Trends: Pigmente Klein, aber oho!

Der bedeutendste Absatzmarkt für Pigmente ist nach wie vor die Herstellung von Farben und Lacken: Hierhin fließen über 45 Prozent des weltweiten Gesamtverbrauchs.

Bild: Lanxess
06.10.2017

Der Markt für Pigmente ist gezeichnet von hohen Erwartungen an breitere Farbspektren und raffinierte Funktionen der Farbpartikel einerseits sowie hohe Rohstoffkosten andererseits. Mit Hilfe der Digitalisierung sollen neue Lösungen schneller und kostengünstiger gefunden werden.

Die Automobilindustrie fragt nach leicht aufzutragenden, hochtransparenten Pigmenten mit hoher Farbtiefe. BASF kommt diesen Forderungen gern nach: Die Designer des Unternehmensbereichs Coatings von BASF haben eine Kollektion aus 65 neuen Farben für die Automobilindustrie entwickelt. Die neuen Farben zeichnen sich durch klare Effekte sowie ein vielschichtiges Funkeln aus. Und viele Farben bieten auch Funktionen: Bei der Trendfarbe LK Black beispielsweise, einer modernen Interpretation eines dunklen Anthrazits, kommt die spezielle Solaric-Technologie zum Einsatz. Diese Innovation reflektiert das Infrarotlicht der Sonne und senkt dadurch an heißen Sommertagen die Temperatur auf der Karosserie und im Innenraum des Wagens.

Farben und Lacke, Kunststoffe und Baumaterialien – wer mit diesen Werkstoffen zu tun hat, kommt um Pigmente nicht herum. Pigmente sind färbende Teilchen, die im Gegensatz zu Farbstoffen jedoch nicht löslich sind. Pigmente können organischer oder anorganischer Natur sein. Sie werden nach optischen Eigenschaften – weiß, bunt, schwarz, Effekte – und nach technischen Eigenschaften wie Korrosionsschutz, Magnetismus unterschieden. Der bedeutendste Absatzmarkt ist nach wie vor die Herstellung von Farben und Lacken: Hierhin fließen über 45 Prozent des weltweiten Pigmente-Gesamtverbrauchs, wie die Marktforscher von Ceresana festgestellt haben. Der Trend geht hier zu Nano-Pigmenten und einer dichteren Partikelverteilung in den Farbmischungen, sodass immer dünnere Beschichtungen möglich sind. Vorbild ist häufig die ursprünglich für die Druckindustrie entwickelte Nano-Pigment-Technologie.

Bestseller Titandioxid in der Diskussion

Einer der wichtigsten Stoffe im globalen Pigmentmarkt ist Titandioxid (TiO2). Rund fünf Millionen Tonnen produziert und verarbeitet zum Beispiel Kronos Titan jährlich von diesem Weißpigment, über das derzeit heftig gestritten wird. Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur sieht den Stoff als gesundheitsgefährdend an. Untersuchungen an über 24.000 Arbeitnehmern in Titandioxidfabriken sollen jedoch keinen Nachweis für einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Titandioxid-Stäuben und Lungenkrebs belegen, sagt Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VDL).

Doch wenn ein Stoff zur Diskussion steht, empfiehlt es sich, nach Alternativen zu suchen. Die Krahn Chemie ist daher eine Vertriebskooperation für Farben-, Lack- und Druckfarbenanwendungen mit dem finnischen Unternehmen FP-Pigments Oy eingegangen. Denn FP-Pigments stellt Pigmente mit hohem Deckvermögen her, die Titandioxid teilweise ersetzen können. Die Produkte bestehen aus Titandioxid, das mit Calciumcarbonat fixiert ist. „Bei matten Formulierungen können bis zu 30 Prozent Titandioxid ersetzt werden, in Glanzfarben bis zu 10 Prozent“, sagt Karlheinz Schuster, Leiter Vertrieb und Marketing der Krahn Chemie. Die Pigmente können sowohl in wässrigen als auch lösemittelhaltigen Lacksystemen und Druckfarben eingesetzt werden und sind auch für Korrosionsschutz- und Pulverlacke sowie Can- und Coil-Beschichtungen geeignet.

