19 Kilometer Hoch-, 9749 Kilometer Mittel- und 23.510 Kilometer Niederspannungsleitungen müssen im Gebiet von Eon Mitte instandgehalten werden. Rund 1,5 Millionen Menschen auf insgesamt 45.828 Quadratkilometer versorgt der Netzbetreiber in Hessen, Südniedersachsen, Ostwestfalen und Westthüringen. Mittlerweile wird eine Netzmenge von 8147 Gigawatt-Stunden verteilt. Hohe Investitionen in die Netze sowie die zugehörige Infrastruktur – 70 Umspannwerke und 6487 Ortsnetzstationen – stellen dabei sicher, dass die Verbraucher zuverlässig mit der benötigten Energie beliefert werden.
Üblicherweise wird die in den Umspannwerken installierte Sekundärtechnik – also die Leit- und Steuerungstechnik – nach etwa 20 Jahren erneuert. Oft sind dann einige der montierten Komponenten nicht mehr verfügbar, weil der Hersteller die Geräte entweder abgekündigt oder den Geschäftsbetrieb eingestellt hat. Das war auch bei den Störmeldesystemen von Eon Mitte der Fall.
Störmeldesysteme dienen der Visualisierung der in den Umspannwerken anstehenden Meldungen sowie ihrer Weiterleitung an die Netzleitwarte. In der Vergangenheit setzten sich die mit Leuchtfeldern und Relaistechnik ausgestatteten Systeme je nach Größe des Umspannwerks aus einer festen Anzahl von beispielsweise 40 bis 80 Meldefeldern zusammen. Die Störmeldesysteme generierten Einzel- und Sammelfehlermeldungen, wobei häufig lediglich die Übertragung einer Sammelmeldung an die Leitwarte möglich war. Auf Basis dieser Informationen konnten die Mitarbeiter jedoch nicht feststellen, um welche Art von Störung es sich handelt. Sie mussten somit erst einmal zum jeweiligen Umspannwerk fahren und hatten die notwendigen Ersatzteile dann unter Umständen nicht vorliegen. Die bisherigen Störmeldesysteme waren zudem proprietär aufgebaut und oftmals in der Funktion eingeschränkt. Deshalb konnten die aufgelaufenen Daten bei einigen Lösungen nur schwierig oder gar nicht gesichert werden. In verschiedenen Stationen wurden Analogwerte wie Strom, Spannung oder Transformator-Temperatur durch Papierschreiber aufgezeichnet. Mitarbeiter holten die Papierrollen anschließend in regelmäßigen Abständen ab, damit die Daten in der Netzleitwarte ausgewertet werden konnten.
Störmelde-Tableaus
Vor diesem Hintergrund war eine zukunftssichere und wirtschaftliche und Lösung gefragt. Diese kam vom Automatisierungsunternehmen Phoenix Contact auf Grundlage des I/O-Systems „Inline“. Im März 2012 wurde das erste Störmelde-Tableau probeweise im Umspannwerk Baunatal getestet. Die Mitarbeiter beider Unternehmen entdeckten dabei einige Fehler in der Software und fanden weitere Verbesserungsmöglichkeiten. Nach deren Umsetzung ging die Störmelde-Anlage im September 2012 im Umspannwerk Haiger in den Regelbetrieb.
Seit Anfang 2013 sind fünf zusätzliche Anlagen in unterschiedlichen Umspannwerken installiert worden. Weitere Tableaus sind in Planung. Die ersten Störmelde-Anlagen umfassen 40 digitale Signale ohne 110-kV-Schaltanlage respektive 80 digitale Signale mit 110-kV-Schaltanlage. Derzeit wird an einer Erweiterung des Funktionsumfangs auf 120 Signale gearbeitet.
Das Störmelde-Tableau basiert auf einem Automatisierungsbaukasten. Die digitalen und analogen Signale der Umspann-, Schwerpunkt- oder Ortsnetzstation werden über Standardmodule erfasst und an eine Kleinsteuerung weitergeleitet. Der Controller, der über zwei Ethernet-Schnittstellen und eine SD-Speicherkarte verfügt, verarbeitet die Daten und verknüpft sie mit den jeweiligen Variablen der Leittechnik. Danach werden die Daten entweder via IEC 60870-5-101/-104 an den Fernwirkkopf der Station oder direkt an die Leitwarte übertragen.
Zu diesem Zweck unterstützt die Steuerung alle gängigen Kommunikationsprotokolle wie IEC 60870-5-101/-104, Ethernet, Profinet und Modbus sowie die IT-Standards HTTP, FTP SNTP, SNMP, SMTP, SQL und MySQL. Via FTP lassen sich beispielsweise historische Anlagendaten weiterleiten und später analysieren. Die wechselbare SD-Karte erlaubt die Einstellung der ASDU- respektive IP-Adressen im Büro oder in der Werkstatt, sodass die Eon-Mitarbeiter die Steuerung schnell vor Ort in Betrieb nehmen oder im Fehlerfall austauschen können. Das Einstecken der SD-Karte reicht aus, um eine neue Steuerung betriebsbereit zu machen. Außerdem werden die Stationsparameter über die SD-Karte definiert und die gemessenen Werte auf der Karte archiviert.
Anpassung der Störmeldetexte
Über den in die Steuerung eingebauten Web-Server kann sich das Instandhaltungs-Personal die Daten vor Ort in der Umspannstation auf einem Web-Panel oder einem Notebook mit integriertem Web-Browser darstellen lassen. Über entsprechende Bediengeräte mit Touch-Panel können alle relevanten Daten gut lesbar visualisiert werden.
Bei der Auslieferung sind auf dem Störmelde-Tableau standardisierte Störmeldetexte voreingestellt, weshalb die Mitarbeiter meist nur geringe Anpassungen über das Web-Panel vornehmen müssen. Grundsätzlich sind sämtliche notwendigen Einstellungen über einen PC mit Web-Browser oder direkt am Web-Panel einstellbar. Eigene Meldetexte können frei definiert werden, wobei dazu kein zusätzlicher PC und Drucker erforderlich ist.
Aufgrund der flexiblen Erweiterbarkeit der Kleinsteuerung um Analog-Eingangsmodule lassen sich die Analogwerte nun direkt in der Steuerung verarbeiten. Der bislang verwendete Analogwertschreiber mit Papierrolle entfällt. Ferner können die einzelnen Signale einfach auf Arbeits- oder Ruhestrom sowie als optische oder akustische Meldung eingestellt werden. Darüber hinaus lässt sich das Störmelde-Tableau in die vorhandene Infrastruktur des Umspannwerks integrieren, da keine Änderungen an der Verkabelung und der Übergabe-Klemmenleiste vorgenommen werden muss.
Alle Ereignisse werden in chronologischer Reihenfolge gespeichert. Selbst bei gestörter Kommunikation zur Leitwarte lässt sich die Reihenfolge der Ereignisse in der Station erkennen. Dadurch wird das Auffinden der Fehlerursache deutlich erleichtert. Sofern das Umspannwerk an das gleiche PIT-Segment (Prozess-IT-Netzwerk) angekoppelt ist, erkennen die Mitarbeiter den tatsächlichen Fehler, auch wenn sie in einem anderen Umspannwerk arbeiten.
60 Prozent weniger Platzbedarf
Das neue Störmelde-Konzept ist eine wirtschaftliche und zukunftssichere Lösung, mit der schnell auf Störungen reagiert werden kann. Positiv aufgenommen haben die Verantwortlichen auch, dass der notwendige Platz in der Schaltanlage um über 60 Prozent gesenkt worden ist.