Die Pharmaindustrie befindet sich im ständigen Wettlauf gegen die Zeit. Einerseits entstehen immer neue Krankheiten, die neue Medikamente und Impfstoffe erfordern. Anderseits zählen Volkskrankheiten wie Krebs heute noch immer zu den häufigsten Todesursachen, weshalb das Therapieangebot ständig weiterentwickelt wird. Ein Beispiel hierfür sind hochaktive Wirkstoffe (High Potency Active Pharmaceutical Ingredients, kurz: HPAPIs). In all diesen Fällen geht es darum, Medikamente möglichst schnell auf den Markt zu bringen. Und das ist nicht die einzige Herausforderung. Unterbrochene Lieferketten, Kostendruck und Forderungen nach Effizienz, kurzen Innovationszyklen, hochwertigen Produkten und größerer Flexibilität kommen hinzu. Zudem sind die Ressourcen der Welt endlich, es besteht also die dringende Notwendigkeit der Nachhaltigkeit. Infolgedessen war die Komplexität in der industriellen Welt noch nie so groß wie heute.
Lösungsansatz Digitalisierung
Die Lösung für all diese Herausforderungen sind die Digitalisierung und Automatisierung. Wenn die reale und die digitale Welt Hand in Hand gehen, erhöht das die Schnelligkeit und Sicherheit der Produktion. Dafür hat Siemens ein ganzheitliches digitales Lösungsportfolio aus Software- und Automatisierungslösungen entwickelt. „Es unterstützt die Pharmaindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette, schneller, flexibler und effizienter zu werden. Essenziell sind dabei gleichbleibend höchste Qualität sowie die Einhaltung von Good Manufacturing Practice (GMP) und aller gesetzlichen Vorgaben“, erklärt Stefan Haberstroh, Sales Manager im Bereich Digital Industry bei Siemens. Für das neue HighCon-Werk von Pfizer liefert Siemens beispielsweise komplette Industrielogistik-Lösungen aus einer Hand vom ersten Konzept bis zum reibungslosen Betrieb. Zudem handelt es sich in Freiburg um eine papierlose Produktion. Die Manufacturing-Operations-Management-Lösung (MOM) von Siemens ermöglicht die vollständige Digitalisierung des Fertigungsbetriebs. Das Automation Execution System (AES) auf Basis von Simatic IT koordiniert den kompletten Materialfluss. Es ist die Schnittstelle zwischen übergeordneten Systemen wie dem Auftragssystem oder dem Logistiksystem und dem unterlagerten Equipment.
High-Containment für HPAPIs
Was hochaktive Wirkstoffe auszeichnet, sind ihre hohe pharmakologische Wirkungsweise bei geringen Dosen sowie die hohe Selektivität, die die Nebenwirkung von Medikamenten reduziert. Beides führt zu einer steigenden Beliebtheit von HPAPIs in der Medizin. Ihre Verwendung in Medikamenten bedeutet für deren Produktion jedoch: höchste Vorsicht. Kommen bei der Herstellung hochaktive, toxische Wirkstoffe zum Einsatz, sind höchste Reinheit und Sicherheit für Personen und Produkte im Produktionsprozess zwingend. Das gelingt mit High-Containment-Anlagen. Das Besondere an der neuen Freiburger Anlage von Pfizer: Hier können Medikamente der Kategorie OEB4 hergestellt werden, die Mitarbeiter benötigen aber nur OEB3-Schutzkleidung. Das bedeutet: Mehr Sicherheit für das Personal. Möglich wird das durch ein spezielles Containment-Konzept und innovative Technologien, die von der Gebäudeleittechnik von Siemens überwacht und gesteuert werden.
Smartes Gebäudemanagement
Desigo CC ist die integrierte, skalierbare und offene Gebäudemanagement-Plattform von Siemens, um leistungsstarke Gebäude und Reinräume zu steuern. Sie kann unterschiedliche Systeme und Geräte integrieren sowie Prozesse automatisieren. „Desigo CC ermöglicht einer Vielzahl von Systemen, miteinander zu kommunizieren und über eine zentralisierte Leitstelle zu kooperieren. Die Plattform ist so das technologische Rückgrat für eine smarte Gebäudeinfrastruktur“, erklärt Andreas Bühring, Vertriebsleiter, Siemens Smart Infrastructure. Da Desigo CC an das bei Pfizer eingesetzte Visualisierungssystem Simatic WinCC Unified gekoppelt ist, ist ein leichter Datenaustausch möglich: Produktionsrelevante Daten aus der Gebäudemanagement-Plattform werden via OPC UA an das Scada-System übergeben.
Das innovative skalierbare Prozessvisualisierungssystem Simatic WinCC bietet zahlreiche leistungsfähige Funktionen, um automatisierte Prozesse zu überwachen. Gleichzeitig können Informationen aus weiteren Produktionssystemen in
Desigo CC aufgenommen und für vorausschauende Regel- und Steuerfunktionen der Gebäudeautomatisationssysteme verwendet werden. „Dank der Kopplung lassen sich die Gebäudemanagement-Daten im zentralen Managementsystem nutzen sowie in den einzelnen Produktionsbereichen jederzeit abrufen“, fasst Bühring zusammen. Zudem integrieren Technologien wie Desigo PX die unterschiedlichen Gewerke Lüftung, Kälte und Wärme in Hinblick auf Energieverteilung und Automatisierung im neuen High Containment-Werk von Pfizer.
Beispiel für nachhaltige Arzneimittelproduktion
„Durch die intelligente Vernetzung der Maschinen und Abläufe kann das Freiburger Pfizer Werk flexibler, schneller und ressourcenschonender produzieren,“ betont Gunter Bechmann, Leiter des Projekts HighCon-Anlage bei Pfizer. So trägt beispielsweise die Vernetzung und Visualisierung der Daten im Management-System Desigo CC dazu bei, dass die neue HighCon-Fertigung von Pfizer rund 40 Prozent weniger Energie verbraucht als herkömmliche Anlagen. Ein wichtiger Beitrag in Sachen Energieeffizienz, denn 40 Prozent des weltweiten Verbrauchs an Primärenergie entfallen auf Gebäude – Tendenz steigend. Dass Pfizer nicht erst beim Bau der Anlage konsequent auf den ökologischen Fußabdruck geachtet hat, würdigt auch das Umweltbundesamt: Der Standort in Freiburg ist ein Beispiel guter Praxis für nachhaltige Arzneimittelproduktion.
So ermöglicht die hochmoderne und besonders leistungsfähige HighCon-Anlage in Freiburg einen hoch automatisierten und gleichzeitig nachhaltigen Produktionsprozess vom Pulver bis zur Tablette. Und am Ende tragen die sieben Milliarden Tabletten, die hier jährlich gefertigt und in über 150 Länder geliefert werden, zu einem Mehr an globaler Gesundheit bei.