Forschende des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben nun gleich zwei solcher Datenbanken veröffentlicht. Während die Datenbank „ABC-HuMi“ auf genetische Daten von Mikroorganismen fokussiert, die den Menschen besiedeln, bietet „Zebra“ einen hochauflösenden Zell-Atlas des Gehirns von Menschen und Mäusen. Beide Datenbanken wurden in der jährlichen Datenbank-Ausgabe der Fachzeitschrift Nucleic Acids Research veröffentlicht.
Wegweisende Datenbanken für bioinformatische Forschung
Wissenschaftliche Experimente führen in der Regel nicht nur zu neuen Erkenntnissen, sondern oftmals auch zu neuen Fragestellungen und ungelösten Problemen. Um diese effizient bearbeiten zu können, sind neben weiteren Experimenten auch computerbasierte Werkzeuge notwendig, um die gewonnenen Daten überhaupt erst verwerten zu können. Hierzu zählen neben Software-Werkzeugen auch Datenbanken, die Forschungsdaten strukturiert aufbereiten und für die wissenschaftliche Community zugänglich machen. Die beiden HIPS-Wissenschaftler Jun.-Prof. Alexey Gurevich, Leiter der Gruppe Human-Microbe Systems Bioinformatics, und Dr. Fabian Kern, Leiter der Nachwuchsgruppe Räumlich-zeitlich aufgelöste Einzelzellbioinformatik, haben nun zwei ihrer Datenbanken in der jährlichen Datenbank-Ausgabe des renommierten Journals Nucleic Acids Research veröffentlichen können. Diese Sonderausgabe zählt zu den wichtigsten Kanälen für die Veröffentlichung und Verbreitung von Datenbanken in der Bioinformatik. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes.
Die von Gurevich und seinen Co-Autoren entwickelte Datenbank ABC-HuMi beinhaltet eine umfangreiche Sammlung genetischer Daten der menschlichen Mikrobiota, also Mikroorganismen, die den menschlichen Körper besiedeln. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf sogenannten Biosynthese-Genclustern. Diese genetischen Abschnitte beinhalten Baupläne für die Herstellung von Naturstoffen, mit denen Mikroorganismen untereinander kommunizieren oder sich bekämpfen. Aber auch für die Interaktion mit dem Wirtsorganismus, also dem Menschen, spielen solche Substanzen eine große Rolle – insbesondere bei der Entstehung und Entwicklung unterschiedlicher Krankheiten.
„Unser übergeordnetes Ziel ist es, zu verstehen, wie das Zusammenspiel zwischen dem Menschen und seiner Mikrobiota auf chemischer Ebene funktioniert. Hierzu müssen wir zunächst wissen, welche chemischen Signale in die Interaktion involviert sind und welche Rolle sie jeweils spielen. Diese Informationen wollen wir im Anschluss nutzen, um neue Wirkstoffe zu entwickeln. ABC-HuMi legt dazu den Grundstein“, sagt Gurevich. Eine Besonderheit der Datenbank ist, dass sie Daten von Mikrobiota verschiedener Körperareale vereint und sich nicht nur auf bereits gut charakterisierte Bereiche wie zum Beispiel den Darm fokussiert.
In einer zweiten Datenbank unter dem Namen Zebra wurde von einem Team um HIPS-Nachwuchsgruppenleiter Kern das Gehirn von Mensch und Maus bis auf die Ebene einzelner Zellen genau analysiert. Zebra erlaubt es, die Aktivität unterschiedlicher Gene in bestimmten Zellen oder Arealen des Gehirns zu untersuchen – abhängig von Faktoren wie Alter, Geschlecht, oder Gesundheitszustand. Insgesamt beinhaltet die Datenbank Informationen zu 4,2 Millionen Zellen aus 39 Gehirnregionen. Diese detaillierten Einblicke in die Aktivität des komplexen Organes sollen dabei helfen, die weitestgehend unbekannten Ursachen und Mechanismen hinter neurodegenerativen Erkrankungen besser zu verstehen. Aber auch die Infektionsforschung kann von der neuen Datenbank profitieren: „Bei SARS-CoV-2 war man anfänglich davon ausgegangen, dass das Virus hauptsächlich die Atemwege schädigt. In einer unserer vorherigen Studien konnten wir allerdings zeigen, dass bei einer Covid-19-Infektion auch im Gehirn Entzündungsprozesse verursacht werden. Zebra beinhaltet auch Daten aus solchen Patienten. Dadurch sind wir dazu in der Lage herauszufinden, was genau im Gehirn bei einer Infektion passiert, und können Strategien erarbeiten, um diesen Effekten entgegenzuwirken“, sagt Kern.
Forschung vernetzen
Andreas Keller, Professor an der Universität des Saarlandes und Leiter der Abteilung Klinische Bioinformatik am HIPS, betont die Bedeutung der beiden Publikationen für die Bioinformatik am Standort Saarbrücken: „Unser Anspruch ist es, hier ein Ökosystem im Bereich Bioinformatik aufzubauen, das eng mit der experimentellen Forschung vernetzt ist. Die publizierten Datenbanken sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin und dienen darüber hinaus als Referenzdatensätze für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Durch die von uns entwickelten Datenbanken und Softwareanwendungen ermöglichen wir eine bessere Vernetzung zwischen unterschiedlichen Forschungsdisziplinen. Dabei ist es für uns sehr wichtig, dass alle Ressourcen offen zugänglich sind.“ Die Bioinformatik am HIPS soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden und eine tragende Rolle am Institut einnehmen.
Hierzu sagt der Wissenschaftliche Direktor des HIPS, Prof. Rolf Müller: „In den letzten zwei Jahren ist es uns gelungen, unter der Leitung von Andreas Keller ein junges Team im Bereich Bioinformatik aufzubauen, das ein breites Spektrum an Expertisen abdeckt. Die Integration von Bioinformatikern in unsere Forschungsprojekte ist von entscheidender Bedeutung, um das volle Potenzial unserer Daten zu erschließen. Insbesondere an der Schnittstelle zwischen Wirkstoffforschung und Medizin sehen wir eine Möglichkeit, um unsere Forschung durch den Einsatz bioinformatischer Methoden deutlich nach vorne zu bringen.“