Rund 220 kg Verpackungsmüll fallen jährlich in Deutschland pro Kopf an – ein Spitzenwert in Europa. Das Umweltbewusstsein der Menschen allerdings wächst: Nach einer Umfrage von Accenture wollen fast 80 Prozent der deutschen Verbraucher künftig gezielt umweltfreundlichere Produkte kaufen; knapp die Hälfte ist bereit, mehr dafür zu bezahlen.
Seit Jahresbeginn gilt das neue Verpackungsgesetz und auch die EU hat sich höhere Ziele beim Recycling gesetzt. In diesem Kontext hat die Fachpack 2019, die europäische Fachmesse für Verpackungen, Prozesse und Techniken, das Leitthema „Umweltgerechtes Verpacken“ gewählt. Auf der Messe werden Lösungen und Innovationen präsentiert, die es ermöglichen sollen, Ressourcen zu schonen, ohne dabei Abstriche bei der Qualität – etwa der Schutzfunktion für das Produkt und der Attraktivität für die Endkunden – zu machen.
Recycelte Mozzarella-Verpackung
Eine Unzahl von Materialien, Mehrschichtfolien und Verunreinigungen erschweren das Recycling von Kunststoffen. Will man wiederverwerteten Kunststoff für sensible Waren wie Lebensmittel einsetzen, dürfen zudem keine bedenklichen Reststoffe enthalten sein. Ein wesentlicher Teil wird deshalb immer noch verbrannt.
Um diese Probleme zu lösen, wird intensiv geforscht. Ein von der EU gefördertes multidisziplinäres Forschungsprojekt zur Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen (C-Planet) ist gerade in der Startphase. Den Europäischen Erfinderpreis 2019 erhielten Klaus Feichtinger und Manfred Hackl vom österreichischen Unternehmen Erema für ihre Counter-Current-Technologie, die es erlaubt, eine größere Palette vom Kunststoffabfällen zu Regranulat zu verarbeiten. Und das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV hat mit dem lösemittelbasierten CreaSolv-Prozess bereits ein anpassbares Verfahren entwickelt, das etwa eine saubere Trennung von Kunststoffverbünden oder kontaminierten Haushaltsabfällen möglich machen soll.
Einen Prototyp einer Lebensmittelverpackung aus recyceltem Material stellten kürzlich vier große Unternehmen vor: Aus recyceltem Polyamid von der BASF und nachhaltig hergestelltem Polyethylen von Borealis produzierte Südpack eine versiegelte Mehrschichtfolie, in die Zott seinen Mozzarella verpacken kann. Bei der Kennzeichnung setzt Bizerba an: Etiketten aus Monomaterialien (PP oder PE) erleichtern das Recycling, während sich Bio-Folienetiketten aus Zuckerrohrgranulat einfacher von der Verpackung lösen oder abwaschen lassen.
Alternativen zu erdölbasiertem Kunststoff
Biokunststoffe sollen helfen, die CO2-Bilanz zu verbessern. Zwar gibt es inzwischen für fast jeden Einsatzzweck eine Alternative aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Zucker oder Algen. Doch ihr Anteil bei Verpackungen ist noch gering. Sind die Biokunststoffe nicht chemisch identisch zu den herkömmlichen Materialien, müssen zur Verarbeitung neue Prozesslösungen entwickelt werden. Und beim Recycling steht man vor vergleichbaren Problemen wie bei erdölbasierten Kunststoffen.
Für Papier und Pappe gibt es bereits einen bewährten Wiederverwertungskreislauf – Hersteller bemühen sich deshalb, diesen Rohstoff vermehrt einzusetzen. So haben Bosch Packaging Technology und der Papierhersteller BillerudKorsnäs mit Pearl ein Verpackungskonzept auf der Basis dreidimensional formbarer Papierkapseln entwickelt. Mit entsprechenden Beschichtungen versehen, lassen sich papierbasierte Verpackungen zum Beispiel auch für Lebensmittel einsetzen und das Material kann wieder in den Recyclingprozess wandern. Sappi etwa hat mit Sappi Seal ein Papier mit Wasserdampfsperre und Heißsiegelfähigkeit entwickelt.
Sparsamkeit lohnt sich
Ein wichtiger Ansatzpunkt ist der effizientere Umgang mit den Rohstoffen. Bei Kunststoffen, Glas und Aluminium gibt es bereits Fortschritte mit dünneren Verpackungen. Bonus: Wer weniger Material braucht, spart Rohstoff und Energie. Ein geringeres Gewicht und weniger Raumbedarf bedeuten Kostenvorteile bei Lagerung und Transport.
Als Alternative zu Blistern hat Romaco Siebler mit dem Folienspezialisten Huhtamaki Push Packs entwickelt. Für die durchdrückbare Streifenverpackung aus PVC-freier Verbundfolie wird weniger Material verwendet. Auch die Verpackungsprozesse selbst lassen sich optimieren: Der Sammelpacker Elematic 2001 von Bosch etwa benötigt nicht nur selbst weniger Platz, sondern soll mit einer neuartigen Zuschnitttechnik weniger Ausschuss produzieren. Einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt man bei Beumer: Ein Sustainability-Index soll die Kunden über verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte der Produkte informieren – unter anderem den Energieverbrauch des Antriebs oder die Verwendbarkeit besonders dünner Folien.
