GR3N ist ein schweizer Start-up, das ein neuartiges chemisches Verfahren für das Recycling von Polyethylenterephthalat (PET) entwickelt hat. Nachdem bereits im März 2024 eine Demonstrationsanlage in Betrieb genommen wurde, ist für 2027 in Spanien die Eröffnung einer ersten Anlage in industriellem Maßstab geplant. Dort sollen sich dann jährlich bis zu 40.000 t PET-Abfälle recyceln lassen.
Technische Grundlage des Verfahrens ist eine auf Mikrowellentechnologie basierte Depolymerisierung von Polyester aus Verpackungen oder Textilien (Microwave Assisted Depolymerization, kurz MADE). Mittels alkalischer Hydrolyse und ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe wird das PET in seine Grundbausteine zerlegt, die anschließend zwecks Herstellung eines hochwertigen PET-Granulats neu kombiniert werden können. Da sich bei einem solchen Vorgehen deutlich mehr Verunreinigungen als bei herkömmlichen Verfahren eliminieren lassen, besitzt der für die Wiederverwendung vorgesehene Rohstoff praktisch Neuwarenqualität.
Entkopplung von Hardware und Software
Neben ihrem Recycling-Verfahren ist die von GR3N entworfene Anlage aber auch deshalb besonders, da sie die erste ihre Art ist, die vollständig auf einem offenen Automatisierungsansatz nach IEC61499 basiert. Für die technische Umsetzung sind dabei zwei Aspekte entscheidend. Zum einen kommt die Runtime Execution Engine der unabhängigen Non-Profit-Organisation UniversalAutomation.Org (UAO) zum Einsatz. Einem Grundprinzip aus der Consumer-IT folgend, fungiert diese als eine Art herstellerübergreifendes Betriebssystem in den Hardwarekomponenten und macht damit eine für die Automatisierungswelt eigentlich untypische Entkopplung von Hardware und Software möglich.
Zum anderen setzt GR3N auf die auf dem Automatisierungsprinzip der UAO basierende Softwareplattform EcoStruxure Automation Expert von Schneider Electric. Mit dieser können die aus der Entkopplung von Hardware und Software entstehenden ingenieurstechnischen Freiheiten – etwa die Wiederverwendung von Softwareobjekten oder die für modulare Anlagen wertvolle dezentrale Verteilung von Programmcode – bestmöglich genutzt werden.
„Für uns als Start-up bedeutet softwaredefinierte und hardwareunabhängige Automatisierung, dass wir uns mit weniger Risiko deutlich schneller und flexibler weiterentwickeln können“, sagt Fabio Silvestri, Head of Marketing and Business Development bei GR3N. „Wann immer es zum Beispiel neue Ansatzpunkte gab, um unsere Anlage noch effizienter zu machen, waren wir in der Lage, unsere Systeme sehr schnell neu zu konfigurieren. Und dank Hardwareunabhängigkeit wurden wir auch nicht durch Lieferkettenprobleme ausgebremst. Das ist also genau die Art von Innovation, die es braucht, um in so komplexen Industriebereichen wie dem Kunststoffrecycling wettbewerbsfähige Anlagen effizient auf die Beine stellen zu können.“
Viele Vorteile durch softwaredefinierte Automatisierung
Für Schneider Electric ist der hardwareunabhängige Automatisierungsansatz ein wichtiger Baustein, um Kunden aus der Industrie das zu ermöglichen, was seit vielen Jahren den Markenkern des Unternehmens definiert: nachhaltig erfolgreicheres Wirtschaften. „Die Menschheit produziert jedes Jahr rund 460 Millionen t Plastik, von denen circa 70 Prozent auf Mülldeponien landen oder anderweitig falsch entsorgt werden“, sagt Christophe de Maistre, President Energy & Chemicals Industrial Automation bei Schneider Electric. „Wenn wir dieses Problem wirklich konsequent angehen wollen, dann müssen wir auch die richtigen Voraussetzungen dafür schaffen.“
Auf technischer Seite zählen dazu laut de Maistre Lösungen für die Integration des kompletten Produktlebenszyklus, Modularisierung und Standardisierung sowie eine offene, softwaredefinierte Automatisierung, die Skalierbarkeit erleichtert, Silos überwindet und die Nutzung fortschrittlicher Analysetools ermöglicht. „Das Projekt mit GR3N ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich mit einem solchen Ansatz Flexibilität, Effizienz und Skalierbarkeit erheblich verbessern lassen.“