P&A:
Frau Krechlok, dynamische Kontrollwaagen sind aus Produktionslinien nicht mehr wegzudenken. In vielen Betrieben kommen sie ausschließlich in der Qualitätskontrolle zum Einsatz. Reizt das die Möglichkeiten der Systeme bereits aus?
Miriam Krechlok:
Moderne Kontrollwaagen können wesentlich mehr leisten, als nur am Linienende die Füllmengen zu überwachen. Nahtlos in die Linie integriert, haben sie den Finger quasi am Puls der Produktion und erfassen durchgehend eine Vielzahl wichtiger Qualitätskennzahlen, die den Verantwortlichen in Echtzeit Aufschluss über die Effizienz ihrer Linie geben. Einen Schritt weiter gedacht, lassen sich diese Kennzahlen sowohl für lokale als auch für standortübergreifende Analysen nutzen, um mögliche Optimierungspotenziale in der Fertigung zu identifizieren und letztlich die Gesamtanlageneffektivität zu steigern.
Das setzt aber voraus, dass die durch die Waage erfassten Qualitätsdaten mit anderen Prozessdaten zusammengeführt und in der IT-Umgebung systematisch ausgewertet werden. Verfügen die Checkweigher denn heute schon über die erforderlichen Schnittstellen?
Ich kann hier natürlich nur für Mettler-Toledo sprechen, aber unsere aktuellen Kontrollwaagen-Modelle unterstützen schon heute standardmäßig eine sehr breite Schnittstellenpalette. So ermöglichen wir unseren Kunden sowohl die Anbindung an die klassische Unternehmens-IT, Stichwort: ERP, als auch die Vernetzung mit anderen Anlagen und Produktinspektionssystemen in der Linie. Technisch ausgedrückt: Wir bieten serielle Schnittstellen wie RS232, Feldbusschnittstellen wie Profibus und klassische Netzwerk-Interfaces auf der Basis von Ethernet TCP/IP. Auch eine Datenanbindung per OPC UA ist für die Kontrollwaagen verfügbar. Auf diese Weise sind wir in der Lage, sämtliche von der Kontrollwaage bereitgestellten Daten – dazu gehören neben den eigentlichen Wägedaten auch Statistiken, Klassier-Zählerstände, Diagnose-, Fehler- und Alarmmeldungen sowie der Maschinenstatus – mit allen vorhandenen Scada-, MES- oder ERP-Lösungen des Unternehmens zu teilen.
Über die reinen Schnittstellen hinaus erfordert diese nahtlose Integration auch eine leistungsfähige Steuerungssoftware. Mit welchem System arbeitet Mettler-Toledo in diesem Bereich?
Unsere dynamischen Kontrollwaagen verwenden, wie die meisten unserer Produktinspektionssysteme, die selbstentwickelte Datenmanagement-Software ProdX. Die Lösung ist dafür ausgelegt, unsere Technologien untereinander und mit externen IT-Plattformen zu vernetzen, die jeweiligen Datenbestände zentralisiert abzuspeichern und die Kennzahlen zu erzeugen. Dabei fungiert ProdX als Middleware zwischen der Kontrollwaage und ERP-Lösungen wie SAP oder Oracle und stellt mit der OPC-Anbindung eine offene und plattformunabhängige Schnittstelle für den herstellerneutralen Austausch der Daten bereit.
Welche Möglichkeiten eröffnet diese Integration den Kunden in der Praxis?
Zunächst einmal stellen Unternehmen mit der Zusammenführung der Daten in einem zentralisierten System die Weichen für ein ganzheitliches Datenmanagement – und damit für die richtlinienkonforme und effiziente Dokumentation ihres Qualitätsmanagements. Sie erbringen außerdem den Nachweis, dass alle erforderlichen Sorgfaltspflichten – Stichwort: Due Diligence – eingehalten wurden. Schon das ist mit Blick auf die zunehmend strengen Compliance-Vorgaben ein wichtiger Mehrwert. Hinzu kommt noch, dass die Linienverantwortlichen durch die Bündelung der gesammelten Informationen einen umfassenderen und holistischen Blick auf die Qualitätsdaten im Produktions- und Verpackungsprozess erhalten. Auf dieser Datengrundlage können sie die Gesamtanlageneffektivität wesentlich besser kontrollieren und konkrete Optimierungspotenziale identifizieren.
Wie werden solche vernetzten Umgebungen gesteuert und verwaltet? Lokal von den Linienverantwortlichen oder zentral vom Rechenzentrum aus?
Beides ist möglich. In der Regel versuchen die Unternehmen aber schon, die vormals netzwerklosen Stand-Alone-Systeme im Verbund auch zentralisiert zu steuern. Denn das bietet unter Effizienzgesichtspunkten eine ganze Reihe weiterer Vorteile: Erstens, weil sich dann viele alltägliche Prozesse – vom Artikelwechsel bis hin zur Dokumentation – automatisieren und schneller abwickeln lassen. So vermeiden die Unternehmen lange Stillstandzeiten und maximieren die Verfügbarkeit ihrer Anlagen. Und zweitens, weil in vernetzten Umgebungen auch die Wartung der Systeme auf vielen Ebenen optimiert werden kann, etwa um Proactive- und Predictive-Maintenance-Konzepte umzusetzen. Hierzu gehört es zum Beispiel, dass sich durch die bessere Datenlage und die zentralisierten Abläufe die Wartungsprozesse der Waagen passgenau takten lassen, um Ausfälle zu vermeiden.
Und wie interagieren die vernetzten Kontrollwaagen mit vorgelagerten Produktionssystemen in der Linie?
Das ist ein Bereich, der sich schnell weiterentwickelt, und in dem sich in den vergangenen ein, zwei Jahren sehr viel getan hat. Unsere aktuellen Checkweigher unterstützen beispielsweise eine Funktion namens Tendenzregelung, auch genannt Feedback Control, die es den dynamischen Kontrollwaagen ermöglicht, in der Linie vorgelagerte Produktivsysteme automatisch nachzuregeln. In der Praxis bedeutet das: Wenn die Waagen eine anhaltende Tendenz zur Über- oder Unterfüllung der Produkte registrieren, senden sie der Abfüllanlage automatisch ein Signal, damit sie die Füllmenge entsprechend korrigiert. Dabei stehen verschiedene Regelalgorithmen für eine schnelle Füllmengenkorrektur zur Verfügung. Das zeigt doch sehr schön, wie weit wir uns inzwischen von der eingangs geäußerten These, die Waage sei vielfach nicht mehr als ein System zur Qualitätsüberwachung, entfernt haben. Fakt ist: Mit Funktionen wie der automatisierten Rückmeldung an den Füllprozess greifen dynamische Kontrollwaagen längst auch steuernd und korrigierend in die laufende Produktion ein. Ganz dem Gedanken der Industrie 4.0 folgend, reduzieren sie also ohne menschliches Eingreifen den Warenausschuss, verhindern Produktverschwendung und verbessern messbar die Qualität in der Produktion.