Die Privatmolkerei Bechtel liegt im Herzen der ostbayerischen Oberpfalz und gehört heute zu den größten Molkereien in Deutschland. Mit rund 500 Mitarbeitern veredelt die Molkerei über 1 Million Kilogramm Milch pro Tag zu hochwertigen Milch- und Käsespezialitäten. Ein Großteil ihrer Erzeugnisse produziert Bechtel für andere Unternehmen, beispielsweise für die Marke Grünländer. Bei der Milchverarbeitung fallen viele energieintensive Prozesse an. Neben Strom und Kälte benötigt die Molkerei Prozesswärme für die verschiedenen Erhitzungsverfahren, zum Beispiel für die Pasteurisation, Ultrahocherhitzung, Sterilisation, Reinigung und Eindampfung. Diese Verarbeitungsschritte sind nötig, um maximale Produktqualität und die Einhaltung der strengen Richtlinien für Lebensmittelsicherheit sicherzustellen. Gleichzeitig gilt es, energieeffizient zu produzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Genügend Dampf für 24/7
Aufgrund von Kapazitätssteigerungen bei der Privatmolkerei Bechtel reichte die bestehende Dampfversorgungsanlage mit einer Gesamtleistung von 16 t/h nicht mehr aus. Die beiden Loos-Dampfkessel aus dem Jahr 1994 liefen bereits im Dauerbetrieb bei Volllast. Bechtel brauchte jedoch fast doppelt so viel Dampf. Mit den Firmen Karl Lausser, zuständig für das gesamte Engineering und für die Errichtung der Anlage, sowie Bosch Industriekessel, beauftragt für die Lieferung der Kesselsystemtechnik, fand die Molkerei zwei starke Partner für die anspruchsvolle Projektumsetzung. Die Anforderungen lauteten: keine Unterbrechung des Betriebs und die Aufrechterhaltung einer 100-prozentigen Versorgungssicherheit. Schließlich produziert Bechtel rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche.
Der Abbau der bestehenden Kessel beziehungsweise der Einbau der neuen Dampfkessel konnte also nur etappenweise und unter beengten Platzverhältnissen erfolgen. Für einen reibungslosen Produktionsbetrieb stellte Lausser zu Beginn einen provisorischen Dampfkessel mit 8 t/h bereit. Für die Mietkessellösung wurde eine extra Gasleitung verlegt, ohnehin musste die bestehende Gasversorgung für die Neuanlage komplett saniert werden. Als Hauptbrennstoff nutzt die Molkerei Erdgas, die alte Ölversorgung bleibt jedoch für Notfälle bestehen. Außerdem galt es für Lausser, die bestehende Wasseraufbereitung zu erhalten und in die neue Anlage zu integrieren. In Abstimmung mit den Betriebsprozessen der Molkerei wurden die Kessel zeitversetzt durch Bosch Industriekessel in Betrieb genommen – ohne Versorgungslücken für die Produktion. Bechtel verfügt jetzt nicht nur mit knapp 30 t/h Anlagenleistung über mehr Dampf, sondern auch über ein fortschrittliches Kesselsystem hinsichtlich Energieeffizienz, Betriebssicherheit und Flexibilität.
Der Wirkungsgrad der Kessel liegt bei über 97 Prozent. Neben integrierten Economisern verfügen die beiden Kessel über ein Luftvorwärmersystem: Ein Teilstrom des Kesselspeisewassers führt das System in einen luftseitigen Wärmetauscher und hebt die Verbrennungslufttemperatur von 25 auf 80 °C an. Daraufhin fließt das abgekühlte Speisewasser durch ein abgasseitiges Wärmetauscherbündel, senkt die Temperatur der heißen Kesselabgase und wird dem Speisewasserhauptstrom wieder zugeführt. Damit lassen sich bis zu 2 Prozent Brennstoff einsparen. Zudem beinhaltet das System von Bosch weniger Komponenten im Vergleich zu konventionellen Luftvorwärmern und findet selbst bei beengten Verhältnissen noch Platz.
Dynamische Leistungsanpassung
Auch die modernen Zweistofffeuerungen verbessern die Energiebilanz. Die Anzahl der Brennerstarts und damit einhergehende Energieverluste reduzieren sich durch den großen Regelbereich von 1:14 im Gasbetrieb deutlich. Die gesamte Feuerungswärmeleistung von knapp 20 MW kann bis auf 1,4 MW gedrosselt werden, ohne ein Abschalten der Brenner zu verursachen. Die installierten O2-Regelungen wirken positiv auf den modulierenden Brennerbetrieb. Bei jeder Leistungsstufe muss das Brennstoff-Luftverhältnis stimmen, um eine optimale Verbrennungsqualität zu erzielen. Das geschieht durch die kontinuierliche Messung des Sauerstoffgehalts im Abgas und automatische Anpassung der Luftzufuhr abhängig von Luftdruck, Temperatur und Gasqualität. Zusätzlich sind Drehzahlregelungen verbaut, welche die Betriebsweise noch weiter optimieren. Sie reduzieren die Gebläsedrehzahl am Verbrennungsluftgebläse abhängig von der aktuellen Brennerleistung und sparen so in Teillast große Mengen an elektrischer Energie.
