Weniger Lebensmittelverschwendung Food-Scanner für die Hosentasche

Der kleine Food-Scanner soll in Zukunft dabei helfen, unnötige Lebensmittelverluste zu vermeiden.

Bild: Fraunhofer IOSB
03.01.2019

Kann man den Joghurt noch essen? Ist das Gemüse noch genießbar? Im Zweifelsfall wird lieber weggeworfen. Doch laut einer Studie der Umweltstiftung WWF landen in Deutschland jährlich zehn Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, obwohl sie noch verzehrbar sind. Mit einem mobilen Food-Scanner könnte künftig geprüft werden, ob Nahrungsmittel wirklich verdorben sind.

Viele Produkte werden weggeworfen, weil sie nicht mehr appetitlich aussehen, kleine Schönheitsfehler aufweisen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Allein in Bayern wandern 1,3 Millionen Tonnen Nahrungsmittel jährlich unnötigerweise in den Abfall. Mit dem Bündnis „Wir retten Lebensmittel“ will das Bayerische Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit insgesamt 17 Maßnahmen der Verschwendung entgegenwirken.

Eines der Projekte ist ein Food-Scanner, der dazu beitragen soll, die Verluste am Ende der Wertschöpfungskette zu reduzieren – sowohl im Handel als auch beim Verbraucher. Das preisgünstige Gerät soll künftig den tatsächlichen Frischegrad von Lebensmitteln feststellen, bei abgepackten und nicht abgepackten Waren. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, der Technischen Hochschule Deggendorf und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entwickeln den Food-Scanner, der als Demonstrator mit Daten für zwei Lebensmittel vorliegt und auch eine Haltbarkeitsabschätzung ermöglicht.

Echtheit per Infrarotlicht feststellen

Herzstück des mobilen Scanners ist ein Nahinfrarot-Sensor (NIR-Sensor), der den Reifegrad des Nahrungsmittels bestimmt und ermittelt, wie viele und welche Inhaltsstoffe es enthält. „Infrarotlicht wird punktgenau auf das zu untersuchende Produkt geschickt, anschließend misst man das Spektrum des reflektierten Lichts. Die absorbierten Wellenlängen lassen Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Ware zu“, erläutert Dr. Robin Gruna, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB, die Funktionsweise des Verfahrens.

Im Labor könne man schon lange per Nahinfrarotspektroskopie Inhaltsstoffe quantifizieren – neu sei, dass dies jetzt mit kleinen Low-Cost-Sensoren möglich ist, sagt Julius Krause, Kollege im Team von Gruna. „Lebensmittel werden oftmals gefälscht, beispielsweise werden Lachsforellen als Lachs verkauft. Auch die Echtheit eines Produkts kann man mit unserem Gerät feststellen, nachdem es entsprechend eingelernt wurde.“ So ließe sich laut Krause etwa auch gepanschtes Olivenöl als solches identifizieren.

Doch dem System sind Grenzen gesetzt: Es bewertet ausschließlich die Produktqualität von homogenen Nahrungsmitteln. Heterogene Produkte mit verschiedenen Zutaten, wie beispielsweise Pizza, lassen sich aktuell nur schwer prüfen. Hierfür erforschen die Wissenschaftler ortsauflösende Technologien wie bildgebende Spektroskopie (Hyperspectral Imaging) und Fusionsansätze mit Farbbildern und Spektralsensoren.

Maschinelles Lernen steigert Erkennungspotenzial

Um die Qualität der Lebensmittel basierend auf den Sensordaten und den gemessenen Infrarotspektren bestimmen und Prognosen für die Haltbarkeit errechnen zu können, entwickeln die Forscherteams intelligente Algorithmen, die nach entsprechenden Mustern und Gesetzmäßigkeiten in den Daten suchen. „Durch maschinelles Lernen können wir das Erkennungspotenzial steigern. In unseren Tests haben wir Tomaten und Hackfleisch untersucht“, so Gruna.

Auf diese Weise wurden etwa die gemessenen NIR-Spektren von Hackfleisch mittels statistischer Verfahren mit dem mikrobiellen Verderb korreliert und die weitere Haltbarkeit des Fleisches davon abgeleitet. Umfangreiche Lagertests, bei denen die Forscherteams die mikrobiologische Qualität sowie weitere chemische Parameter unter verschiedenen Lagerbedingungen erfassten, zeigten eine gute Übereinstimmung der ermittelten und der tatsächlichen Gesamtkeimzahl.

App zeigt Haltbarkeit der Lebensmittel an

Der Scanner sendet die gemessenen Daten zur Analyse per Bluetooth an eine Datenbank: eine eigens entwickelte Cloud-Lösung, in der die Auswerteverfahren hinterlegt sind. Die Messergebnisse werden anschließend an eine App übertragen, die dem Verbraucher die Ergebnisse anzeigt und darstellt, wie lange das Lebensmittel bei den jeweiligen Lagerbedingungen noch haltbar ist oder ob es bereits überlagert wurde. Darüber hinaus erfährt der Verbraucher, wie er Lebensmittel alternativ verwenden kann, wenn deren Lagerdauer abgelaufen ist.

Für Anfang 2019 ist die Testphase in Supermärkten geplant: Dann soll untersucht werden, wie der Verbraucher das Gerät annimmt. Insgesamt ist ein breiter Einsatz entlang der Wertschöpfungskette denkbar, vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Eine frühzeitige Erkennung von Qualitätsveränderungen ermöglicht alternative Verwertungswege und trägt zur Reduzierung der Verluste bei.

Doch der Scanner soll mehr sein als nur ein Instrument für den Lebensmittel-Check. Vielmehr soll es sich um eine universell einsetzbare, kostengünstige Technologie handeln, die schnell anpassbar ist. Beispielsweise könnte man das System nutzen, um damit Holz, Textilien, Mineralien oder Kunststoffe voneinander zu unterscheiden und zu klassifizieren. „Der Einsatzbereich des Geräts ist vielseitig, es muss nur entsprechend trainiert werden“, sagt Gruna.

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