Zermatt liegt im Mattertal – und das ist schmal geschnitten. „Das Abwasser kommt von beiden Talseiten in die Kläranlage“, erzählt Betriebsleiter Beni Zenhäusern. Die Straße vor dem Eingangsportal zur Abwasserreinigungsanlage (ARA) Zermatt ist deshalb unterkellert. Hier sind die Rechenanlage sowie der Sand-Fett-Fang installiert. „Danach folgt ein Pumpwerk, welches das vorbehandelte Abwasser 11 m nach oben pumpt, bevor es auf zwei identische Reinigungsstraßen aufgeteilt wird.“
Zermatt ist ein Phänomen in der Abwassertechnik. Der Ort zählt gerade einmal 5.600 Einwohner; die Kläranlage hat jedoch eine Kapazität von 76.000 Einwohnergleichwerten (EWG). Hintergrund: Zur Hauptsaison im Winter und Sommer kommen Schmutzfrachten an, die für den vollständigen Abbau einen chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) von 60.000 EWG erreichen. Dieser Wert entspricht dem einer mittelgroßen Stadt. Erklären lassen sich das hohe Frachtaufkommen und der enorme CSB-Wert für die Abwasseraufbereitung durch die Einleitung der Gastronomie.
1.600 m über dem Meeresspiegel: eine Herausforderung
Die Biologie liegt weiter innen im Alpenmassiv. An die zwei Becken der Denitrifikation schließen sich Y-förmig jeweils zwei Filterstraßen an, die funktional zur Nitrifikation gehören. Fünf Filterkassetten bilden eine Filterstraße, jede Kassette zählt 48 Hohlfasereinheiten.
Für die notwendige Sauerstoffversorgung setzt die ARA Zermatt in zwei Gebläseräumen einen identischen Delta-Blower-Maschinenpark von Aerzen ein. Installiert sind jeweils fünf Drehkolbengebläse, die mit einer Motorleistung von 45 kW bis zu 50 Normkubikmeter pro Minute liefern.
Eine Besonderheit in der Auslegung bestand darin, dass Zermatt mehr als 1.600 m über dem Meeresspiegel liegt. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Dichte der angesaugten Luft. Ebenfalls eine Herausforderung: die starken Temperaturunterschiede im Winter und Sommer.
Aus den beiden Maschinenräumen heraus übernehmen jeweils zwei Delta Blower die Versorgung der Nitrifikation mit ausreichend Sauerstoff. Zwei weitere Maschinen sind dem Membranfilter zugeordnet. „Die Hohlfasern müssen während des Betriebs immer in Bewegung bleiben. Das machen wir mit Luft“, merkt Betriebsleiter Zenhäusern an.
Das jetzt noch übrig gebliebene fünfte Gebläse ist als Reserve vornehmlich dem Filter zugeordnet, kann aber auch über eine entsprechende Schieberstellung in die Nitrifikation fördern. Dieser Aufbau, mit einem identischen Maschinenpark, macht die Leistungsverteilung der Gebläseluft flexibel und senkt als Folge der Standardisierung den Ersatzteilaufwand.
Dauerhafte Belüftung gegen verstopfte Membranen
Mit Blick auf die Betriebssicherheit arbeitet die ARA Zermatt in Service- und Wartungsfragen eng mit Aerzen Schweiz zusammen. Michael Schüpbach, Leiter des Service Centers in Frauenfeld südlich vom Bodensee, hat für das Kläranlagenteam unter anderem einen Revisionsplan für alle Gebläseeinheiten erstellt.
Wichtig im Zusammenhang mit Betriebssicherheit und langfristiger Verfügbarkeit sind auch die Membranfilter. Sie trennen nach dem Ammonium-Nitrat-Abbau den Belebtschlamm vom biologisch gereinigten Wasser. Das Wasser wird per Unterdruck durch die Membrane ins Innere der Hohlfasern gesaugt. Die Druckdifferenz erzeugt eine Drehkolbenpumpe.
Die Luft aus den Gebläsen wirkt dabei als kontinuierliche Grobbelüftung. Diese ist notwendig, um die Membrane in Bewegung zu halten, da die Membranöffnungen gerade einmal 0,04 μm messen – was selbst für Bakterien zu klein ist. Folglich würden die Membrane sofort verstopfen, wenn der Luft-Wasser-Strom abreißt.
Insgesamt bringt es die unterirdische Biologie auf eine Filterfläche von 32.500 m2. Das entspricht in etwa der Größe von viereinhalb Fußballfeldern auf engstem Raum. Die Hohlfasern addiert würden mit einer Länge von rund 5.000 km von Zermatt bis nach Dubai reichen.
Strenge Abwasservorschriften in der Schweiz
Warum Zermatt in eine Kläranlage investiert, die die zehnfache Kapazität dessen hat, was die Bevölkerung eigentlich benötigt, ist einfach: „Wir leben vom Tourismus“, bringt es Zenhäusern auf den Punkt.
Hinzu kommt der strenge Grenzwert der Schweizer Abwasservorschriften, der bei 0,8 mg Phosphat pro Liter liegt – in Zermatt sogar nur bei 0,5 mg aufgrund des kleinen Vorfluters. Diesen Herausforderungen begegnet die Gemeinde mit modernster Prozesstechnik – verborgen hinter dem massiven Fels der Alpen.