Enzyme werden in der Natur zum Beispiel von Bakterien genutzt, um Pflanzenteile zu zersetzen. Dass einige von ihnen, sogenannte polyesterspaltende Hydrolasen, auch PET abbauen können, ist schon länger bekannt. Als ein besonders effektiver „Plastikzersetzer“ gilt beispielsweise das Enzym LCC, das 2012 in Japan entdeckt wurde.
Nach bislang unbekannten Vertretern dieser biologischen Helfer sucht das Team um Nachwuchswissenschaftler Dr. Christian Sonnendecker von der Universität Leipzig. Auf dem Leipziger Südfriedhof wurden sie fündig: Die Forscher hatten dort gezielt Proben von Laubkompost genommen und fanden in einer von ihnen den Bauplan eines Enzyms, das im Labor in Rekordgeschwindigkeit PET zersetzte.
Doppelt so aktiv wie bisheriger Spitzenreiter
Sieben verschiedene Enzyme untersuchte das Team vom Institut für Analytische Chemie, der siebte Kandidat mit dem Titel PHL7 erreichte deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse. In den Tests gaben die Forschenden PET in Behälter mit einer wässrigen Lösung, die entweder PHL7 oder LCC, also den bisherigen Spitzenreiter bei der PET-Zersetzung, enthielt. Dann maßen sie die Menge an Plastik, die in einer bestimmten Zeitspanne abgebaut wurde, und verglichen die Werte miteinander.
Das Ergebnis: Innerhalb von 16 Stunden zersetzte PHL7 das PET zu 90 Prozent, in der gleichen Zeit schaffte LCC einen Abbau von gerade einmal 45 Prozent. „Unser Enzym ist also doppelt so aktiv wie der Goldstandard unter den polyesterspaltenden Hydrolasen“, sagt Sonnendecker. Eine Kunststoffschale, in der im Supermarkt zum Beispiel Weintrauben verkauft werden, ließ sich mit PHL7 in weniger als 24 Stunden zersetzen.
Die Forscher fanden heraus, dass ein einziger Baustein des Enzyms für die überdurchschnittlich hohe Aktivität verantwortlich ist. An der Stelle, wo andere bereits bekannte polyesterspaltende Hydrolasen einen Phenylalanin-Rest enthalten, trägt PHL7 ein Leucin.
Umweltfreundliches Recycling
Biologisches PET-Recycling weist einige Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Methoden auf. Diese setzen vor allem auf thermische Verfahren, bei denen Plastikmüll bei hohen Temperaturen eingeschmolzen wird. Der Prozess kostet viel Energie, und die Qualität des Kunststoffs sinkt mit jedem Recyclingzyklus.
Enzyme hingegen benötigen für ihre Arbeit lediglich eine wässrige Umgebung und eine Temperatur von 65 bis 70 °C. Ein weiterer Pluspunkt: Sie zersetzen das PET in seine Bestandteile Terephthalsäure und Ethylenglycol, aus denen sich im Anschluss neues PET herstellen lässt – ein geschlossener Kreislauf entsteht. Bislang wird biologisches PET-Recycling jedoch nur von einer Pilotanlage in Frankreich erprobt.
„Das in Leipzig entdeckte Enzym kann einen wichtigen Beitrag bei der Etablierung von alternativen energiesparenden Plastikrecyclingverfahren leisten,“ sagt Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann, der den Forschungsbereich zu enzymbasierten Technologien an der Universität Leipzig maßgeblich aufgebaut hat. „Aufgrund der enormen Probleme, die durch die weltweite Belastung der Umwelt mit Plastikabfällen entstanden sind, gewinnen umweltfreundliche Verfahren zur Wiederverwendung von Plastik in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Der jetzt in Leipzig entwickelte Biokatalysator hat sich als hochwirksam bei der schnellen Zersetzung von gebrauchten PET-Lebensmittelverpackungen gezeigt und eignet sich für eine Anwendung in einem umweltfreundlichen Recyclingverfahren, bei dem aus den Abbauprodukten wieder neues Plastik hergestellt werden kann.“
Geringere Kosten erwartet
Die Forscher aus Leipzig hoffen, dass das neu entdeckte Enzym PHL7 das biologische Recycling auch in der Praxis weiter voranbringen wird, und suchen dafür nach Industriepartnern. Sie sind überzeugt, dass sich durch die höhere Geschwindigkeit die Kosten für das Recycling deutlich reduzieren lassen. In den kommenden zwei bis drei Jahren soll ein Prototyp entstehen, der es erlaubt, die ökonomischen Vorteile ihres Verfahrens genauer zu beziffern.
Wissenschaftler am Institut für Analytische Chemie im Arbeitskreis von Prof. Dr. Jörg Matysik wollen außerdem die Struktur und Funktionsweise der Enzyme mittels NMR-Spektroskopie aufklären. Darüber hinaus arbeiten sie an einer neuen Vorbehandlungsmethode, die ein Problem des biologischen Recyclings lösen soll: Die PET-Zersetzung durch Enzyme funktioniert bislang nur für sogenanntes amorphes PET, das zum Beispiel für Obstverpackungen verwendet wird, nicht aber für Plastikflaschen, die aus sogenanntem gestrecktem PET bestehen.
Die Ergebnisse der Arbeit, die ihm Rahmen der Drittmittelprojekte Miplace und Enzycle von der EU gefördert wurde, wurden im wissenschaftlichen Journal ChemSusChem veröffentlicht und als Titelthema ausgewählt.