Das Leistungsspektrum von Gottinger aus dem bayerischen Zorneding reicht von Kopforthesen, dynamischen und statischen Fuß-, Bein- und Armorthesen über Korsette bis hin zu Prothesen. Jedes einzelne Produkt wird individuell gefertigt, jährlich verlassen etwa 1.500 Orthesen und Prothesen die Gottinger-Werkstätten.
Sehr zeitaufwendig gestaltet sich dabei das Fixieren der aus Metall bestehenden Gelenksysteme an den Carbon-Rahmen. Man benötigte einen Klebstoff, der dem Anwender zwar ein ausreichendes Zeitfenster für die Verarbeitung ließ, aber trotzdem mit hoher Anfangsfestigkeit punktete. Auch auf den senkrechten Flächen oder dreidimensional verformten Teilen dieser Materialkombination sollte der gewünschte Klebstoff seine Klebekraft voll entfalten. Eine weitere Voraussetzung war, dass der Klebstoff nicht ablaufen durfte und die Eigenschaft mitbringen sollte, große Spaltbreiten weich und flexibel zusammenzufügen.
Bestimmte Teile von Orthesen und Prothesen werden, wo notwendig, von innen gepolstert. Die Haut ist dadurch komfortabel eingebettet und steht nicht in direktem Kontakt mit der harten Orthesenschale. Der dafür verwendete Klebstoff sollte eine schnelle Fixierung des Polstermaterials ermöglichen. Das Gleiche galt für die aus Perlontrikotschlauch-Lagen und einer Acryl-Matrix bestehenden, teils dreidimensionalen Schäfte der Orthesen und Prothesen. Zwecks besseren Tragekomforts sind diese mit einem Randschutz ausgestattet.
Die dafür benötigte Polsterschicht wird aus Polyethylenschaumstoff gefertigt. Polyethylen (PE) zählt allerdings neben Polypropylen (PP) und Polyoxymethylen (POM) zu den schwer verklebbaren Kunststoffen. Eine perfekte Fixierung konnte demnach nur mit einem Klebstoff gewährleistet werden, der eine optimale Haftung auf diesen Materialien garantiert, kaum thermoplastische Verformung zulässt und mit entsprechendem Lösungsmittel bei Bedarf wieder ablösbar ist.
Herausforderung: Schuheinlagen mit Leder
Im orthopädischen Schuhbereich, beispielsweise bei der Herstellung orthopädischer Schuheinlagen, stand Gottinger vor der Herausforderung, Leder und Textilien mit Kunststoffen zu kombinieren. Aber auch viele Orthesen und Prothesen werden teilweise mit einem dünnen Leder und Polstermaterialien umkleidet. Die geklebten Produkte sind oft extremen, langjährigen Beanspruchungen ausgesetzt.
Gottinger hatte sich zum Ziel gesetzt, unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Mittel die bestmögliche Produktqualität mit den jeweils besten dafür geeigneten Verbindungstechnologien zu erreichen. Ohne lange überlegen zu müssen, welcher Klebstoff welche Materialeigenschaften abdeckt. Die Lösung fand man nur zwei Straßen entfernt bei Ruderer Klebetechnik. Das ebenfalls in Zorneding ansässige Unternehmen hat sich auf hochwertige Industrieklebstoffe spezialisiert und begleitet bereits seit mehr als 30 Jahren kleine und große Klebeprojekte. Neben der hauseigenen Marke Technicoll findet man im Sortiment der Firma Hersteller wie Araldite, H.B. Fuller, Sika, 3M, Panacol, Lord, Kömmerling, Born2Bond (Bostik), Loctite, Teroson, Otto-Chemie, Weiss-Chemie und Drei Bond.
Der Klebstoff Helmitinformel 1 hat eine Kontaktklebezeit von 120 Minuten, was den Orthopädietechnikern von Gottinger eine große Zeitspanne zum Arbeiten einräumt. Die Ablüftezeit beträgt fünf bis 60 Minuten. Als 1-K-Kontaktklebstoff hat Helmitinformel 1 die Eigenschaft, nicht angemischt werden zu müssen. Es handelt sich um einen lösemittelhaltigen Kontaktklebstoff, der auf beide Fügeteile aufgetragen wird.
