Ackermanns Seitenblicke Energ(et)ische Aufholjagd

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Hechelt die Energiespeicher-Industrie dem Energiebedarf hinterher?

09.05.2017

Noch kommen fast alle Batterien, Akkus und Energiespeicher aus Asien. Sie sind unabdingbar für die Zukunft der mobilen Gesellschaft, für Haushalt, Gesundheit, Bequemlichkeit und natürlich für die Elektromobilität, vom Auto übers E-Bike bis hin zu den Drohnen. Diese Speicher sind derzeit in erforderlicher Menge nur aus Südkorea und Japan sowie aus China erhältlich.

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Energiespeicher und Akkus sind schon wieder so ein Feld, in dem Deutschland und Europa droht, von der Weltkonkurrenz abgehängt zu werden und in Abhängigkeit zu geraten. Und das, obwohl wir doch Technologie- und Exportführer bleiben wollen…

Energiespeicherung gehört zu den Erfolgskriterien für die Energiewende. Wenn das Smart Grid bereits außerdem in wenigen Jahren Realität geworden ist und sich die Stromkosten in den täglichen Hochverbrauchszeiten voraussichtlich mehr als verdoppeln, tut jeder Haushalt gut daran, sich zur kostengünstigen Überbrückung einen leistungsfähigen Energiespeicher in den Keller zu stellen; oder die Auto-Akkus einer Zweitnutzung zuzuführen. Womöglich gibt es dann auch erschwingliche, umweltfreundliche Brennstoff- oder Redox-Flow-Zellen.

Politik will aufspringen

Die Dringlichkeit hat sich natürlich herumgesprochen, bis zur deutschen Politik. Angesichts des voraussichtlichen Bedarfs – 350 bis 400 Gigawattstunden pro Jahr in 2025 - plant sie den Aufbau einer Großserien-Zellfertigung. Damit Deutschland zu den Top-Fünf der Energiespeicherhersteller weltweit aufsteigt.

Nachdem bereits rund 400 Millionen Steuergelder für die Batterieforschung lockergemacht wurden, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie dafür 1,4 Milliarden Euro bereitgestellt – für ein „wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse“ (IPCEI), das der Bundesregierung die direkte Förderung des Aufbaus von Produktionskapazität in einer Schlüsselindustrie erlaubt. Als „Keimzelle“ hat sich ein Firmenkonsortium gebildet; die Auto-OEMs und Tier-1s sind allerdings nicht mit dabei. Sie planen entweder eigene Werke oder glauben sich durch individuelle Verträge ausreichend abgesichert. Ob man diese Abhängigkeit nicht eines Tages bereut?

Natürlich haben wir alle oft schmerzlich erfahren, dass Smartphones und Laptops, tragbare Klein- und Elektrogeräte ohne funktionierende Akkus lächerlich unnütz sind. Bei Elektroautos haben sie andererseits trotz Skaleneffekten immer noch den größten Anteil an den Kosten, dem Wertverfall und dem Gewicht. Gleichzeitig stellen sie die spürbarste Schwachstelle dar. Sie begrenzen die Reichweite und brauchen zur Wiederaufladung oft zu lange. Das könnte sich durchaus irgendwann ändern.

Unlängst hat der greise Wissenschaftler John B. Goodenough zusammen mit der portugiesischen Forscherin Maria Helena Braga einen neuen, angeblich dreimal leistungsfähigeren Batterietyp auf Basis von Glas entwickelt. Die verwendeten Materialien sind anorganisch, also nicht feuergefährlich, die Energiedichte ist höher, die Ladezeit kürzer. Kälteempfindlich ist die Neuentwicklung auch nicht, obwohl die Materialien weniger kosten.

Zunächst freilich bleiben die Herausforderungen beim Batteriebau noch ungelöst: Hohe Energiedichte, Haltbarkeit und Sicherheit müssen in Einklang gebracht werden, obwohl sie sich oft widersprechen. Hinzu kommt, dass es bis zur Markt-
reife noch dauern wird. Bei der Li-Ion-Batterie waren es 20 Jahre, beim Glas-Akku werden es wohl mindestens zehn sein. Bleiben wir deshalb unnachgiebig in unseren Ansprüchen und Erwartungen – und üben wir uns in Geduld: In der Zwischenzeit kann viel passieren!

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  • Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

    Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

    Bild: Roland Ackermann

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