Chemical-Looping-Prozess Von Biogas zu hochreinem Wasserstoff

Treibt die Entwicklung von Technologien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff voran: Viktor Hacker vom Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der TU Graz.

Bild: TU Graz
04.11.2021

Wasserstoff aus echtem Biogas: Die TU Graz und das Start-Up Rouge H2 Engineering erzeugen erstmalig hochreinen Wasserstoff aus Biogas direkt bei einer Biogasanlage mit einem neuen Chemical-Looping-Prozess.

Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger in der Energie- und Mobilitätswende, ist derzeit aber noch nicht massentauglich. Das hat mehrere Gründe: Wasserstoff wird derzeit überwiegend zentral aus fossilen Rohstoffen erzeugt. Anschließend muss er in einem teuren sowie energieintensiven Prozess komprimiert oder verflüssigt werden, um ihn beispielsweise an Tankstellen liefern zu können. Und dort braucht es teure Infrastruktur mit hohen Investitionskosten, um große Wasserstoffmengen zu speichern.

Für eine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff ist eine dezentrale Herstellung also künftig unumgänglich – am besten klimaneutral aus lokal verfügbaren erneuerbaren Energiequellen. Forscher der TU Graz rund um Verfahrenstechniker Viktor Hacker haben 2020 gemeinsam mit dem Grazer Start-Up Rouge H2 Engineering ein nachhaltiges Verfahren zur dezentralen Wasserstofferzeugung präsentiert, die sogenannte „Chemical-Looping Hydrogen-Methode“. Die mehrfach ausgezeichneten Forschungsergebnisse mündeten in einer kompakten On-Site-On-Demand-Anlage, die – ausgehend von Biogas, Biomasse oder Erdgas – Wasserstoff erzeugen kann.

Nun lassen Hacker und Co. erneut aufhorchen: Mit konkreten Ergebnissen des weiterführenden Projekts Biogas2H2: In einer der weltweit größten industrienahen Demonstrationsanlagen erzeugen sie direkt bei einer bestehenden Biogasanlage hochreinen Wasserstoff aus echtem Biogas inklusive aller Verunreinigungen, die im Gas vorhanden sind. Gefördert wird das Projekt von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG.

Wasserstoff aus südsteirischem Biogas

„Wir zeigen damit, dass ein Chemical-Looping-System in eine bestehende Biogasanlage eingebunden werden kann. Es entsteht hochreiner Wasserstoff für Brennstoffzellen aus realem Biogas und zwar nicht nur im Labor, sondern tatsächlich im industriellen Maßstab“, erläutert Viktor Hacker vom Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der TU Graz.

Das reale Biogas – Methangas aus Schweinegülle, Glycerinphase, Silomais und Getreideresten – stammt von dem südsteirischen Unternehmen Mureck. Dort ist man sehr interessiert an einem zusätzlichen Standbein: „Die Option, dass unser Biogas neben Strom zusätzlich auch grünen Wasserstoff für nachhaltige Mobilität erzeugt, ist natürlich hochspannend für uns“, sagt Geschäftsführer Karl Totter.

Am Firmengelände in Mureck haben Rouge H2 Engineering und die TU Graz im Sommer 2021 die Demonstrationsanlage errichtet und noch bis Ende Oktober zu Testzwecken in Betrieb. Die 10-KW-Anlage zweigt dabei etwa ein Prozent des Biogasstroms ab (etwa 30 Liter pro Minute) und vermischt es mit Wasserdampf. Das Gemisch strömt in den Reaktor der Anlage. Dort wird das Biogas reformiert und Synthesegas hergestellt. Dieses Gas reduziert in weiterer Folge Eisenoxid zu Eisen. Dann kommt Wasserdampf in den Reaktor, der das Eisen wieder zu Eisenoxid reoxidiert. Dabei wird Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,998 Prozent frei.

