Polypropionate sind Naturprodukte mit lebensrettender Bedeutung. Sie werden für die Herstellung von Reserve-Antibiotika benötigt – Präparate, die nur bei Infektionen mit arzneimittelresistenten Bakterien eingesetzt werden. In der Natur können sie dabei in zwei verschiedenen Varianten vorkommen. Auch wenn sie die gleiche Molekülformel aufweisen, kommen sie in spiegelbildlicher Form vor – vergleichbar einer rechten und einer linken Hand. In der Chemie spricht man von Chiralität.
„Das Interessante daran ist, dass die spiegelbildlichen Formen sehr unterschiedliche Eigenschaften haben können“, erklärt Prof. Dr. Andreas Gansäuer vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. „Ein sehr bekanntes Beispiel ist sicherlich das Molekül Carvon, dessen rechtsdrehende Variante nach Kümmel riecht, die linksdrehende Variante wiederum Pfefferminze seinen Geruch verleiht.“
Auch in vielen Medikamenten werden Moleküle eingesetzt, deren spiegelbildliche Formen unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. „Die unterschiedlichen Eigenschaften führen auch zu unterschiedlichen Wirkungen im Körper. Es ist daher von größter Bedeutung, in Medikamenten die benötigte Form zu verwenden“, sagt Gansäuer, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn ist. „Polypropionate kommen zwar in der Natur vor, für die Medikamentenherstellung benötigen wir sie aber in hoher Selektivität – also in einer bestimmten Variante – und in hoher Reinheit“, beschreibt Gansäuer das Problem. „Bisher ist der Herstellungsprozess von synthetischen Polypropionaten allerdings sehr kompliziert und aufwendig.“
Insgesamt acht unterschiedliche Formen
Er und sein Team haben nun eine Methode entwickelt mit der sich die gewünschten Varianten einfach herstellen lassen. „Wir können aus einem Ausgangsstoff, einem Alkohol, acht unterschiedliche Varianten herstellen“, so Gansäuer. Polypropionate sind chemische Verbindungen, die aus Kohlenwasserstoffketten bestehen, an denen abwechselnd Methyl- und Hydroxylgruppen binden. „Durch die je vier verschiedenen Bindungspartner, die an die drei Kohlenstoffatome der Ketten binden, erhalten wir insgesamt acht unterschiedliche Formen, von Polypropionaten, die wir Isomere nennen.“
Zu den bereits bekannten Methoden, um die ersten vier Vorläufer der acht Isomere herzustellen, haben die Bonner Forschenden die sogenannte Hydrosilylierung hinzugefügt: „Die spiegelbildlichen Varianten kommen hierbei zustande, indem wir entweder Fluorid für die rechtshändige Variante oder Titan für die linkshändige Variante hinzufügen.“ Das Vorgehen kann man sich wie Verzweigungen an einem Baum vorstellen: Es beginnt am Stamm, in diesem Fall dem Alkohol.
In einem ersten Schritt gehen von diesem zwei Äste ab: die Herstellung von einem Epoxid – einem dreigliedrigen Ring mit einem Sauerstoffatom – in spiegelbildlichen Varianten. Von diesen zwei Ästen gehen wiederum wieder jeweils zwei Äste ab, indem jeweils ein Olefin, eine Kohlenstoff-Doppelbindung, hinzugefügt wird. Und von diesen nun vier Ästen gehen im letzten Schritt, der Hydrosilylierung der Epoxide, insgesamt acht Zweige ab.
Nachhaltigere Methode
Die Methode bringt verschiedene Vorteile mit sich: „Unsere Methode funktioniert bei Raumtemperatur. Bisher mussten einige der Reaktionen bei sehr tiefen Temperaturen durchgeführt werden. Zudem werden keine Edelmetalle als Katalysator mehr benötigt, so dass unsere Methode nachhaltiger ist“, freut sich Gansäuer.
„Unsere Arbeiten können als Grundlage für die Synthese von Medikamenten angewendet werden“, sagt Gansäuer. „Für die Herstellung von Arzneimitteln weiß man im Vorfeld nie, welche Form eines Stoffes benötigt wird. Im Substanz-Screening werden oft tausende von Isomeren getestet, um die passende Verbindung zu finden. Kann man, wie hier gezeigt, acht verschiedene Formen herstellen, kann man auch beliebig viele andere interessante Substanzen herstellen. So ist die Chance größer, eine wirksame Struktur zu finden."