Smart Water & Resources Infrastrukturanlagen automatisieren

Festo Vertrieb GmbH & Co. KG

Automation trifft Wasser: Viele Anlagen wie Regenrückhaltebecken in Kläranlagen sind heute nicht automatisiert. Dabei würde das vor allem Kostenvorteile bringen.

Bild: Monsitj, Ale-ks/iStockphoto
20.05.2015

Vernetzung und cyber-physische Systeme bringen Flexibilität und Effizienz. Auch in Infrastrukturanlagen, zum Beispiel im Klärwerk.

Industrie 4.0 wird heute im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Anforderungen an vernetzte Produktionen diskutiert. Neben der vertikalen und horizontalen Integration der Produktion und deren Daten über den Anlagenlebenszyklus werden sich aber auch die Anforderungen an Interaktion zwischen Mensch und Maschine sowie die Anforderungen an Ausbildung und Qualifizierung signifikant in den Fertigungs- und Prozessindustrien verändern.

Die Prinzipien von Industrie 4.0 sind aber nicht nur auf Produktionsanlagen beschränkt. Auch Infrastrukturanlagen unterliegen vergleichbaren Anforderungen an die zukünftige Automatisierung und Bedienung. Ein Beispiel, das nachfolgend unter diesen Gesichtspunkten stärker beleuchtet wird, ist der Verbund von in der Regel dezentral gelegenen Regenrückhaltebecken, die mit Kläranlagen vernetzt sind. Es existieren folgende Betriebsvarianten für Regenrückhaltebecken: Variante A = Das Regenrückhaltebecken wird automatisiert und über GSM-Technologie an die zentrale Klärwarte angebunden, und Variante B = Das Regenrückhaltebecken wird vor Ort inspiziert und nach Stark­regen­ereignissen per Hand entleert.

Diese Regenrückhaltebecken speichern bei Starkregenereignissen die anfallenden Regenmengen, um Kläranlagen in Bezug auf das zu reinigende Wasservolumen nicht zu überlasten. Diese Anlagen sind oftmals nicht automatisiert. Das bedeutet, das Betriebspersonal der Kläranlage muss per Hand die Regenüberlaufbecken nach dem Regenereignis entlasten und das Wasser der Klärung zuführen. Regelmäßige Inspektionen sind zusätzlich unabhängig von Regenereignissen erforderlich.

Nachfolgend wird diskutiert, inwieweit eine vernetzte Infrastruktur im Sinne von Industrie 4.0 wirtschaftlich sinnvoll ist und Ressourcen einspart.

Die Lebenszykluskosten sind entscheidend

Energieeffizienz und die Optimierung spezifischer Produktionskosten sind zentrale betriebliche und gesellschaftliche Themen, denen wir uns künftig noch stärker stellen müssen. Betrachtet man die Vernetzung von Anlagen über Anlagengrenzen hinweg, gibt es noch spezielle Anforderungen an die Auswahl und Projektierung von Automatisierungslösungen. Etwa die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte bei der Automatisierung von dezentralen Anlagenteilen und deren Einbindung in einen Anlagenverbund, wenn wegen der dezentralen Lage dieser Anlagen keine Einspeisung der Energie vorhanden ist oder nur mit wirtschaftlich nicht vertretbarem Aufwand geschaffen werden könnte.

Regenrückhaltebecken werden oftmals ausschließlich mit mechanischen Drosseln betrieben. Dies hat aus Betriebsführungssicht mehrere Nachteile, etwa: Die vorgeschriebene Vorortkontrolle der Anlagenfunktion nach einer Belastung der Anlage, eine gezielte Schwallspülung erfordert einen manuellen Eingriff vor Ort und es sind keine Informationen über den aktuellen Wasserstand und andere Parameter des Rückhaltebeckens vorhanden. Daraus resultiert eine generell schwierigere Betriebsführung der Becken im Kläranlagenverbund im Vergleich zu automatisierten Anlagen.

Speziell bei Modernisierungsprojekten stellt dies die Planer und Betreiber vor neue Aufgaben bei der Evaluierung und Bewertung von Alternativtechnologien. Denn neben den Modernisierungskosten sind auch in diesem Fall Einsparungen von Betriebskosten und Vorteile in Bezug auf die Betriebsführung zu bewerten.

