Ungeahnte Möglichkeiten für Medizin und Materialwissenschaft Neue Zelluloseart öffnet bunte Perspektiven

publish-industry Verlag GmbH

Zellulose ist ein wichtiger Rohstoff, zum Beispiel für die Papierherstellung. Forscher haben nun einen neuen Zellulosetypen entdeckt, der beispielsweise in der Kraftstoffherstellung und der Medizin neue Perspektiven eröffnet.

23.01.2018

Ein Team von Forschern aus Berlin und Kalifornien hat einen neuen Zellulosetypen entdeckt, der verschiedenen Bereichen – von der Energiebranche bis hin zur Medizin – völlig neue Möglichkeiten eröffnen könnte. So ließe sich damit Ethanol günstiger und nachhaltiger herstellen und Infektionen gezielter bekämpfen.

Sponsored Content

Pflanzen, Algen und einige Bakterienarten produzieren Zellulose – ein reichhaltiges Molekül, das weltweit als einer der wichtigsten Werkstoffe biologischer Herkunft gilt. Als Hauptkomponente pflanzlicher Zellwände verleiht Zellulose Pflanzen Festigkeit und Biegsamkeit. Holz, Baumwolle und Leinen bestehen fast ausschließlich aus diesem Material und auch in zahlreichen Produkten, von Papier über Stoffe bis hin zu nachwachsenden Baustoffen, ist Zellulose zu finden. Es ist außerdem ein Ausgangsmaterial für die Herstellung von Ethanol.

Ein glücklicher Zufallsfund in der Matrix

Obwohl Zellulose eines der am besten untersuchten Polymere in der Natur ist, hat ein Forschungsteam bestehend aus Prof. Dr. Regine Hengge von der Humboldt- Universität zu Berlin und ihrer Kollegin Prof. Dr. Lynette Cegelski von der Stanford University in Kalifornien nun eine überraschende Entdeckung gemacht. Sie fanden heraus, dass Bakterien Zellulose nicht nur erzeugen, sondern durch ein Enzym auch in der Lage sind, diese chemisch zu verändern.

Ursprünglich hatte Cegelskis Mikroben und die Matrix aus schleimartigen Materialien untersucht, die sie umgibt. Diese Matrix erfüllt viele Funktionen für die bakterielle Gemeinschaft, etwa ihre gemeinsame Nutzung von Nährstoffen und den Schutz vor Antibiotika und dem Immunsystem des Wirts. In diesem extrazellulären Gitterwerk entdeckte das Team ursprünglich eine modifizierte Form von Zellulose. Diese war bisher unentdeckt geblieben, weil traditionelle Labortechniken raue Chemikalien miteinbeziehen, die diese Änderung bisher entfernt haben.

Ethanol günstiger herstellen

Die Forscher versuchten deshalb, die neuartige Zellulose, den sie pEtN nennen, besser zu verstehen. Dabei entdeckten sie, dass diese neue Form Eigenschaften besitzt, die gegenüber anderen Zellulosequellen – wie Pappel – die Herstellung von Ethanol für Kraftstoffe verbessern können. So bildet die modifizierte Zellulose keine Kristalle und ist relativ wasserlöslich.
Nach Ansicht der Forscher könnte dies die Umwandlung in Glukose – das Ausgangsmaterial für die Ethanolherstellung – einfacher und deutlich kostengünstiger machen.

Derzeit lässt sich Ethanol günstig aus den zuckerhaltigen Kernen von Mais herstellen. Mais kann jedoch nur in begrenzten Gebieten wachsen, und die Ethanolproduktion konkurriert mit Mais als Nahrungsquelle. Aus Zellulose hergestelltes Ethanol ist zwar teurer, nutzt aber die gesamte Pflanze und konkurriert nicht mit einer Nahrungsquelle, da es in vielen Gebieten angebaut werden kann. Der neu entdeckte Zellulosetyp würde alle Vorteile der traditionellen Zellulose bieten, allerdings zu geringeren Kosten.

Modifizierte Zellulose soll neue Anhaltspunkte für medizinische Anwendungen geben

Die Entdeckung der neuen Zellulose eröffnet auch neue Perspektiven in der Bekämpfung von Krankheiten. Krankheitserreger wie Salmonellen modifizieren Zellulose, um sich zu Biofilmen zu verbinden. Sie schützen sich so vor Antibiotika und dem Immunsystem und können chronische Infektionen verursachen. Die Forscher untersuchen nun, ob die Hemmung der Produktion bei der Behandlung dieser Infektionen helfen könnte. Zudem untersuchen sie die mechanischen Eigenschaften von pEtN im Vergleich zu anderen Zelluloseformen.

Die Forscher versuchen nun, Pflanzenbiologen zu finden, die bei der Einführung von Genen helfen, mit denen die modifizierte Zellulose aus Bakterien in Pflanzen umgewandelt werden kann. Pflanzen produzieren mehr Zellulose und sind leichter in großem Maßstab zu züchten. So wäre es möglich, das Zellulose-Volumen zu produzieren, das für die meisten Anwendungen benötigt wird. Darüber hinaus untersuchen sie durch gezieltes molekulares Design des Enzyms in Zukunft weitere Varianten von Zellulose mit bisher völlig ungeahnten Materialeigenschaften zu erzeugen.

Verwandte Artikel