Kunststoffverpackungen sind in der Kritik: Die Recyclingquote bei Plastikmüll lag 2018 weltweit laut McKinsey bei gerade mal zehn Prozent. „Makro- und Mikroplastik findet sich überall, an Land, im Wasser und sogar in der Luft“, sagt Michael Norton, Direktor des Umweltprogramms der Europäischen Akademien der Wissenschaften (Easac).
Die Easac fordert deshalb gesetzliche Regelungen und schlägt ein steuerliches Bonus-Malus-System für mehr und weniger nachhaltige Verpackungen vor. Davon wären etwa schwer recycelbare Multilayer-Materialien betroffen. In Frankreich gibt es bereits ein entsprechendes Gesetz, in Großbritannien ist eines geplant, und die EU-Kommission sieht Maßnahmen im Rahmen des „Green New Deal“ vor.
Die Hersteller reagieren mit eigenen Initiativen. So haben sich 66 Unternehmen und Organisationen mit 15 Regierungen zum European Plastics Pact zusammengefunden, um am Konzept einer Kreislaufwirtschaft zu arbeiten. Bislang sind Zero Waste und Kreislaufwirtschaft allerdings Ideale für die Zukunft.
Kunststoffverpackungen schwer zu ersetzen
In einer globalen Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos wünschen sich 77 Prozent der befragten Deutschen ressourcenschonend verpackte Produkte. Ähnlich viele wollen gezielt bei Unternehmen kaufen, die sich hier um Fortschritte bemühen. Die Ergebnisse fallen weltweit ähnlich aus.
Das Problem: Kunststoffverpackungen sind schwer zu ersetzen. „Sie sind nicht nur bruchsicher und leicht, sondern haben auch gute Barriereeigenschaften“, betont Karl-Heinz Klumpe, Product Manager Packaging bei KHS. Ersatzmaterialien müssen nicht nur das Produkt genauso gut schützen und seine Qualität erhalten. Umstellung und Material dürfen nicht zu teuer sein und zu viel Zeit beanspruchen. Zudem sollte der Verpackungsprozess nicht zu sehr verlangsamt werden und nicht mehr Ausschuss produzieren, etwa durch Probleme beim Versiegeln.
Biokunststoffe haben zwar ein positives Image, bieten aber keine einfache Lösung, wenn nur vergleichbares Material aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird. Statt etwa biobasiertem Polyethylen, PET oder PA bieten sich deshalb biologisch abbaubare Kunststoffe zum Beispiel Polymilchsäuren und Polymere auf der Basis von Stärke an. In diesem Bereich wird intensiv geforscht. Wissenschaftler der Universität Stuttgart etwa wollen im Projekt SusPackaging Verpackungsmaterialien auf der Basis von Holzabfällen entwickeln, die in wenigen Monaten komplett abbaubar sind.
Für solche Produkte erwartet das Marktforschungsinstitut Ceresana ein deutlich stärkeres Marktwachstum. Momentan stellen sie aber die Infrastruktur der Entsorger vor zusätzliche Probleme, weil weder die Sortierung fürs Recycling noch die Verfahren der Kompostierung auf diese – zurzeit in geringen Mengen anfallenden Stoffe – ausgerichtet sind.
Eine möglichst sortenreine Trennung und damit eine hohe Qualität des Rezyklats zu tragbaren Kosten ist die Voraussetzung, dass aus Kunststoffmüll ein attraktiver Rohstoff für den breiten Einsatz werden kann. Dieses Problem ist allerdings noch ungelöst. Nestle hat sich das Ziel gesetzt, bis 2025 zu 100 Prozent auf recyclingfähige oder wiederverwendbare Lebensmittelverpackungen umzusteigen. Um das zu erreichen, will man in den nächsten Jahren bis zu 1,9 Milliarden Euro investieren.