Farb- und Hitzestabilität gefragt

Die Baubranche verlangt ebenfalls nach neuen Pigmenten. Denn Farben sind seit jeher eines der wichtigsten Verkaufsargumente für Bauelemente. Nachgefragt werden seit vielen Jahren Farbtöne in Weiß, Bronze, Metallic sowie Beige- und Grautöne. Doch jüngst werden kräftige Farben immer wichtiger. Farbe hin oder her – natürlich muss bei Baukomponenten die chemische Beständigkeit des Pigments stimmen: Farbstabilität, Hitze- und chemische Beständigkeit sind gefragt. Die Nebenwirkungen der chemischen Rezeptur lauten dann häufig: Einschränkungen bei möglichen Farbräumen. Ganz gleich, wie gut die Qualität einer Beschichtung ist, Natur und Umwelteinflüsse waschen Farben aus. Vor allem helle Farben wie Gelb-, Orange- und Rottöne sind betroffen. Daher verbinden Hersteller von Lacken anorganische Pigmente in der Regel mit hochwertigen Harzen (PVDF) und organische Pigmente mit weniger kostenintensiven Harzen (Polyester). Auch eine Schicht Klarlack kann zum Verbessern heller Farben führen und ist für Metalleffektfarben mit Aluminiumpigmentierung von Bedeutung.

Sollen die Produkte wiederum lebensmittelecht sein, braucht es auch hier neue Pigmentlösungen: Lumina Royal Dragon Gold von BASF Colors & Effects ermöglicht die Formulierung extrem heller und funkelnder Gelb- und Grüntöne. Unternehmen sind damit in der Lage, Formulierungen mit außerordentlichem Glitzereffekt und hoher Brillanz zu erzeugen. Mit dem innovativen Paliotol Yellow K 1750 von BASF erweitert sich der Einsatz der Serie organischer Pigmente nun auch auf Anwendungen für Lebensmittel und Spielzeuge. Zur Paliotol-Serie gehören organische Pigmente im mittleren bis hohen Leistungsbereich. Dabei sind die Farbpigmente vollständig halogenfrei und entsprechen bereits der Europäischen Verordnung für Kunststoffe (EU 10/2011), deren Ausweitung auf andere Regionen der Welt derzeit in vollem Gange ist.

Ungiftig und farbintensiv gewünscht

Nach dem Topseller Titandioxid liegen Eisenoxid-Pigmente auf Platz 2 der verkauften Pigmente, dicht gefolgt von Carbon Black. Carbon Black ist das meistverwendete Schwarzpigment der Farbindustrie. Je kleiner die Partikelgröße, desto tiefer ist das Schwarz. Das Marktforschungsinstitut Ceresana erwartet eine dynamische Entwicklung der weltweiten Carbon-Black-Nachfrage und rechnet mit einem Zuwachs auf über 15 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2022. Eisenoxide wiederum sind die meistverwendeten anorganischen Buntpigmente. Ihre Bedeutung verdanken sie ihrer Ungiftigkeit, chemischen Stabilität, einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und der Farbpalette, die von Gelb, Orange, Rot und Braun bis zu Schwarz reicht. Auch für Eisenoxid-Pigmente ist ein Wachstum über das Jahr 2018 hinaus zu erwarten. Lanxess rechnet mit einem jährlichen globalen Wachstum in Höhe von durchschnittlich drei Prozent. Als Grund nennt das Unternehmen das starke Wachstum in Ländern wie Indien und die anhaltende Erholung der Bauindustrie in Nordamerika sowie in Teilen von Europa. Dazu beitragen wird wohl auch China mit Wachstumsraten auf einem nach wie vor hohem Niveau.