Unternehmen können bereits heute umweltfreundlichere Lösungen für Verpackung und Kennzeichnung ihrer Produkte wählen. Gegebenenfalls seien dafür allerdings Mehrinvestitionen nötig, sagt Carsten Redweik, Vertriebsleiter Papier + Etiketten Deutschland bei Bizerba. Und Christoph Krombholz, Marketing Manager Industrie bei Loesch, weist darauf hin: „Die Wahl des Verpackungsmaterials betrifft unsere Kunden. Hier können wir nur Empfehlungen geben oder sagen, was möglich ist.“ Sein Unternehmen arbeite deshalb nicht nur daran, die Maschinen hinsichtlich der Verarbeitung nachhaltiger Verpackungsmaterialien zu verbessern, sondern auch daran, den Kunden die Angst zu nehmen, solche Materialien einzusetzen.
Serialisierung bei Arzneimitteln
Seit Februar 2019 gilt in der Europäischen Union eine Richtlinie, die unter anderem für jede Medikamentenpackung die Vergabe einer eindeutigen Seriennummer verlangt. Das erfordert eine enge Verknüpfung der Prozesse bei Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung. Medikamente für kleine Gruppen oder einzelne Patienten erfordern hochflexible Anlagen. Auch in anderen Branchen setzen sich immer kleinere Losgrößen und schnellere Produktwechsel durch.
Track & Trace und Fälschungsschutz sind etwa in der Kosmetik- oder Lebensmittelindustrie ebenfalls wichtige Themen. Dazu kommen die Herausforderungen durch den Onlinehandel. Kennzeichnungssysteme, die die Produkte in jeder Phase der Herstellung und Distribution exakt identifizierbar machen, sind damit ein wichtiger Faktor der Prozesssteuerung, der Lagerverwaltung sowie der Vertriebslogistik.
Durch die Vernetzung der Produktionsprozesse rücke der moderne Digitaldruck in den Fokus der Etikettenspezialisten, sagt Carsten Redweik von Bizerba. Die immer vielfältigeren Anforderungen lassen sich daher nur mit flexiblen Systemen lösen. Die Kennzeichnung durch Bar- und QR-Codes sowie RFID erlaubt es in Verbindung mit Produktionssteuerungs- und ERP-Software, alle Prozesse transparent und flexibel zu steuern. Vor allem RFID-Tags bieten mehr Möglichkeiten. Sie müssen nicht sichtbar sein, um ausgelesen zu werden, und sie erlauben komplexere Anwendungen, etwa wenn es um die Kühlkette oder die Steuerung des Warenein- und Warenausgangs geht. Sie dürften sich deshalb mehr und mehr durchsetzen, nicht zuletzt im Bereich Mehrweg, bei Paletten und Umverpackungen.
Anpassungsfähigkeit ist gefragt
Kleine Losgrößen, schnelle Produktwechsel – das erfordert einen flexiblen Maschinenpark. Modulare Konzepte sind ein Ansatz, Roboter ein weiterer. Sie lassen sich für neue Aufgaben programmieren und anders ausstatten. Beumer etwa bietet einen Knickarmroboter, der mit wechselnden Greifwerkzeugen verschiedenste Gebinde palettieren kann. Bei Schubert arbeitet man an einem Cobot, einem Industrieroboter, der keinen Schutzraum benötigt, und nutzt 3D-Druck, um rasch neue Werkzeuge nach Kundenanforderungen zu produzieren.
Durch steigenden Kosten- und Zeitdruck wird eine hohe Verfügbarkeit der Anlagen immer wichtiger. Minebea hat deshalb für seine Wäge- und Inspektionslösungen eine App entwickelt, die Kontakt zum Service herstellt. Dieser leitet weltweit Anwender per Augmented Reality (AR) an und unterstützt sie bei der Lösung von Problemen. Romaco bietet ein Fernwartungssystem, bei dem der Techniker vor Ort mittels einer Datenbrille mit den Experten kommunizieren kann. Bausch+Ströbel setzt AR unter anderem auch für Schulungen ein.
Digitalisierung erfordert Offenheit
Integration von Produktion, Verpackung, Kennzeichnung, Logistik und Predictive Maintenance – Industrie 4.0 funktioniert nur, wenn man bereit ist, Daten zu teilen. Dagegen hätten viele Kunden Bedenken, erzählt Christoph Krombholz von Loesch. Diese müsse man ausräumen, damit sie auch die Vorteile bereits vorhandener Lösungen nutzen können. Die Abfrage des Maschinenstatus für die Fernwartung von Romaco erfolgt deshalb zum Beispiel ohne Zugriff auf die Steuerung.
Der Trend geht außerdem hin zu umfassenderen Dienstleistungen. Schubert etwa will mit Grips World eine Plattform für die digitale Verbindung zwischen Maschine, Kunde, Hersteller und künftig auch Lieferanten bereitstellen. Sie soll später Predictive Maintenance ermöglichen. Zudem offeriert das Unternehmen Beratungs- und Turnkey-Leistungen.
Die Digitalisierung erfordert also vor allem Offenheit und Agilität: Wer umfassende Services und Systeme bereitstellt, muss Produkte von Drittanbietern integrieren; und womöglich steht er mit seinem Konzept bald nicht mehr allein da. Gregor Baumeister, Leiter des Geschäftsbereichs Palettier- und Verpackungssysteme bei Beumer, macht deshalb noch einmal deutlich: „Eine klassische, technische Innovation können wir patentieren, das ist bei Software schon deutlich schwieriger und bei Geschäftsmodellen fast unmöglich.“
Die Fachpack 2019 findet vom 24. bis 26. September in Nürnberg statt.