Helmitinformel 1
Hersteller: H.B. Fuller
Erhältlich als: 1- und 2-K-Kontaktklebstoff
Anfangsfestigkeit: hoch
Ablüftezeit: fünf bis 60 Minuten
Kontaktklebezeit: circa 120 Minuten
Topfzeit mit Härter: circa zwei Stunden
Geeignet für: TR- und PUR-Materialien, Holzwerkstoffe, Gummi, Kork, Leder und Lederfaserstoff, EVA-Kunststoffe und Schäume, Textilien, Filz, lackierte Flächen
Lagerung: im Originalgebinde zwischen 5 und 35 °C mindestens zwölf Monate
Kleben von Metall und Carbon
Mit dem 2-K-Klebstoff Agomet F 330 konnte die besondere Herausforderung beim Kleben hochfester Materialien wie Metallen mit Verbundwerkstoffen wie Carbon-Prepreg gelöst werden. Agomet F330 ist ein kalthärtender Klebstoff auf Methacrylatbasis mit einer Fügezeit von zehn Minuten und einer sehr guten Zugscher- und Schälfestigkeit. Eine aufwendige Vorbehandlung der Fügeteile ist zum Erreichen der ausgezeichneten Festigkeit nicht notwendig.
In Kombination mit dem Agomet-F-330-Härterpulver oder der Härtepaste können Fugendicken von 5 mm und mehr überwunden werden. Dadurch, dass der Klebstoff Temperaturen zwischen -40 und 130 °C standhält, ist er für die in der Orthopädie unter Hitze verarbeiteten Formteile geeignet sowie auch für das schnelle Kleben von Metallen, Verbundstoffen und Thermoplasten wie ABS, PVC und Acryl. Unkompliziert gestaltet sich auch die Herstellung langzeitbeständiger und wärmefester Einheiten aus mehrlagigen Konstruktionen.
Agomet F 330 (mit Härterpulver und Härterpaste)
Hersteller: Huntsman
Verarbeitung: per Hand oder Maschine
Ablüftezeit: zehn Minuten
Hantierbarkeit: circa 20 Minuten
Geeignet für: Metalle, Verbundstoffe und Thermoplaste wie ABS, PVC und Acryl
Verarbeitungstemperatur: 15 bis 30 °C
Temperaturbeständigkeit: -40 bis 130 °C
Lagerung: im Originalgebinde bei 2 bis 8 °C mindestens sechs Monate
Technicoll 9556
Hersteller: Technicoll
Farbe: farblos, klar
Temperaturbeständigkeit: -50 bis 90 °C
Verarbeitungstemperatur: 15 bis 25 °C
Geeignet für: Kunststoffe (bei schwierigen Kunststoffen wie PE, PP, PET, PTFE und POM nur mit Technicoll 9605-1)
Lagerung: im Originalgebinde zwischen 2 und 10 °C mindestens zwölf Monate
Schnelle und zuverlässige Zusammenarbeit
Das Besondere an den Ruderer-Klebstoffen sei neben der enormen Zeitersparnis die völlig unkomplizierte Handhabe, sagt Francisco Martins, Diplom-Orthopädietechnikmeister und Geschäftsführer von Gottinger. Da keine Vorbehandlung nötig sei, ließen sich komplexe Arbeitsvorgänge in der Orthopädietechnik ohne großen Zeitaufwand komfortabel umsetzen.
Der dynamische Fertigungsprozess in der Orthopädie, die Materialvielfalt sowie die unterschiedlichen Erkrankungen des Bewegungsapparates erfordern ein hohes Maß an Flexibilität. Gottinger profitiere nicht nur vom Know-how und Erfahrungsschatz des Nachbarunternehmens, wie Martins erklärt, sondern auch von dessen Schnelligkeit und Zuverlässigkeit.