Digitale Transformation

Neben der Suche nach ungiftigen Pigmenten, die sowohl nanoklein und zugleich auch äußerst farbintensiv sind, spielt das Thema digitale Transformation in der Branche eine große Rolle. Für die Unternehmen der Lackindustrie sind die Kosten in den vergangenen Monaten massiv gestiegen, ein Ende ist nicht in Sicht, wie www.farbeundlack.de berichtet. Die Preisexplosion wiegt umso schwerer, als die Rohstoffkosten vor allem für die Lackhersteller mehr als 50 Prozent der Herstellungskosten ausmachen. BASF hast zum Beispiel zum 1. Juni 2017 weltweit die Preise für zahlreiche Pigmente um bis zu 15 Prozent erhöht. Die Preiserhöhung bezieht sich insbesondere auf Phthalocyanin und anorganische Pigmente, die in der Lack-, Kunststoff- und Druckindustrie verwendet werden. Die Preisanpassungen sind aufgrund der höheren Kosten für Rohstoffe wie Kupfer, TiO2 und Kobalt notwendig. Andere Preistreiber sind Auflagen, die für Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie die Sicherheit entstehen. Weitere Preissteigerungen werden sich daher nicht vermeiden lassen.

Um weiter wettbewerbsfähig zu sein – insbesondere gegen Billigprodukte aus China – investieren Chemieunternehmen derzeit kräftig in die Digitalisierung der Herstellungsprozesse. BASF beispielsweise arbeitet mit virtuellen Modellierungen und Simulationen am Computer sowie realen Experimenten am Labortisch. Beide gehen Hand in Hand und ergänzen sich gegenseitig. Simulationen am Supercomputer helfen beim Design von Farbexperimenten und erlauben Voraussagen zum Materialverhalten, während Experimente messbare Resultate liefern und die Computermodelle somit auf ihre Tauglichkeit hin prüfen. So lässt sich schneller ein besseres Verständnis von den chemischen Produkten und seinen Produktionsprozessen gewinnen. Und das ermöglicht wiederum mehr Innovationen in kürzerer Zeit.

Evonik, ein weltweit agierendes Unternehmen der Spezialchemie mit Hauptsitz in Essen, hat jüngst eine Anlage für Lackrezepturen entwickelt, die Lackmischungen automatisiert testet. Für Kunden heißt das, dass sie Lackrezepturen schneller verbessern und schneller entwickeln können. Das hochmoderne Labor ist mit Spritzkabine und Klimakammer ausgestattet und erlaubt es, Lack- und Druckfarbenanwendungen zusammen mit dem Kunden zu entwickeln. In dem modernen Labor können sowohl Industriebeschichtungen als auch Bauten- und Druckfarben formuliert, appliziert und geprüft werden. Daneben hat Evonik auch die Tochterfirma Evonik Digital gegründet. Ein Team aus 20 Spezialisten soll neue digitale Geschäftsmodelle für die chemische Industrie entwickeln.

Auch die Firma Lanxess will ihren Wachstumskurs mit einer konzernweiten Digitalisierungsinitiative begleiten. Dafür hat das Unternehmen einen eigenen Bereich mit zunächst 30 Experten gegründet. „Die Digitalisierung wird die Prozesse und Geschäftsmodelle in der Chemieindustrie und unseren Kundenindustrien nachhaltig verändern. Das bietet uns eine Vielzahl von Chancen, erfordert aber auch einen tiefgreifenden Wandel innerhalb des Unternehmens. Wir wollen die digitale Transformation bei Lanxess aktiv gestalten und Potenziale rechtzeitig nutzen“, erläutert Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender bei Lanxess. Zentrale Handlungsfelder der Initiative sind die Digitalisierung der Wertschöpfungskette, die Nutzung von Big Data, die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle sowie die Verankerung digitaler Kompetenzen bei den Mitarbeitern.

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