Regenrückhaltebecken, die per Hand entleert werden, können auch energieautark automatisiert werden. Die Auslegung der Automatisierung der realen Anlage (siehe Abbildung oben links) erfolgte beispielsweise nach folgenden Schritten:

  • Festlegung der Anforderungen des Betreibers in Bezug auf Anzahl von Schaltungen und Betriebsdauer der Anlage im Anforderungsfall ohne Energieerzeugung (etwa nachts),

  • darauf basierend Dimensionierung der Energiespeicher und Energie­erzeuger (Anzahl der Solarpanels und so weiter),

  • Anbindung der Anlage über GSM an das übergeordnete System der Kläranlage.

Über die GSM-Verbindung kann die gesamte Anlage von der entfernten Leitstelle der Kläranlage aus gesteuert und überwacht werden. Ein Datenlogger dokumentiert kontinuierlich den Ladestand der Akkus, protokolliert das Ladeverhalten und relevante Anlagenparameter. Auch die Laufzeiten der Drucklufterzeugung werden überwacht. Leckagen, Defekte an der Stromversorgung oder andere Fehler können damit frühzeitig erkannt und beseitigt werden. Die Abflussdrosselschieber werden mit pneumatischen Linearantrieben betätigt, die zum Teil mit Stellungsreglern ausgestattet sind.

Vorteile wie bei Industrie 4.0

Vergleicht man die beiden Varianten, sind die unterschiedlichen Betriebsführungen über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren in Bezug auf die Kosten zu evaluieren:

  • Variante A: Komplette Investition und Wartungskosten der dezentralen Energieerzeugung versus

  • Variante B: manuelle Aufwendungen für die Routinekontrollen der Anlage im Belastungsfall

Die routinemäßige Vorortkontrolle kann bei einer Belastung entfallen, wenn weder die tägliche Routinekontrolle über die Fernüberwachung noch Störmeldungen auf eine Einschränkung der Funktionstüchtigkeit des Beckens schließen lassen.

Die Untersuchung zeigt, dass bei einem Betrachtungszeitraum von 20 Jahren bereits bei einer Annahme von nur 50 Vorort-Besuchen mit Kosten von je 50 Euro die nicht automatisierte Anlage nach zehn Jahren höhere Gesamtkosten aufweist (siehe Abbildung oben). Für die Vernetzung der Anlagen sprechen weitere Vorteile wie etwa die zentrale Bedien- und Beobachtung, kontinuierliche Überwachung der Anlage und die automatische Verfügbarkeit von Anlagenparameter und Langzeittrends.

Dezentral und energieautark

In der Steigerung der Energieeffizienz und der Optimierung der Lebenszykluskosten (Life-Cycle-Costing, LCC) liegt ein wesentlicher Schlüssel zu einer kostengünstigeren Behandlung von Wasser und Abwasser. Das untersuchte Beispiel zeigt, dass durch die Anwendung dezentraler und energieautarker Lösungen für Regenrückhaltebecken die Lebenszykluskosten für diese Art von Anlagen deutlich vermindert werden. Gleichzeitig werden Investitionen in den Ausbau des Netzes der öffentlichen Energieversorgung vermieden und eine bessere Betriebsführung erreicht.

Bildergalerie

  • Realisierte Anlage: Konzept zur energieautarken Automatisierung eines Regenüberlauf­beckens in Süddeutschland.

    Realisierte Anlage: Konzept zur energieautarken Automatisierung eines Regenüberlauf­beckens in Süddeutschland.

    Bild: Festo

  • Kumulierte Investitions- und Wartungskosten: Entwicklung der Gesamtkosten für die automatisierte Variante A (graue Linie) und die nicht automatisierte Variante B (blau).

    Kumulierte Investitions- und Wartungskosten: Entwicklung der Gesamtkosten für die automatisierte Variante A (graue Linie) und die nicht automatisierte Variante B (blau).

    Bild: Festo

Verwandte Artikel