Bereits 2012 hat Bechtel ein Energiemanagementsystem eingeführt. Ziel war es, die Energieverbräuche in dem Molkereibetrieb kontinuierlich zu überwachen, Kosten einzusparen und negativen Umwelteinflüssen entgegenzuwirken. In Ergänzung dazu erfasst und analysiert heute das Anlagentool MEC Optimize von Bosch sämtliche Daten der Dampfkessel und aller angebundenen Anlagenkomponenten. In übersichtlicher Form weist das System auf erhöhten Energieverbrauch hin und bewertet die Betriebsweise der Anlage. Auch Verschleißprognosen unter Berücksichtigung der individuellen Betriebsweise werden ausgegeben und ermöglichen eine Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit. Visualisiert wird das Ganze über Desktop-PCs oder Tablets. So haben die Verantwortlichen den Energieverbrauch und die Verfügbarkeit der Anlage immer im Blick und die Mitarbeiter der Molkerei können über MEC Optimize auf eine digitale Dokumentenablage mit Betriebsanleitungen und Serviceberichten sowie ein elektronisches Kesselbuch zugreifen.
Hohe Betriebssicherheit
Um die hohen Zuverlässigkeitsanforderungen in der Milchverarbeitung zu erfüllen, sind auch die eingebundenen Bosch-Steuerungssysteme von Bedeutung. Sie liefern relevante Betriebsdaten an MEC Optimize, automatisieren den Kessel- und Anlagenbetrieb und stellen intelligente Steuerungsmerkmale wie Anfahrautomatik und Mehrkesselsteuerung bereit. Ferner schützen integrierte Sicherheitslogiken vor versehentlicher Fehlbedienung. Die Anbindung der Steuergeräte an das Bosch-Fernservicetool MEC Remote bietet zusätzliche Sicherheit. Egal ob unterwegs oder auf dem Werksgelände: In Echtzeit kann man die Funktionsfähigkeit der Anlage sowie relevante Anlagendaten überprüfen und bei Abweichungen schnell reagieren.
Die Visualisierung erfolgt flexibel über internetfähige Endgeräte wie Tablet, Smartphone oder Desktop-PC, wobei ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept vor unerlaubtem Zugriff schützt. Ein weiterer Vorteil ist die optionale Fernunterstützung durch die Bosch-Serviceexperten. Auf Wunsch können sie sich auf die Anlage aufschalten und zum Beispiel Software-Updates und Parametrierungen durchführen oder Fehlerquellen schnell beseitigen. Das erhöht nicht nur die Verfügbarkeit, sondern spart auch Zeit und Kosten.
Weitere Anlagenkomponenten wie die Speisewasserentgasung gehören ebenfalls zum Lieferumfang von Bosch. Lausser hat die Anlage parallel zur alten Speisewasseranlage installiert und zuvor zusätzlichen Platz durch den Einbau einer Gitterrostebene geschaffen. Das Modul ist etwa 5 m hoch und über 7 m lang, der Behälter verfügt über ein Fassungsvermögen von 25.000 Liter. Der Entgasungsprozess ist wichtiger Bestandteil, um eine optimale Wasserbeschaffenheit zu erreichen, und schützt Kessel und Komponenten vor Korrosion. Durch Erhitzen des Zusatzwassers auf 103 °C lösen sich die korrosiv wirkenden Bestandteile wie Kohlendioxid und Sauerstoff und entweichen zusammen mit einer kleinen Brüdendampfmenge über Dach.
Dieser Dampf enthält nutzbare Wärme und wird durch einen nachgeschalteten Brüdenkühler mit einer Leistung von 80 kW zurückgewonnen. Dadurch kann Zusatzwasser mit „kostenloser“ Energie vorgewärmt werden. Die Anlagenausstattung umfasst außerdem eine kontinuierliche Leitwertmessung sowie automatische Absalz- und Abschlammeinrichtungen. Des Weiteren stellen die gleitenden Speisewasserregelmodule ein konstantes Wasserniveau in den Kesseln sicher. Angesteuert werden diese Mess- und Regeleinrichtungen über die Bosch-Kesselsteuerungen. Diese sorgen dafür, dass sich der Automatisierungsgrad erhöht, der Betrieb mit geringerem Materialstress gleichmäßiger läuft und Energieverluste reduziert werden.
Das Ergebnis ist gelungen
Die neue Bosch-Dampfkesselanlage kompensiert die Kapazitätssteigerungen der Molkerei und hat das Potential, zusätzliche Lastanforderungen abzudecken. Darüber hinaus konnten durch die optimale Abstimmung aller Komponenten Energie- und Kosteneinsparpotentiale systematisch erschlossen werden. So geht die Privatmolkerei Bechtel in Sachen Energieeffizienz und Umweltschutz mit beispielhaftem Vorbild voran.
Alfred Gürster, Geschäftsbereichsleiter für Produktion und Technik, fasst zusammen: „Das Projekt im laufenden Betrieb umzusetzen, war nicht einfach und brachte viele Risiken und auch Schwierigkeiten mit sich, die es zu lösen galt. Letztendlich ist es aber durch die sehr gut koordinierte Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten gelungen, ohne Versorgungslücken die neue Dampfkesselanlage zu realisieren. Unsere Kapazitätsprobleme sind gelöst und die Anlage läuft stabil. Außerdem haben wir mit MEC Optimize ein modernes Effizienzmonitoring und können so den Energieverbrauch und die Anlagenverfügbarkeit jederzeit einsehen.“