Decarbonisation & Sustainability Lebensmittelverschwendung: Das unsichtbare Problem

Ernest Neckhaim ist nach ersten Stationen in der Raumfahrt und als Vizepräsident der deutschen Schienenfahrzeugwerke bei Bombardier seit 15 Jahren als selbstständiger Unternehmensberater tätig. Mit seiner Neckhaim Consulting unterstützt er öffentliche und private Dienstleister wie die Stadt Wien, die ÖBB und die Firma Manner in Strategie- und Entwicklungsfragen.

Bild: Neckhaim Consulting
14.09.2020

Bruchware ist ein heikles Thema für die Lebensmittelindustrie. Nicht nur wirkt sie sich negativ auf den Umsatz aus, sie verursacht auch zusätzliche Recyclingkosten und schadet der Ökobilanz des Unternehmens. In der Branche wird das Thema deshalb oft stiefmütterlich behandelt – mit den neuen EU-Richtlinien werden schlecht aufgestellte Unternehmer in Zukunft aber noch mehr zu verlieren haben als nur ihren guten Ruf.

Ernest Neckhaim ist mit diesem Beitrag im P&A-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Prozessindustrie vertreten. Alle Beiträge des P&A-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.

Lebensmittelverschwendung ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Laut einer WWF-Studie wird in Deutschland circa ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen, jährlich sind das in etwa zwölf bis 18 Millionen Tonnen. Für unsere Wirtschaft und unseren Planeten ist das eine auf Dauer nicht haltbare Belastung.

Während die Menschen im Zuge von Klimadebatte und Fridays for Future zunehmend Acht auf ihr Konsumverhalten geben, gerät eine besonders wichtige Zahl oft in den Hintergrund: Ganze 17 Prozent aller weggeworfenen Lebensmittel gehen auf die produzierende Industrie zurück. Dabei handelt es sich um fehlerhafte Produkte, die schon während des Fertigungsprozesses aussortiert und entsorgt werden.

Im Bestfall fließen die dabei entstehenden Abfälle in die Futtermittelerzeugung oder werden für energetische oder sonstige industrielle Zwecke verwendet. Oftmals werden sie aber einfach zu Sondermüll, aus Perspektive des Umweltschutzes ein regelrechtes Desaster.

Bruchware ist ein großer Kostenpunkt

Das ist auch der Grund, warum das Thema in der Industrie oft stiefmütterlich behandelt wird. Denn vielen Unternehmern fehlt schlicht und ergreifend die wirtschaftliche Grundlage, um das Problem in Angriff zu nehmen.

Dabei ist Bruchware bereits jetzt ein nicht zu vernachlässigender Kostenpunkt, denn zu den finanziellen Ausfällen durch defekte Produkte kommen zusätzliche Recyclingpauschalen und Logistikkosten. Das wird sich in Zukunft noch verschärfen, denn die deutsche Regierung hat sich bis 2025 das Ziel gesetzt, die Lebensmittelabfälle um 20 bis 30 Prozent zu reduzieren. Unter Brancheninsidern werden in den nächsten Jahren verschärfte Auflagen für die Produktionsindustrie erwartet.

Die Idee für einen maschinellen Lösungsansatz kam mir im Rahmen einer Strategieberatung bei der Firma Manner. Dort bemühte man sich schon seit längerer Zeit besonders um nachhaltige Produktion und entpackte deshalb Ware, die nicht in den Handel kommen kann, von Hand, um sie wieder in den Fertigungsprozess zurückzubringen.

Ein aufwendiger und langwieriger Prozess, für den es aber – wie ich im Gespräch mit dem Produktionsleiter des Unternehmens während eines Firmenrundgangs erfuhr – keine wirkliche Alternative gab. Entweder man entpacke die Bruchware von Hand, oder man sähe sich gezwungen, die Bruchware als Sondermüll zu entsorgen. Da ein solches Vorgehen für Manner keine Option war, hatte man sich für den ersteren, deutlich aufwendigeren Weg entschieden.

Verpackung als eigentliches Problem

Das Problem, so wurde mir schlagartig bewusst, war überhaupt nicht die Bruchware selbst, sondern deren Verpackung. Ließe sich das Entfernen der Verpackung automatisieren, könnten Reworks theoretisch komplett am Fließband hergestellt werden. Sensoren zur Erkennung von Bruchware sind schließlich keine Neuheit, mit den passenden Anschlusskomponenten könnte die Bruchware in eine Maschine eingebracht, dort von ihrer Verpackung entfernt und dann problemlos wieder in den Produktionskreislauf eingebracht werden – und nichts müsste mehr weggeschmissen werden.

Damit war der Erfindergeist in mir geweckt, und ich machte mich an die Arbeit. Ein Jahr und viele Stunden der Tüftelei später wurde die von mir entwickelte Auspackmaschine auf den Namen „Skinner“ getauft und bei Manner in Betrieb genommen.

Aber was mich daran am meisten freut, ist, dass der Skinner zeigt, wie Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in unserer Zeit zusammengehören: Durch die Kosteneinsparungen bei Bruchware und Recycling rentierte sich der Skinner für Manner nach bereits vier Monaten.

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