Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie Essbare Beschichtung soll Kunststoffverpackungen ersetzen

Die wässrige Beschichtungsdispersion besteht aus Wachsen, Proteinen und Additiven und wurde als Alternative zu Kunststoffverpackungen entwickelt.

Bild: Fraunhofer-Gesellschaft
04.05.2021

Lebensmittel wie Wurst, Käse oder Fleisch werden größtenteils in Plastikverpackungen verkauft. Eine Beschichtung aus Proteinen und Wachs soll Lebensmittel nun ebenfalls haltbar machen, ohne aber am Ende in der Umwelt zu landen. Im Zweifel kann sie auch einfach mitgegessen werden.

Wer Lebensmittel im Supermarkt kauft, kauft sie fast immer in Kunststoffverpackungen. Neben Wurst, Käse, Fleisch und Fisch sind auch Obst, Salat und Gemüse häufig darin abgepackt.

Forschende am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV und am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben im Projekt „BioActiveMaterials“ jetzt eine nachhaltigere Lösung entwickelt. Sie nutzt als Basismaterial Papier, das mit einer speziellen Beschichtung versehen ist und am Ende einfach in der Altpapiertonne entsorgt werden kann.

Haltbarkeit durch pflanzenbasierte Stoffe

Für ihre Spezial-Beschichtung verwenden die Wissenschaftler Proteine und Wachse mit biobasierten Additiven. Diese Materialien verleihen ihrer Verpackung haltbar machende und langzeitstabile Eigenschaften, erfüllen aber noch weitere Funktionen.

„Zum einen dienen die Proteine als Sauerstoffsperrschicht und die Wachse als Wasserdampfbarriere“, sagt Dr. Michaela Müller, Leiterin des Innovationsfelds „Funktionale Oberflächen und Materialien“ am Fraunhofer IGB. Obst trocknet auf diese Weise zum Beispiel nicht so schnell aus. „Zum anderen verleihen die biobasierten Additive antioxidative und antimikrobielle Wirkung. Fleisch und Fisch verderben dann nicht so schnell.“

Auch die Proteine übernehmen bestimmte Aufgaben: Sie verhindern unter anderem, dass Mineralöl aus dem Papier auf die Lebensmittel übergeht. Gerade Altpapier enthält Reste von mineralölhaltiger Druckerfarbe.

Auch für gekühlte Lebensmittel geeignet

Die in „BioActiveMaterials“ entwickelten beschichteten Papiere sollen eine Alternative zu derzeitigen Verpackungen für Lebensmittel aller Art sein, egal ob Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Käse oder auch Süßwaren. Verbraucher können die papierverpackten Lebensmittel laut den Forschern genauso lagern und handhaben wie die mit Kunststoff verpackten.

„Unsere papierbasierten Verpackungen sind auch für Lebensmittel geeignet, die gekühlt werden müssen, beispielsweise Fleisch“, sagt Müller. „Hierbei bleibt die Schutzfunktion vor Sauerstoff erhalten.“ Auch Tiefkühlkost ist davon nicht ausgeschlossen.

Nach der Nutzung wandert die Verpackung dann in die Altpapiertonne, wie Dr. Cornelia Stramm, Abteilungsleiterin am Fraunhofer IVV, ergänzt. „Die Beschichtung ist biologisch abbaubar und stört das Papierrecycling nicht.“

Wachse aus Brasilien und Nordmexiko

Die Fraunhofer-Institute haben sich die Aufgaben im Projekt geteilt: Während das IGB die komplexe Formulierung und Herstellung der Beschichtung verantwortete, prüften die IVV-Forscher, wie gut die Beschichtung in der Praxis funktioniert. „Wir haben beispielsweise getestet, wie effektiv die jeweilige Beschichtung das Lebensmittel vor Außeneinflüssen wie Wasserdampf, Sauerstoff und Mineralöl schützt“, berichtet Stramm.

Zudem sorgte das Team vom Fraunhofer IVV für den Auftrag der Beschichtung im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf die Papiere. Er erfolgt mittels einer Maschine, auf der das Papier über Walzen geführt und die Beschichtung als wässrige Dispersion aufgetragen wird.

Bei der Wahl der Rohstoffe für „BioActiveMaterials“ setzten die Forscher auf natürliche, lebensmittelrechtlich zugelassene Substanzen. Für die Protein-Komponente experimentierten sie etwa mit Raps, Lupinen, Molke und Sonnenblumen. Landwirtschaftliche Betriebe könnten so in der Praxis nicht verwertete Reststoffe aus der Produktion an die Verpackungsindustrie liefern.

Bei den Wachsen fiel die Wahl der Forschenden auf Bienenwachs und solche, die aus dem in Nordmexiko vorkommenden Candelilla-Busch sowie aus der brasilianischen Carnauba-Palme gewonnen werden. „Wir haben uns für diese Wachse entschieden, da sie biologisch abbaubar, lebensmittelrechtlich zugelassen und auf dem Markt leicht verfügbar sind“, erklärt Müller.

Lebensmittelspezifische Anpassungen möglich

Bei der Herstellung der Beschichtung kommt klassische Labortechnik zum Einsatz: Zerkleinern, Erhitzen, Rühren und Mixen. „Die Kunst besteht im Mischungsverhältnis und in der Reihenfolge, in der man die einzelnen Substanzen dazugibt“, verrät Müller.

Dabei ermögliche es die Flexibilität beim Mischungsverhältnis, die Beschichtung für bestimmte Anwendungen zu optimieren. So könnte etwa eine Verpackung für Fleisch durch mehr Antioxidantien eine besonders starke antimikrobielle und antioxidative Wirkung entfalten, während Salat durch eine Wachsbeschichtung besonders gut vor Austrocknung geschützt ist.

Vorteile für Hersteller, Händler, Verbraucher

Neben Papier lässt sich auch Karton mit der bioaktiven Beschichtung ausstatten. Hersteller könnten so beispielsweise ihre Logos oder lebensmittelrechtlich vorgeschriebene Angaben zu Inhaltsstoffen auf ihre Verpackungen aufdrucken. Auch für Discounter und Lebensmittelhändler soll es Vorteile geben: Schließlich liegen ressourcensparende und biologisch abbaubare Verpackungen ohne Kunststoff bei Verbrauchern im Trend.

Die Wissenschaftler vom Fraunhofer IVV und vom Fraunhofer IGB experimentieren derzeit ebenfalls mit Konzepten, bei denen sie die Beschichtung direkt auf Lebensmittel wie Obst oder Gemüse aufbringen. Die „Verpackung“ könnte so in Zukunft einfach mitgegessen werden – gesundheitlich unbedenklich und umwelttechnisch ziemlich effizient.

Bildergalerie

  • Ein Siegelbeutel aus Papier mit der Beschichtung auf der Innenseite: Nach der Nutzung landet die Verpackung in der Altpapiertonne.

    Ein Siegelbeutel aus Papier mit der Beschichtung auf der Innenseite: Nach der Nutzung landet die Verpackung in der Altpapiertonne.

    Bild: Fraunhofer-Gesellschaft

  • Das Papier wird im Beschichtungsprozess über Rollen geleitet und dabei mit den „BioActive Materials“ versehen. Sie könnten künftig aber auch direkt auf Lebensmittel wie Obst oder Gemüse aufgetragen werden.

    Das Papier wird im Beschichtungsprozess über Rollen geleitet und dabei mit den „BioActive Materials“ versehen. Sie könnten künftig aber auch direkt auf Lebensmittel wie Obst oder Gemüse aufgetragen werden.

    Bild: Fraunhofer-Gesellschaft

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