Energieintensive Großproduktion Mikrowellen als Ersatz für Industrieöfen getestet

Die Verfahrenstechnikerinnen Nicole Vorhauer-Huget (links) und Alba Dieguez Alonso bei Versuchsvorbereitungen am Mikrowellenreaktor

Bild: Jana Dünnhaupt, Universität Magdeburg
27.05.2022

Verfahrenstechniker der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wollen Mikrowellen in energieintensive und schwer kontrollierbare Produktionsverfahren bringen. Die Technologie stellt eine umweltschonende und zugleich schnelle Alternative zu fossilen Brennstoffen dar. Ihre Interaktion mit verschiedenen Materialien ist allerdings noch unklar.

An der Uni Magdeburg wird derzeit der Einsatz von Mikrowellen in Großproduktionsverfahren getestet. In besonders ausgestatteten Geräten untersuchen die Forscher unter kontrollierten Laborbedingungen chemische Prozesse, wie sie unter anderem in Hochtemperaturöfen stattfinden. Ziel ist es, den Verbrauch fossiler Brennstoffe signifikant zu reduzieren.

„Konventionelle Produktionsprozesse in Hochtemperaturöfen, zum Beispiel zur Herstellung von Keramik, Zement, Ziegeln oder Stahl, verbrauchen weltweit eine enorme Menge an Energie, die derzeit noch fast ausschließlich aus fossilen Ressourcen stammt“, sagt Junior-Professorin Alba Dieguez Alonso. Das führe zu hohen Kosten und CO2-Emissionen. „Wir suchen nach Wegen, den wachsenden Energieverbrauch durch fossile Brennstoffe bei diesen Großproduktionsprozessen zu senken“, ergänzt ihre Kollegin Nicole Vorhauer-Huget. „Unsere Alternative heißt: Mikrowellentechnologie.“

Wie in haushaltsüblichen Geräten, könnten damit statt fossiler Brennstoffe erneuerbare Energieträger wie Wind und Sonne eingesetzt werden. Mikrowellen wirkten darüber hinaus sehr schnell, das wisse jeder aus der Küche. „So könnte künftig auch bei Großproduktionsprozessen Zeit und damit viel Energie eingespart werden.“

Herausforderungen von Mikrowellentechnik

Allerdings, räumen die Verfahrenstechnikerinnen ein, sei die Interaktion der Mikrowellen mit den Materialien, die sich bei hohen Temperaturen durch chemische Reaktion im Prozess ständig verändern, größtenteils noch nicht gut verstanden. „Unser Forschungsansatz ist es deshalb, experimentell gewonnene Daten über Materialien, Reaktionen sowie die elektrischen Eigenschaften – die bestimmen, wie gut sich ein Material mit elektromagnetischer Strahlung erwärmen lässt – zu sammeln.“

Das stelle allerdings eine große Herausforderung dar, unterstreicht Alonso. „Viele während der Prozesse in der Mikrowelle auftretende Vorgänge sind sehr schnell und laufen dazu im Mikrometer- bis Nanometerbereich ab. Zudem ist der Mikrowellenreaktor durch ein Metallgehäuse abgeschirmt, und in ihm herrschen Temperaturen über 600 °C.“

Der speziell vom Unternehmen Püschner Mikrowellenenergietechnik für das Forschungsteam entwickelte Reaktor sei zwar ausgerüstet mit Wärmebildkameras, Waage, Druck- und Temperaturfühlern, zählt Alonso auf. Das reiche jedoch nicht aus, um die Abläufe wissenschaftlich fundamental zu erfassen oder für verschiedene Bedingungen und Materialien vorherzusagen.

„Hierfür sind wiederum zusätzlich aufwendige mathematische Computermodelle erforderlich, die wir jetzt entwickeln wollen. Damit können wir alle bisher nicht messbaren Interaktionen zwischen Materialien, Reaktionen und elektromagnetischen Wellen auf verschiedensten Größenskalen erfassen“, sagt Vorhauer-Huget. „Wir beobachten also die Eigenschaften des Ausgangsstoffs: Wie schnell erwärmt er sich? Welche Prozessbedingungen müssen geschaffen werden, damit die Reaktionen möglichst effizient ablaufen? Davon lassen sich dann wiederum bestimmte Annahmen über die Prozesssteuerung während der Produktion ableiten und Aussagen zur Produktqualität treffen.“

Grundlage für neue Verfahren

Letztendlich bestimmen die Prozessparameter in einem Hochtemperaturofen sowohl die Produkteigenschaften wie Porosität und Festigkeit als auch die chemische Zusammensetzung von Produktgasen und -flüssigkeiten. Vorhauer-Huget: „Da die Mikrowellenerwärmung im Vergleich zu konventionellen Verfahren mit heißen Gasen oder Wärmestrahlung grundsätzlich andere Prozessbedingungen ermöglicht, könnten künftig Produkteigenschaften gezielt verändert und optimiert werden. Auf der Grundlage der Forschung könnten also in Zukunft neue Verfahren zur Gewinnung nachhaltiger Produkte bereitstehen.“

Das Forschungsvorhaben von Alba Dieguez Alonso und Nicole Vorhauer-Huget ist ein Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs SFB/Transregio 287 Bulk-Reaction. In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit fast zehn Millionen Euro unterstützten Vorhaben entwickeln rund 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Magdeburg, Bochum und Kiel aus den Ingenieurwissenschaften, der Informatik und der Physik Computersimulationsmodelle für Großproduktionsverfahren.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel