Per- und Polyfluoralkylsubstanzen – kurz PFAS – sind industriell hergestellte Chemikalien mit einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl an Zusammensetzungen. Sie sind so etwas wie Universaltalente in der Chemie: verhältnismäßig günstig herzustellen und überall da einsetzbar, wo es um besonders widerstandsfähige, glatte, öl- und wasserabweisende Oberflächen und Vollmaterialien geht. Sie sind temperatur- und chemikalienbeständig, werden als Hilfsmittel in der Produktion eingesetzt und sind selbst Bestandteil vieler Produkte – zum Beispiel in Lebensmittelverpackungen, Kosmetika, Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln, Textilien, Imprägnierungsmitteln und Löschschäumen. In die Umwelt gelangen sie durch Abwässer, als Abrieb oder Aerosol, sowie über die Ackerböden ins Grundwasser und in die Nahrungskette.
Dort bleiben sie bestehen – als „Ewigkeits-Chemikalien“ können sie nicht auf natürlichem Wege abgebaut werden. In der EU ließen sich PFAS in mehr als 70 Prozent der Grundwasser-Messtellen nachweisen . Der „Nordische Ministerrat“, ein Zusammenschluss vor allem skandinavischer Länder, hat 2019 eine Studie zu den sozioökonomischen Auswirkungen von PFAS vorgestellt. Die Studie schätzt allein die Gesundheitskosten durch PFAS-bedingte Erkrankungen auf mindestens 50 Milliarden Euro in der EU und bringt rund 12.000 Todesfälle in den direkten Zusammenhang mit PFAS.
Ohne Ersatz geht es nicht
Das Verbot von besonders kritischen Vertretern aus der PFAS-Familie, das für 2023 von der EU-Kommission geplant ist, kommt also nicht unerwartet. Doch es stellt die Industrie auch vor erhebliche Schwierigkeiten, denn so einfach lassen sich PFAS aufgrund ihrer Eigenschaftsprofile und deren Bandbreite nicht ersetzen. Für besonders relevante Bereiche (Arzneimittel, Pflanzenschutz) sind Ausnahmeregelungen vorgesehen, außerdem gelten die üblichen Übergangsfristen.
Doch die Umstellung auf eine PFAS-freie Produkte ist für die Industrie nicht zuletzt deshalb notwendig, weil bereits PFAS-Produzenten signalisieren, sich in naher Zukunft komplett vom europäischen Markt zurückziehen zu wollen. Um den umweltfreundlichen Ersatz von PFAS voranzubringen, fördert die EU derzeit in vier großen Verbundforschungsprojekten die Entwicklung von unschädlichen PFAS-Alternativen in ihren jeweiligen Hauptanwendungsfeldern.
ZeroF-Projekt
Eines dieser vier Schlüsselprojekte ist das Projekt ZeroF, das sich mit PFAS-Alternativen für Lebensmittelverpackungen und Textilien beschäftigt. Das Fraunhofer ISC ist in ZeroF maßgeblich an der Entwicklung von omniphoben (öl- und wasserabweisenden) und abriebbeständigen Beschichtungen für Textilien beteiligt. Mit der Stoffklasse der ORMOCER-Lacke stellt das Fraunhofer ISC ein sehr vielseitiges Basismaterial zur Verfügung, das mit den vom Projektpartner VTT hergestellten cellulosebasierten Materialien kombiniert werden soll.
„Die Herausforderung für uns besteht vor allem darin eine wasserabweisende Beschichtung für Textilien herzustellen, die gleichzeitig als wasserbasierte Lösung appliziert werden kann, da dies eine Vorgabe der Textilindustrie ist,“ erklärt Dr. Claudia Stauch, Projektleiterin am Fraunhofer ISC. „Das ORMOCER als hybrides Material erlaubt es uns, anorganische und organische Materialeigenschaften zu kombinieren und so unendlich viele Stellschrauben für diese komplexe Fragestellung zu generieren.“ Dabei kommt den Projektbeteiligten zugute, dass ORMOCER-Beschichtungen sehr gute Verarbeitungs-, Oberflächen- und Barriereeigenschaften mitbringen, was sie bereits in einer Reihe von Industrieprodukten unter Beweis stellen konnten.
Unterstützung für betroffene Unternehmen
Der Einsatz der neu entwickelten ZeroF-Materialien hängt jedoch nicht alleine von deren Eigenschaftsprofil, sondern auch von der Akzeptanz in der Industrie ab. Um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, dürfen die Unternehmen, die jetzt PFAS einsetzen, nicht mit dem Verbot und seinen Folgen allein gelassen werden. „Nicht immer wird der volle Funktionsumfang von PFAS auch wirklich benötigt. Für manche der jetzigen Anwendungsfelder, in denen es nur um ein oder zwei Schlüsseleigenschaften aus dem ganzen PFAS-Spektrum geht, gibt es bereits jetzt gute und kurzfristig einsetzbare Lösungen,“ erklärt die Wissenschaftlerin.
Aktuell beraten die Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer ISC bereits Unternehmen, um diese bei der schnellen Umsetzung von umweltfreundlichen und wirtschaftlichen PFAS-Alternativen zu unterstützen.