Seit Ende des vergangenen Jahres sind die Rohstoffpreise für Verpackungen teilweise sprunghaft angestiegen. So ist das vom Verband der Wellpappen-Industrie (VDW) auf Basis von EUWID-Daten berechnete Preisniveau für alle Papiersorten im Februar 2021 um 16,2 Prozent höher ausgefallen als im Vergleichsmonat 2020. Bei den gängigsten braunen Sorten auf Altpapierbasis wurden von September 2020 bis Februar 2021 einen Anstieg von 110 Euro pro Tonne verzeichnet.
Auch der globale Papiermarkt zog 2021 weiter an, getrieben von höheren Preisen für Wellpappe sowohl in China als auch in der EU. Die starke Nachfrage, die vor allem auf den boomenden Onlinehandel zurückzuführen ist, führte in Verbindung mit der Pandemie und geplanten Wartungsarbeiten in Papierfabriken zu Lieferengpässen und zu weiter steigenden Preisen. Das berichtet der Marktanalyst Mintec.
Darüber hinaus verursachten die Lockdowns in den meisten europäischen Ländern einen Mangel an Recyclingmaterial. Dieser wurde durch den Brexit noch einmal verschärft.
Auch Kunststoff vom Preisanstieg betroffen
Die höheren Papierpreise sowie steigende Kosten für Betriebs- und Hilfsmittel setzten die Verpackungsbranche bei sinkenden Erlösen also immer stärker unter Druck. Im Zuge der Umstellung vieler Unternehmen auf nachhaltigere Verpackungen kommt aber inzwischen vermehrt Papier zum Einsatz. Hersteller stehen nun vor dem Problem, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit unter einen Hut zu bringen.
Ein Umstieg auf Kunststoffe ist für viele aber auch keine Alternative – nicht nur aus Nachhaltigkeitsaspekten, sondern auch, weil die Rohstoffe für Kunststoffe ebenfalls angezogen haben. So sind die Preise für HDPE-Flachfolien, aber auch PE-LD, PE-LLD sowie PP merklich gestiegen. Je nach Material klettern die Preise in Einzelfällen im Vergleich zum dritten und vierten Quartal 2020 um bis zu 100 Prozent nach oben, wie der Industrieverband Papier- und Folienverpackungen (IPV) berichtet.
Reaktion auf steigende Rohstoffpreise?
Laut IPV ist die Nachfrage nach faserbasierten Produkten als Ersatz für Kunststoffverpackungen deutlich und wird seit einigen Jahren als spürbarer Trend wahrgenommen. Fast 89 Prozent der IPV-Mitglieder spüren einen starken oder sehr starken Kundendruck nach mehr faserbasierten Lösungen. Die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe und die gute Recyclingfähigkeit werden oft als Vorteile genannt, gleichauf mit dem Wunsch der Vermeidung von Kunststoffeintrag in die Umwelt.
Obwohl die Hersteller kaum Einfluss auf die aktuellen Preissteigerungen haben, gibt es doch einige Möglichkeiten, sich etwas unabhängiger von globalen Marktentwicklungen zu machen. Zum einen erlauben moderne Technologien und neu gedachtes Verpackungsdesign eine Reduktion des Verpackungseinsatzes. Zum anderen können Unternehmen auf ein immer größeres Angebot an alternativen Materialien zurückgreifen. Qualität und Maschinengängigkeit sind kaum mehr ein Problem, wenn zum Beispiel alternative Faserrohstoffe für Verpackungspapiere verwendet werden.
Zellulose nicht endlos wiederverwertbar
Nachdem Hersteller geklärt haben, dass für ihre Anwendung faserbasierte Verpackungsmaterialien die nachhaltigere Lösung im Vergleich zu anderen Materialien sind, gibt es auch hier noch einiges zu beachten: Woher stammen die Fasern? Sind sie beispielsweise FSC zertifiziert? Auch sollte Firmen bewusst sein, dass Zellulosefasern sich nicht endlos oft wiederverwerten lassen. Nach dem sechsten Mal ist meist Schluss. Dann müssen Frischfasern hinzugefügt werden, um die Papierqualität sicherzustellen.
Bei Frischfasern aus Hölzern können sich Hersteller mit Siegeln wie FSC auf eine nachhaltig erzeugte Herkunft der Rohstoffe berufen. Noch nachhaltiger wird das Papier durch Alternativen wie Abfallprodukte aus Sägewerken, beispielsweise Holzspäne und Sägemehl, die sich für Pappe und Rohkraftpapier eignen.
Verpackungen aus Spargel und Hafer
Neben Holz als nachwachsendem Rohstoff gibt es inzwischen einige weitere Quellen für die Papierherstellung. Verpackungen und Etiketten aus Graspapier haben bereits auf der vergangenen Fachpack Wellen geschlagen. So lässt das Material in puncto Optik, Barrierewirkung, Maschinengängigkeit und Recyclingfähigkeit keine Wünsche offen.
Inzwischen sind weitere Rohstoffquellen wie Spargelabfälle hinzugekommen. Denn nur die Hälfte der weltweiten Spargelproduktion wird als Lebensmittel verwendet, zurück bleibt ein faserreicher Rohstoff. Ein Forschungsprojekt der Hochschule München hat nach Wegen gesucht, Spargelabfälle für die Papier- und Verpackungsherstellung zu nutzen. Aus dem Spargel lässt sich Fasermaterial gewinnen, das dann mithilfe eines Laborfasergussverfahrens zu Beerenschalen verarbeitet wurde.
Einen weiteren ungenutzten Rohstoff hat der finnische Süßwarenhersteller Fazer Bakery ausgemacht: eine Brottüte aus Haferspelzen, die als Nebenprodukt des eigenen Hafermahlprozesses anfallen. Die neuartige Brottüte besteht zu 25 Prozent aus Haferspelzen und kann als Kartonage recycelt werden.
Potenzialträger Silphie-Papier
In heimischen Gefilden wächst ebenfalls die Silphie-Pflanze. Sie bietet mit ihren Blüten nicht nur Insekten Nahrung, sondern lässt sich auch für die Faser- und Papierproduktion nutzen, wie die Unternehmen OutNature und PreZero unter Beweis stellen. Nach einer erfolgreichen Pilotphase sind Verpackungen auf Basis der Silphie-Pflanze nun erstmals im Bereich Obst und Gemüse bei Kaufland im Handel.
Eingesetzt werden kann Silphie-Papier bei einer Vielzahl von Papieranwendungen. Im Vordergrund stehen dabei Verpackungsanwendungen, insbesondere solche mit direktem Lebensmittelkontakt. Für die neuartige Idee, aus Silphie-Fasern nachhaltige Verpackungen herzustellen, wurde OutNature Ende 2020 mit dem Deutschen Verpackungspreis in der Kategorie „Neues Material“ ausgezeichnet. Anfang 2021 folgte der Gewinn des WorldStar Award der World Packaging Organisation (WPO) in der Kategorie „Packaging Materials & Components“.
Fazit
Steigende Preise auf der einen Seite können zu Innovationsschüben auf der anderen Seite führen. Da bei Rohstoffpreisen auch absehbar keine Erleichterung zu erwarten ist, tun Unternehmen gut daran, ihre Lieferketten zu verkürzen und nach alternativen Quellen zu suchen. Neben einer besseren CO2-Bilanz gibt es eine positive Außenwahrnehmung als Bonus obendrauf.