Smart Traffic & Mobility „Man überlegt genau, wo man langfährt“

06.02.2013

Kaum einer ist heute wohl schon mehr mit dem Elektroauto unterwegs als Michael Wiese. Mit dem Pendler aus dem Kasseler Umland sprachen wir über Geld, Spaß, und Erfahrungen im Alltag.

Herr Wiese, Sie wohnen im Umland von Kassel. Wie alltagstauglich ist da ein Elektroauto?

Michael Wiese: Ich brauche noch einen Diesel mit drei Liter Hubraum für Fahrten, die ich mit meinem Elektroauto nicht machen kann. Wir wohnen auf einem Dorf und meine Frau hat ein Pferd. Eine Zuglast von 2,8 Tonnen - das geht eben mit einem Stromer von 20 kW nicht. Und ich möchte auch gerne mal mit meiner Familie nach Göttingen und zurück fahren oder noch weiter. Das kann ich mit meinem Stromer auch nicht machen.

Aber das Einkaufen im nächsten Dorf liegt doch noch innerhalb der Reichweite?

Genau, das will aber gut überlegt sein: Wenn meine Frau zur Arbeit fährt, dann nimmt sie den Stromer und ich fahre mit einem Kollegen. Wenn meine Frau nicht zur Arbeit muss und nicht auf das Auto angewiesen ist, dann nehme ich den Stromer und der Kollege fährt mit. Ich finde das eine fantastische Symbiose, sodass unser Stromer eigentlich jeden Tag beschäftigt ist.

Sie sind in knapp vier Jahren über 80.000 km mit einem Elektroauto gefahren. Haben Sie da eine Menge Geld gespart?

Ich rechne pro 100 Kilometer schon mal mit etwa 7 Euro Fixkosten für die Batterie, die ich kaufen muss, wenn die Lebensdauer abgelaufen ist. Das ist Geld, das man mit einkalkulieren muss. Und darauf kommt dann immer noch der Strompreis. Auf meinem täglichen Arbeitsweg brauche ich für die Hinfahrt 4 kWh, da rolle ich auf einigen Kilometern die Kasseler Berge runter, das Auto holt sich teilweise noch Energie zurück. Auf dem Rückweg fahre ich Vollgas, fast die ganze Strecke, dafür brauche ich 9 kWh.

Das wäre ja günstig...

Man liest oft: Volltanken für ein paar Euro. Aber um die Batterien bei modernen Elektrofahrzeugen zu ersetzen sind leicht bis zu 10.000 Euro fällig - Kosten, die nicht gerne erwähnt werden.

Einige Hersteller vermieten die Batterie - da sieht man sofort die monatlichen Kosten. Finden Sie das besser?

Das finde ich fantastisch. Renault zum Beispiel garantiert sogar Mobilität: Wenn die Kapazität des Akkus unter 70 % fällt, gibt es neue Batterien. Das finde ich fair und nimmt auch die Angst vor Fertigungsproblemen.

Der elektrische VW Golf, den Sie fahren, ist nun am Ende des Lebenszyklus.

Ja, ich bin sehr traurig. Siemens hat damals die Antriebstechnik entwickelt, aber es sind dann davon nur rund 120Stück gebaut worden.

Wie lang werden Sie den noch fahren können?

Ich schätze, dass ich ihn spätestens nächsten Sommer abgeben muss. Dann werden die Batterien am Ende sein.

Woran merken Sie, dass es zu Ende geht?

Ich komme die Kasseler Berge gerade mal noch mit 75km/h hoch.

Also sinkt auch die Leistung, nicht nur die Reichweite?

Ja, man merkt, dass er kraftlos wird. Er fährt zwar noch ganz wunderbar, aber er wirkt jetzt schon so ein bisschen müde, und die Reichweite geht runter. Ich schaffe jetzt im Herbst gerade noch 45 Kilometer, im Sommer waren es mal 80, inzwischen sind es nur noch so 60. Weil es sich um einen Bleigel-Akku handelt, setzt die Alterung schleichend ein. Die modernen Batterien halten länger, dann geht es aber ganz schnell zu Ende - so wie beim Akkuschrauber.

Wenn Sie sich heute erhältliche Elektroautos ansehen, wäre da was für Sie dabei?

Ich habe den Renault Twizy mal einen Tag getestet. Das hat mir Spaß gemacht, das ist wie der Ritt auf der Kanonenkugel. Jetzt gibt es ihn ja Gott sei Dank mit Aufsteckfenstern - ohne ist er ein reines Schönwetterfahrzeug. Aber aus dem Alter bis ich raus. Für meinen Sohn würde ich so ein Quad extrem witzig finden. Ich würde ihm eher einen Twizy als ein Moped kaufen, aber man darf ihn in der 80 km/h schnellen Version ja nicht mit dem kleinen Motorradführerschein fahren, den 16-Jährige machen können.

Was für ein Modell bleibt Ihnen also?

Ich habe da einen ganz klaren Favoriten. Uns hat der Kangoo total begeistert, obwohl ich jetzt nicht unbedingt auf Renault stehe. Nach dem „Ritt auf der Kanonenkugel“ fühlte sich das eher an wie der „fliegenden Teppich“, und das ist eben ein kleines Nutzfahrzeug. Der Zoe, der im Frühjahr kommen soll, hat eine absolut luxuriöse Reichweite, da kann ich mit meinem Stromer nur davon träumen. Den müsste ich wahrscheinlich nur zweimal die Woche laden. Und die Schnelllademöglichkeit finde ich sehr gut.

Obwohl Sie ein typischer Pendler sind, der bei seinem Arbeitgeber und daheim problemlos laden kann?

Dafür brauche ich das Schnellladen natürlich nicht. Aber mit 200 Kilometer Reichweite könnten wir mal Freunde in Osnabrück besuchen und am selben Tag zurückfahren.

Ohne genaue Planung geht das aber auch nicht.

Das lernen Sie mit dem Elektroauto: „Wo fahre ich hin? Kenne ich die Strecke? War ich da schon mal?“ Das sind so die ersten Gedanken.

Erzieht Sie das Elektroauto also?

Ja, man überlegt sehr genau, wo man langfährt, ob es vielleicht einen kleinen Umweg ohne Berge gibt.

Das Gespräch führte Dr. Karlhorst Klotz, Mobility 2.0

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