Aktuelle Trends und Einsparpotenziale bis 2015. Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH, Berlin.