Im Abwasser und seinen Aufbereitungsprozessen steckt jede Menge Energie. Zum Beispiel im Klärgas: Im Jahr 2014 wurden allein auf den deutschen Kläranlagen 1340 Gigawattstunden Strom aus diesem Nebenprodukt der Klärschlammfaulung gewonnen. Eine Energiemenge, mit der der Strombedarf einer Großstadt wie Frankfurt am Main ein ganzes Jahr lang gedeckt werden könnte. Und das Potenzial ist noch wesentlich größer: Von den über 10.000 Kläranlagen in Deutschland gewannen im letzten Jahr nur 1252 Anlagen Klärgas.
Aber auch in der Temperatur des Abwassers sind bedeutende Energiemengen enthalten. Häusliches, gewerbliches und industrielles Abwasser ist je nach Anwendung und Messpunkt zwischen zehn und 60 Grad Celsius warm. Über spezielle Wärmetauscher geleitet, kann dieser Energieschatz gehoben werden. Das auf Wasseraufbereitung, Abwasserreinigung und Schlammbehandlung spezialisierte Maschinenbauunternehmen Huber SE hat errechnet, dass beispielsweise die bayerische Landeshauptstadt München theoretisch über 60 Prozent ihres Energiebedarfs aus ihrer eigenen Abwasserwärme decken könnte.
Ein realitäts- und praxisnaher Anfang, dieses Potenzial zu erschließen, sind kleinräumige Kreisläufe. Beispielsweise betreibt das Münchner Klinikum rechts der Isar seit Mitte 2014 die erste Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA) Deutschlands, die mit einer Abwasser-Wärme-Rückgewinnungs-Anlage (AWRG-Anlage) ausgestattet ist. In der ZSVA werden jährlich 64.000 Sterilguteinheiten gereinigt und sterilisiert – der Großteil des am Klinikum benötigten OP-Materials. Am Ende dieses Prozesses fallen beträchtliche Mengen heißen Abwassers an. Die AWRG-Anlage gewinnt diese Energie teilweise zurück und wärmt damit das Wasser für den nächsten Reinigungs- und Sterilisierungsvorgang vor. Pro Jahr können so rund 200 Megawattstunden an Wärmeenergie eingespart werden.
Dass die Rückgewinnung von Abwasserwärme auch im industriellen Umfeld funktioniert, zeigt ein Verfahren, das die Industriepark-Betreiberfirma Pharmaserv im Januar 2015 am Standort Behringwerke in Marburg installierte. Dort wird das Abwasser aus einem Neutralisationsbecken entnommen und in ein neuartiges Wärmetauschersystem eingeleitet. Der physikalische Prozess innerhalb der Wärmepumpe erhöht das Temperaturniveau auf etwa 60 Grad Celsius – Energie, die anschließend beispielsweise zur Gebäudeheizung zur Verfügung steht. Jetzt, nach Abschluss der Testphase, steht fest, dass auf diesem Weg mehr als sechs Megawattstunden Wärme pro Jahr bereitgestellt werden können. Die endgültige Umsetzung des Projektes ist für 2016 /2017 geplant.