MTP & NOA beschleunigen die Prozessindustrie Für mehr Flexibilität in Prozessanlagen

Gestärkt in die Zukunft: MTP & NOA beschleunigen die Prozessindustrie.

Bild: Istock, Lakes4life
02.09.2024

Anwender in der Prozessindustrie profitieren mit den PI-Technologien nicht nur von einer höheren Effizienz ihrer Anlagen, sondern auch von sinkenden Aufwänden rund um die Planung, Wartung und Instandhaltung. Dies beweisen die neuen Technologien unter dem PI-Dach: MTP und NOA.

Wie gelingt es, innovative Ansätze schneller in die Anlagen der Prozessindustrie zu integrieren? Und wie verbindet man die Effizienz von großen Anlagen mit der Flexibilität von kleineren Batchanlagen? Aus Sicht der Automatisierungstechnik haben sich für solche Aufgaben in jüngster Zeit zwei Technologien einen Namen gemacht. Mit Module Type Packages (MTP) und Namur Open Architecture (NOA) stehen nicht nur für die Pharma- und Feinchemie neue Lösungen bereit, die das tägliche Arbeiten in der Prozessindustrie erheblich vereinfachen.

Schneller auf Marktanforderungen reagieren

An modularen Anlagen führt kein Weg vorbei, wenn man schneller und flexibler auf sich ändernde Anforderungen des Markts reagieren will. Die Integration solcher Module war aus Automatisierungssicht allerdings bisher sehr aufwendig. Hier bietet MTP nun enorme Vorteile: Mit MTPs lassen sich verfahrenstechnische Module, Maschinen oder Package Units wesentlich effizienter als bisher orchestrieren. Für die Anwender gibt es dadurch eine ganze Reihe an Vorteilen: Selbst kleine Batchgrößen werden ökonomisch interessant. Und vor allem lassen sich Änderungen am Produkt oder im Markt schneller umsetzen, weil Apparate in Modulbauweise einfach neu angeordnet und über MTP angeschlossen werden können. Aufgrund der genaueren Prozesskontrolle verbessern sich Ausbeute und Qualität. Mit der Aggregation und Kontextualisierung von Daten durch den gesamten Produktlebenszyklus sind außerdem kontinuierliche Verbesserungen der Verfahren und Anlagen möglich. Und schlussendlich ist die modulare Anlagentechnik auch im Hinblick auf die CO2-Reduzierung interessant, da durch einen gezielteren Rohstoffeinsatz nicht nur weniger Abfall entsteht, sondern auch weniger Energie benötigt wird.

Zuverlässige Spezifikation für Marktakzeptanz

Dass MTP bereits in einigen Anlagen erfolgreich im Einsatz ist, liegt nicht zuletzt an mutigen Erstanwendern der Technologie und einer sehr aktiven Community. Nun treiben Namur, ZVEI und PI (Profibus & Profinet International) die MTP-Technologie weiter voran. PI hat MTP als Host im Herbst 2023 übernommen und hat im ersten Schritt dafür gesorgt, dass dem Markt ein zuverlässiges und konsistentes Spezifikationset zu Modellierung, HMI-Integration und Runtime zur Verfügung steht. Dabei spielt das Thema Interoperabilität eine große Rolle. Dieser Schritt ist für die Marktakzeptanz entscheidend, da hiermit die Kompatibilität zwischen verschiedenen Herstellern geprüft werden kann. Erste Dokumente befinden sich bereits im Review, sodass diese Arbeiten gegen Ende des Jahres abgeschlossen werden. Im Anschluss werden Guidelines, die Zertifizierung und weltweite Marketingmaßnahmen folgen. Unterstützung leisten dabei die PI-Competence Center und Zertifizierungslabore. Weiter wird derzeit unter anderem in Arbeitsgruppen am Alarmmanagement gearbeitet. Zeitgleich sind Aktivitäten zur internationalen Standardisierung von MTP aufgenommen worden, die zukünftig als Norm IEC 63280 bereitgestellt werden soll.

Das Zusammenspiel funktioniert reibungslos

Und auch in der Praxis geht es voran. So wurden auf der Achema erste Produkte, die auf dem Module Type Package basieren, vorgestellt. Zudem bekamen Anwender einen Eindruck, wie sich diese in unterschiedliche übergeordnete Orchestrierungssysteme schnell und unkompliziert integrieren lassen. In einer großen Multivendor-Live-Demo wurde die Integration von Process Equipment Assemblies (PEA) in ein übergeordnetes Leit- oder Scada-System des Process Orchestration Layers (POL) veranschaulicht. Dabei bildeten die PEAs Module für verschiedene Branchen, wie Pharma, Chemie, Wasser und Wasserstoff, ab. Die POLs ermöglichen wiederum das Bedienen und Beobachten, die Prozesssteuerung, die Koordination und die Dokumentation der Produktion der gesamten Anlage. Zwölf Hersteller zeigten Lösungen und Produkte für die Automatisierung über PEAs, sieben Hersteller brachten sich mit POLs ein.

Neben den technologischen Aspekten ist die Vorgehensweise bei MTP ein Vorbild, wie sich neue Technologien effizient und marktgerecht entwickeln lassen. Ohne enge Zusammenarbeit zwischen Anwendern und Herstellern ist ein solcher Weg nicht möglich. Dafür waren neben Vertrauen und Offenheit viele partnerschaftliche Gespräche notwendig, wobei immer wieder geschaut wurde, welche Funktionen sofort benötigt werden und welche Entwicklung vielleicht noch etwas Zeit hat. Durch diese enge Abstimmung ist eine gute, verlässliche und vor allem praxisnahe Lösung entstanden.

