Nachhaltige Textilbeschichtung So wird Ihre Kleidung wasserfest wie ein Krebspanzer

Mit einem Biopolymer, das beispielsweise in Krebsschalen vorkommt, lassen sich Textilien auf verschiedene Weise nachhaltig veredeln.

Bild: iStock, BrendanHunter
10.02.2021

Die Textilindustrie beschichtet Kleidungsstücke zumeist mit Chemikalien, um ihnen bestimmte Eigenschaften zu verleihen. Doch es gibt auch eine nachhaltige Alternative, die weder gesundheits- noch umweltschädlich ist. Forscher haben sie in einem mehrjährigen Projekt untersucht.

In der Herstellung von Textilien sind biotechnologische Verfahren, Enzyme und nachwachsende Rohstoffe bislang wenig präsent. Bei der Ausrüstung von Textilien mit wasser- und ölabweisenden Eigenschaften kommen daher vor allem perfluorierte Chemikalien zum Einsatz. Diese Stoffe sind gesundheitsschädlich und in der Umwelt kaum abbaubar.

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB hat sich im Projekt „HydroFichi“ mit einer nachhaltigen Alternative beschäftigt: Chitosan. Dabei handelt es sich um ein Biopolymer, das etwa aus Krabbenschalen, Insektenhäuten oder Pilzen gewonnen werden kann. Ende Januar 2021 ist das Projekt abgeschlossen worden.

Chitosan aus Abfällen gewinnen

Chitosan ist ein nachwachsender Rohstoff, der sich von Chitin ableitet – dem nach Cellulose zweithäufigsten in der Natur vorkommenden Biopolymer. Quellen für das stickstoffhaltige Polysaccharid können Krabbenschalen aus Fischereiabfällen, Insektenhäute und -panzer, die beispielsweise bei der Herstellung von Tierfutter anfallen, oder auch – als vegane Variante – Zellwände von Pilzen sein.

Die Struktur der beiden Moleküle ist dabei sehr ähnlich; der einzige Unterschied ist eine Acetylgruppe, die bei der Umwandlung zu Chitosan entfernt wird. Chitin ist unlöslich in Wasser und den meisten organischen Lösemitteln. Chitosan ist schwer löslich, lässt sich aber durch Zugabe milder Säuren in Wasser lösen und damit als Textilhilfsmittel einsetzen.

Um Chitosan aus dem jeweiligen Abfallstrom zu isolieren, muss zunächst Chitin durch Demineralisierung und Deproteinisierung aus den Ausgangsstoffen gewonnen werden; anschließend kann sein Derivat Chitosan isoliert werden. Dabei lassen sich die Eigenschaften des Biopolymers durch die Wahl der jeweiligen Konditionen individuell anpassen. Das so produzierte Biomolekül kann dann direkt in verschiedenen Anwendungen zum Einsatz kommen, beispielsweise als Flockungshilfsmittel in der Abwasserbehandlung oder als Wirkstoffträger in der Medizin.

Kleidung wasserabweisend machen

Auch und vor allem in der Textilindustrie gibt es aber zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für Chitosan. Beim Schlichten beispielsweise konnte der Naturstoff bereits in Technikumsversuchen der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) überzeugen: Hier zeigte sich seine Wirksamkeit in einer wesentlich geringeren Rauigkeit der Garne. Dabei waren die erzielten Werte mit Chitosan aus Insekten vergleichbar mit denen aus kommerziellen Krabbenschalen.

„Unser Anliegen im Projekt ,HydroFichi‘ war es, der Textilindustrie einen Rohstoff für verschiedenste Anwendungen zur Verfügung zu stellen“, erklärt Projektleiter Dr. Achim Weber, stellvertretender Leiter des Innovationsfelds Funktionale Oberflächen und Materialien am IGB. „Neben einer einfachen Beschichtung mit Chitosan, bei der die Fasern geschützt werden, konnten wir die Substanz auch als Ankermolekül nutzen, um Vernetzungspunkte für verschiedenste funktionelle Gruppen zu schaffen.“

Textilien ließen sich auf diese Weise ganz gezielt mit bestimmten Eigenschaften versehen, zum Beispiel mit wasserabweisendem Verhalten. „Chitosan kann also gleichzeitig als Matrixmaterial oder Templat fungieren, und dies bei den unterschiedlichsten Fasermaterialien“, sagt Weber.

Bewertet wurden die Veredlungen mittels standardisierter Tests, aber auch mit eigens dafür entworfenen Testständen und Methoden. Hier zeigten beispielsweise Messungen auf behandelten Textilien Kontaktwinkel von über 140 Grad. Das bedeutet eine sehr gute Wasserabweisung der Stoffe und bestätigt die erfolgreiche Bearbeitung der Textilien.

Textilien erstmals biotechnologisch veredeln

Im Projekt „HydroFichi“ konnten die IGB-Wissenschaftler erstmals biotechnologische Prozesse in der Rohstoffgewinnung und Veredlung etablieren, die sich als kompatibel mit allen Textilprozessen erwiesen. Hierfür arbeiteten sie mit vier Partnern aus der Textilindustrie zusammen: den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf, J.G. Knopf’s Sohn, Helmbrechts und der Textilchemie Dr. Petry. Bislang soll das Verfahren einzigartig im Bereich der Textilveredelung sein.

„Wir alle haben das große Potenzial von Chitosan zur effizienten Hydrophobierung und als Funktionsträger erkannt und konnten dank der guten Zusammenarbeit Techniken für eine maßgeschneiderte Funktionalisierung von Textilien erfolgreich etablieren“, sagt Dr. Thomas Hahn, der im Innovationsfeld „Industrielle Biotechnologie“ am IGB forscht. Auch weitere Einsatzgebiete des Biopolymers seien vielversprechend. „Deshalb haben wir sofort im Anschluss an ,HydroFichi‘ das Folgeprojekt ,ExpandChi‘ initiiert.“

In „ExpandChi“, das im Februar 2021 gestartet ist, sollen gemeinsam mit den Partnern Techniken entwickelt werden, um biobasiertes Chitosan als Funktionsträger zum Ersatz weiterer synthetischer Polymere zu verwenden, beispielsweise für eine spezielle Anti-Falten- oder eine flammenhemmende Beschichtung. „Die Textilindustrie ist sehr daran interessiert, dass ein solch nachhaltiges Biomolekül möglichst schnell eingesetzt wird“, sagt Hahn.

Bildergalerie

  • Kontaktwinkelmessungen an einem mit Chitosan veredelten Textil zeigen die wasserabweisende Wirkung.

    Kontaktwinkelmessungen an einem mit Chitosan veredelten Textil zeigen die wasserabweisende Wirkung.

    Bild: Fraunhofer IGB

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