Kosten und Nachhaltigkeit
Um Verpackungslösungen zu entwickeln, die immer geringere Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben, müssen nach Ansicht von Karl-Heinz Klumpe alle Beteiligten zusammenarbeiten. Zudem müssen die Produktionsprozesse wirtschaftlich „am langfristigen Kundennutzen ausgerichtet“ sein, sagt Gregor Baumeister, Leiter des Geschäftsbereichs Palettier- und Verpackungssysteme der Beumer-Gruppe. Theegarten-Pactec arbeitet mit mehreren wissenschaftlichen Instituten zusammen, um neue Materialien und Fertigungsverfahren zu entwickeln.
Ein wichtiger Ansatz ist es, sparsamer mit dem Material umzugehen. Nach einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung bieten sich dafür besonders flexible Verpackungen an. Um dafür eine umfassende Sammel-, Sortier- und Aufbereitungsinfrastruktur in Europa aufzubauen und eine Kreislaufwirtschaft für diese Verpackungen zu fördern, hat sich mit Ceflex ein Konsortium aus rund 140 Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette zusammengefunden. Materialhersteller, Verpackungsspezialisten, Abnehmer und Recycler kooperieren, um die erforderlichen Designrichtlinien umzusetzen und technische Probleme in den Griff zu bekommen. Syntegon Technology (ehemals Bosch Packaging) etwa bringt hier Know-how ein, um Anlagen so anzupassen oder neu zu konzipieren, dass sie neue Materialien verarbeiten können.
Innovative Lösungen mit Papier
Der Verbrauch von Papier und Pappe steigt nicht nur wegen des Onlinehandels. Da es dafür bereits einen funktionierenden Wiederverwertungskreislauf gibt, versuchen auch Lebensmittelhersteller, auf Papierverpackungen umzustellen. Durch dünne Kunststoffbeschichtungen, Additive oder Füllstoffe soll die nötige Barrierewirkung erzielt werden. Für die Verarbeitung müssen Maschinen allerdings angepasst werden, da Papier steifer ist und leichter reißt.
Frosta verpackt Tiefkühlware bereits zunehmend in ungebleichtes Papier, das Feuchtigkeit und Fett widerstehen soll, obwohl es nicht beschichtet ist. Beim Brauereikonzern Carlsberg arbeitet man an einer biologisch abbaubaren, wasser- und kohlensäurefesten Bierflasche aus Papier, die künftig sogar ohne Kunststoffschicht auskommen soll. Grasbasierter Zellstoff hat übrigens zwar bei der Herstellung eine bessere CO2-Bilanz als herkömmliches Papier, sorgt aber beim Recycling für neue Probleme.
Industrie 4.0: Flexibilität und Effizienz
Die strengen (und weltweit uneinheitlichen) Track-&-Trace-Richtlinien für Pharmaprodukte sind ein Innovationstreiber. Davon können andere Branchen profitieren.
In der Lebensmittelindustrie etwa ist es wichtig, bei Produktwarnungen durch Kennzeichnungen auf der Verpackung möglichst gezielt rückverfolgen zu können, welche Chargen betroffen sind. Wettbewerbs- und Kostendruck steigen, kleinere Losgrößen und schnellere Produktwechsel sind gefordert. Die Anwender verlangen deshalb „nach Lösungen, mit denen sie ihre Mitarbeiter entlasten, ihre Prozesse flexibler gestalten sowie ihre Produktions- und Ressourceneffizienz steigern können“, sagt Gregor Baumeister.
Das Thema Digitalisierung hätte auf der Interpack eine zentrale Rolle spielen sollen, denn sie bietet eine „große Chance für eine nachhaltigere und effizientere Produktion“, sagt Karl-Heinz Klumpe von KHS. Bei seinem Unternehmen beschäftigt man sich schon länger mit der Simulation im digitalen Zwilling. Maschinen lassen sich so schneller in Betrieb nehmen und Fehler vermeiden. Die Digitalisierung macht es möglich, dass Belastungsanalysen und Alarmdaten einer Verpackungsmaschine für deren Hersteller verfügbar sind.