Schneller interessante Daten nutzen

Einen ähnlichen Weg beschreitet man nun für die NOA-Technologie. Hier wurde PI als Host von der Namur und dem ZVEI ausgewählt, um NOA in die breite Anwendung zu bringen und weiter zu entwickeln. Ähnlich wie bei MTP leisteten auch die Anwender die wichtige Grundlagenarbeit. Über NOA können Anwender in Zukunft sehr viel einfacher und vor allem gesichert auf vielfältige Daten in den Anlagen zugreifen und diese für Monitoring- und Optimierungsaufgaben (M+O) nutzen. Hintergrund ist, dass smarte Sensoren oder mobile Geräte inzwischen sehr nützliche Daten für die Prozessoptimierung liefern können, die jedoch innerhalb der klassischen Automatisierungspyramide nicht oder nur mit großem Aufwand genutzt werden können. Mit NOA lassen sich diese Daten auf einem zweiten Kanal rückwirkungsfrei übertragen. Für die installierte Basis besteht also kein Risiko bezüglich Verfügbarkeit oder Sicherheit. Zudem lassen sich mit diesem offenen skalierbaren Ansatz auch Kosten, zum Beispiel für die Datenbeschaffung, deutlich senken. Dabei profitieren die Anwender von einer höheren Flexibilität und einer besseren Interoperabilität. Denn NOA ist auch mit Ethernet-APL oder MTP kompatibel.

Jetzt geht es jedoch nicht mehr allein um die Technologie, sondern um Aspekte der Standardisierung, der Zertifizierung und des Marketings. Im ersten Schritt werden auf der Grundlage der bisher erarbeiteten Use Cases und ersten Testanlagen eine durchgängige Spezifikation und Zertifizierung erarbeitet. Auch das Thema der Internationalisierung und Interoperabilität wird großen Raum einnehmen. PI verfügt für diese Aufgaben über jahrzehntelange internationale Erfahrung und wird dafür Joint Working Groups etablieren. Durch die umfangreiche Untersuchung und Ausarbeitung von Use Cases ist eine gute Startgrundlage für die Spezifikationsarbeiten und die internationale Standardisierung gegeben.

Ausblick

Neben MTP und NOA bietet PI inzwischen ein durchgängiges Technologieportfolio für die Prozess-Automatisierung an. Dazu gehört unter anderem die Spezifikation von Ethernet-APL, kurz nach deren Verabschiedung wurden bereits die ersten Feldgeräte und Feldswitches mit Profinet over APL-Schnittstelle vorgestellt. Inzwischen sind viele weitere Hersteller dazu gekommen.

Ebenfalls interessant für Anwender aus der Prozessindustrie ist das PA-Profil 4 für Profinet, mit dem ein neues Gerät an den gleichen Port wie das alte Gerät angeschlossen werden kann. Dabei kann die Kernkonfiguration des alten Gerätes verwendet und auf das neue Gerät übertragen werden. Im Vergleich zur 4...20 mA-Technologie mit HART reduziert sich der Aufwand beim Gerätetausch drastisch. Und auch bei FDI und PA-DIM ist PI ein aktiver Partner. Derzeit laufen die Arbeiten zur Anwendung von PROFIsafe in der Prozessindustrie. Das TÜV-geprüfte SIL3-Sicherheitsprotokoll beruht auf dem Black-Channel-Prinzip, wobei dies nicht nur für Sicherheit, sondern auch für eine maximale Anlagenverfügbarkeit sorgt. All diese Komponenten und die Arbeiten von PI in den vergangenen Jahren zeigen, dass der Weg in eine flexible und zugleich sicherere Prozessautomatisierung konkret umgesetzt und gegangen wird.

Bildergalerie

  • Mit der NOA-Architektur steht die Basis für zusätzliche Daten. 

    Mit der NOA-Architektur steht die Basis für zusätzliche Daten. 

    Bild: PI

  • Das neue Logo von MTP zeigt, dass sich die einzelnen Module nahtlos ineinanderfügen. Die Anbindung von verfahrenstechnischen Modulen wird dann auch aus Sicht der Automatisierung ganz einfach – Plug & Operate.

    Das neue Logo von MTP zeigt, dass sich die einzelnen Module nahtlos ineinanderfügen. Die Anbindung von verfahrenstechnischen Modulen wird dann auch aus Sicht der Automatisierung ganz einfach – Plug & Operate.

    Bild: PI

  • Auf der Achema 2024 wurde der NOA-Kooperationsvertrags zwischen PNO/PI, NAMUR und ZVEI unterzeichnet, v. l. n. r.: Wolfgang Weber (ZVEI), Christine Oro Saavedra (NAMUR), Harald Müller (PNO/PI), Xaver Schmidt (PNO/PI).

    Auf der Achema 2024 wurde der NOA-Kooperationsvertrags zwischen PNO/PI, NAMUR und ZVEI unterzeichnet, v. l. n. r.: Wolfgang Weber (ZVEI), Christine Oro Saavedra (NAMUR), Harald Müller (PNO/PI), Xaver Schmidt (PNO/PI).

    Bild: PI

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