Viscotec war über zwölf Monate (2021) Teil eines Forschungsprojektes mit Namen Agreed – „Automatisierung für flexible und erweiterbare Schalenmontagen mit digitaler Intelligenz.“ In diesem Projekt des Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forschten das Unternehmen Premium Aerotec gemeinsam mit Wissenschaftler:innen des Lehrstuhls für Technologien & Management der Digitalen Transformation und Ingenieure und Techniker weiterer Projektpartner zum Einsatz von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz zur Automatisierung der Montage von Flugzeugschalen.
Das Projekt Agreed war ein internes Projekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und wurde zwischen Januar 2021 und Dezember 2021 erfolgreich durchgeführt. Das DLR hat neben technologischer Forschung die administrative und planerische Rolle übernommen. Die Koordination der Arbeiten erfolgte in Zusammenarbeit mit dem beauftragten Generalunternehmer Premium Aerotec. Für notwendige Unterstützung wurden weitere Beteiligte aus Industrie und Forschung unterbeauftragt: Broetje-Automation, Viscotec , Bergische Universität Wuppertal, Fraunhofer IFAM, Fraunhofer IFF und Capgemini.
Höherer Automatisierungsgrad
Wichtiger Teil im Projekt: Das hauchdünne Dosieren komplexer Sealing-Materialien. Von Premium Aerotec – weltweit führender Tier-1-Lieferant für Flugzeugstrukturen – ist diese Applikation unter anderem bei der Fertigung von großflächigen und komplexen Flugzeugkomponenten existenziell. Mit dem Forschungsprojekt will man jetzt eine Erhöhung des Automatisierungsgrades in der Strukturmontage so genannter Single-Aisle-Luftfahrzeuge erreichen. Das soll zum einen die aktuell vorherrschenden manuellen Fertigungsprozesse reduzieren, zum anderen soll die Erhöhung des Automatisierungsgrades zu mehr Wirtschaftlichkeit führen.
Geforscht wurde im niedersächsischen Nordenham und in Augsburg. Für den Einsatz mit Industrierobotern konnte der speziell für Sealing Materialien ausgelegte, bereits am Markt etablierte, 2K-Dosierkopf Vipro-Duomix verwendet werden. Größte Herausforderung hier: Besagtes extrem dünnes Auftragen komplexer Materialien, was das Viscotec-Team über eine eigens entwickelte Düse lösen konnte. Und eine mit PAG gemeinschaftlich entwickelte integrierte mechanische Regelung, bestehend aus Abstandshalter und Federaufhängung.
Mensch-Maschine-Kollaborationen gefordert
In Nordenham wurde vom Viscotec-Team deutlich mehr Entwicklungskompetenz verlangt, denn hier sollte die Fertigung über Cobots teilautomatisiert werden und so eine Mensch-Maschine-Kollaboration gelingen. Dazu wurde für den Cobot ein spezieller Endeffektor (< 10 kg) – basierend auf einem 2K-System in Leichtbaudesign – entwickelt und vorn auf dem Roboterarm platziert. Er ist optimal auf geringe Traglasten ausgelegt und garantiert die Sicherheit während der Kollaboration.
Das 2K-Dosiermaterial wird in getrennten Großgebinden (20 l Hobbocks) angeliefert. Die Tanks sitzen am Endeffektor. Die Zuführung der Tanks erfolgt über Materialkupplungen an der Tankstation. Diese wiederum ist über Schläuche mit dem Entnahmesystem verbunden. Das von den Viscotec-Ingenieuren entwickelte Konzept vereint die Vorteile von Großgebinden – Prozesssicherheit und Kosten – mit dem von Kleingebinden, die sich beim Materialauftrag flexibler zeigen.
Der Wegfall einer Schlauchverbindung zwischen Großgebinde und Dosierendeffektor am Cobot ermöglicht so einen Dosierauftrag frei von mechanischen Einschränkungen und damit mehr Flexibilität über alle Freiheitsgrade. Versuche im Viscotec eigenen Technikum während der Entwicklungsphasen ermöglichen den schichtdünnen Auftrag eines komplexen Sealing-Materials, der für die Forschung an beiden Standorten von großer Bedeutung ist.
Präzises Dosieren entscheidend
Von besonderer Relevanz: Während man bisher die Materialien in einem vorgelagerten Prozess mischen und nicht benötigtes Material wegen der schnell einsetzenden Aushärtung verwerfen musste, erfolgt jetzt die präzise Dosierung und Vermischung unmittelbar vor dem Materialauftrag und unter Einhaltung des Mischungsverhältnisses.
Die Abnahme der Forschungsergebnisse durch die federführende DLR gestaltete sich durchweg positiv, was künftig technologische Entwicklungen wie etwa Reinforcement Learning-Strategien vereinfacht. Roboter können – nach einem Learning – selbständig Fügeaufgaben in der Luftfahrtindustrie ausführen, die auch durch die Viscotec-Dosiertechnologien möglich werden.