Dadurch kann dieser den Nutzer beispielsweise deutlich besser bei der Fehlersuche und -behebung unterstützen als bisher, erklärt Christina Haas, Produktmanagerin für digitale Produkte bei Bausch+Ströbel. Hier arbeitet man unter anderem an einer zentralen Plattform zur Datenanalyse und an Augmented-Reality-Lösungen. Der Spezialmaschinenhersteller bietet eine Systemlösung, die unterschiedliche Packmittel verarbeitet und durch modularen Aufbau Formatwechsel und Wartung deutlich vereinfachen soll.
Um den Verpackungsprozess nahtlos in Produktion und Logistik zu integrieren, sind umfassender Datenaustausch und Kooperation unabdingbar. Die Kennzeichungsspezialisten von Bluhm Systeme binden deshalb in ihre Steuerungssoftware auch Anlagenkomponenten von Mitanbietern ein.
Mühsame Arbeit an Roboter abgeben
Roboter können gefährliche, monotone und anstrengende Aufgaben übernehmen. Bisher werden sie vor allem am Ende der Verpackungslinie eingesetzt, etwa beim Palettieren. Um ihr Potenzial auszuschöpfen, sollten Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten können. Aus Sicherheitsgründen kommt das allerdings bisher kaum vor – falls doch, werden die Roboter entweder verlangsamt oder eine Umhausung soll den menschlichen Kollegen vor Verletzungen schützen.
Doch inzwischen sind kollaborierende Roboter (Cobots) das am schnellsten wachsende Segment im Bereich Robotik. Ein Grund: neue Lernmethoden. Es muss nicht unbedingt zeitaufwendig ein komplexes Programm geschrieben werden – stattdessen lernen Cobots etwa inzwischen mithilfe digitaler Sensoren und intelligenter Software einen Bewegungsablauf, den ihnen ein Mensch demonstriert.
Auf der Interpack wollte Optima neben Konzepten für einen vollautomatischen Modul- und Werkzeugwechsel auch Cobots im Einsatz demonstrieren. Schubert hat einen Cobot-Baukasten entwickelt, der sich über ein Gesamtsystem einfach konfigurieren lassen soll. Mittels Künstlicher Intelligenz sollen die Cobots fähig sein, Zuführbänder und Formatteile wahrzunehmen und Benötigtes ohne vorhergehende Vereinzelung aufzunehmen.
Neben der Modularisierung könnten künftig auch Mietmodelle mit umfassendem Service für schnelle Anpassungen bei geringeren Investitionskosten sorgen – interessant etwa für kleine und mittlere Unternehmen, die so kein eigenes Spezial-Know-how aufbauen müssen. Flexible Lösungen ermöglicht auch der 3D-Druck: Unabhängig davon, wo die Anlage steht, lassen sich damit Bauteile rasch bereitstellen. Schubert hat eine Streaming-Plattform als virtuelles Teilelager konzipiert, über das sich sowohl Ersatz- und Verschleißteile als auch Roboterwerkzeuge abrufen lassen.
Das Tempo steigt
Know-how und frische Ideen finden sich auch außer Haus. Bei Beumer etwa will man „nicht darauf warten, dass uns junge Unternehmen (…) das Wasser abgraben“ sagt Gregor Baumeister. Die Gruppe sucht und fördert stattdessen vielversprechende Start-ups und trägt so digitale Projekte ins Unternehmen.
Offenheit ist wichtig – denn im Kontext Industrie 4.0 steigen die Anforderungen in hohem Tempo. Viele Verpackungsspezialisten weiten ihre Leistungen deshalb beständig aus: von Tools, die sich in Produktions- und Logistiksysteme integrieren, über Software-Plattformen bis zur Unterstützung und Beratung bei der Nachrüstung bestehender oder der Konzeption neuer Anlagen.