Reif für den kommerziellen Einsatz

Mit diesem Eisen-Wasserdampf-Prozess wird ein Wirkungsgrad von 75 Prozent erreicht. „Würden wir anstelle des einen Prozents den gesamten Biogasstrom der Murecker Biogasanlage (etwa 480 Kubikmeter pro Stunde) durch eine entsprechend hochskalierte Chemical-Looping-Anlage leiten, kämen wir sogar auf eine 3-MW-Wasserstoffproduktionsanlage. Das bedeutet, die Technologie ist nun reif für den kommerziellen Einsatz. Wir können auch im großen Maßstab dezentralen Wasserstoff aus realem Biogas herstellen. Alles, was es braucht, ist ein wenig Platz für unsere Anlage. Wir sind daher ab sofort offen für Aufträge aus der Biogasindustrie“, betont Rouge-H2-Projektleiter Gernot Voitic.

Diese Art der dezentralen Herstellung wirkt sich auch positiv aus auf den Produktions- und somit auf den Einkaufspreis des Wasserstoffs. Dazu Hacker: „Derzeit wird Wasserstoff an der Tankstelle mit 10 Euro/kg angeboten. Die technoökonomischen Analysen, die Teil unseres Forschungsprojekts sind, prognostizieren für unser Verfahren einen kompetitiven Wasserstoffpreis von 5 Euro/kg für dezentral produzierten Wasserstoff. Damit ist das Verfahren gegenüber anderen Technologien wie zum Beispiel der Elektrolyse konkurrenzfähig (5-12 Euro/kg Wasserstoff).

Das Problem mit dem Druck

Die Technologie funktioniert also bewiesenermaßen und lässt sich auch reibungslos in eine bestehende Biogasanlage integrieren. Zentrale Fragen zur flächendeckenden Verfügbarkeit sind aber noch offen, darunter: Was soll mit dem Wasserstoff in weiterer Folge geschehen? Und: Wer macht den ersten Schritt?

Naheliegend ist die Überlegung, neben der Anlage zur Wasserstofferzeugung aus Biogas gleich auch eine Wasserstofftankstelle zu installieren. Die Krux dabei: Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge müssen laut Vorgaben derzeit mit 700 bar Druck betankt werden, „um möglichst viel Wasserstoff in einen möglichst kleinen Tank rein zubekommen und so eine attraktive Reichweite zu erlangen“, erklärt Hacker.

Die Chemical-Looping-Anlage erzeugt Wasserstoff mit einem Druck von bis zu 100 bar, was vergleichsweise hoch ist, aber für eine Betankung nicht reicht. Den Wasserstoff auf 700 bar zu komprimieren, ist sowohl knifflig als auch teuer. „Irgendwo muss diese Verdichtung erfolgen, entweder direkt am Herstellungsort oder spätestens bei der Tankstelle, die man freilich auch mit abgefülltem Wasserstoff beliefern könnte. Die Kosten werden anfallen, und damit sind wir wieder beim Tankpreis.“

Einsetzbarkeit der dezentralen Wasserstoffproduktion

Technisch notwendig wäre diese Verdichtung nicht: Brennstoffzellen-Fahrzeuge können prinzipiell auch mit nur 2 bar Druck fahren – nur eben nicht sehr weit. Daher würde sich die dezentrale Wasserstoffproduktion direkt bei Biogasanlagen für kürzere Fahrtstrecken anbieten, etwa für Wasserstoff-Traktoren oder für wasserstoffbetriebene Lagerfahrzeuge wie etwa Gabelstapler.

Andere Möglichkeiten der Nutzung von Wasserstoff „ab Biogasanlage“ wären etwa die Abfüllung in Gasflaschen zum weiteren Transport, die Verlegung von Wasserstoffleitungen direkt zu mit Brennstoffzellen ausgestatteten Wohnhäusern oder die Nutzung in industriellen Prozessen. Für Karl Totter Junior und Senior ist für Ökostrom Mureck klar: „Wir könnten uns sehr gut vorstellen, unser Biogas auch zur Herstellung von Wasserstoff zu verwenden und unser Gelände um eine entsprechende Anlage zu ergänzen. Aber abkaufen muss uns den Wasserstoff auch jemand. Nachfrageseitig muss sich noch etwas bewegen, damit wir diesen Investitionsschritt setzen können“.

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