Deutschland ist reich an alten, historisch wertvollen und lebenswerten Städten und Gemeinden. Über viele Jahrhunderte wuchsen und entwickelten sich die Zentren unseres heutigen Lebens, und über diese Dauer hinweg standen sie stets neuen Herausforderungen und Ansprüchen gegenüber. Auch unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen reihen sich in diesen steten Anpassungsdruck ein. Zum Beispiel wenn es um den Energieverbrauch von Gebäuden geht.
Um den Klimaschutzzielen der Bundesregierung gerecht zu werden, kommt hier das Förderprogramm der energetischen Stadtsanierung zum Einsatz. Es sollen Möglichkeiten und Lösungen für die Verringerung der großen Verbrauchsmengen durch unsere Wohngebäude und weitere Bestandsbauten gefunden und gleichzeitig Optionen aufgezeigt werden, welche alternativen und regenerativen Energiequellen für die Städte und Gemeinden nutzbar sind:
Zum Ersten soll weniger Energie verbraucht werden, beispielsweise durch eine gut gedämmte Gebäudehülle oder eine klimagerechte und energetisch optimierte Stadtstruktur.
Zum Zweiten soll Energie sinnvoller und effizienter verbraucht werden, etwa durch neue Heiztechnologien oder die Nutzung von Kraftwärmekopplung (KWK) in Blockheizkraftwerken (BHKW).
Und schließlich soll zum Dritten der verbleibende Energiebedarf größtmöglich durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden.
Diese drei Ansätze – Verbrauchsminderung, Effizienzsteigerung, Ersatz – tragen nicht nur zu einer weitestgehend unabhängigen Energieversorgung bei, sondern auch zu weniger klimaschädlichen Emissionen und einem ressourcenschonenden Energieverbrauch. So sind nachhaltige Energieversorgung, Umwelt- und Klimaschutz, zukunftsfähige Infrastrukturen und lebenswerte Städte und Gemeinden als eine komplexe Herausforderung zu verstehen.
Mit zwei Teilen zum Ganzen
Mit den zwei zentralen Elementen des Programms „Energetische Stadtsanierung – Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager“ nach KfW 432 soll ein Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen geleistet werden. In einem ersten Programmteil A wird die Erarbeitung von integrierten Quartierskonzepten mit einer Zuschussförderung von 65 Prozent unterstützt. Die Nutzung der Förderung kann flexibel ausgestaltet werden, etwa bei der Zusammensetzung des Eigenanteils, in Kombination mit Städtebaufördermitteln oder als personelle Eigenleistung. Auch inhaltlich können ganz individuelle Schwerpunkte gesetzt werden. Sowohl bei der Abgrenzung des Quartiers (ausgenommen reine Gewerbe-/Industriegebiete) als auch bei einzelnen Untersuchungsschwerpunkten, wie denkmalgerechte Bestandssanierung, Verkehrsanalysen oder dezentralen Versorgungskonzepten.
In einem zweiten Programmteil B wird die Umsetzungsbegleitung der Konzeptarbeit in Form eines energetischen Sanierungsmanagements gefördert. In diesem Fall werden Personal- und Sachkosten mit bis zu 150.000 Euro über drei Jahre gefördert. Der auch hierbei vorgesehene Eigenanteil kann ebenfalls flexibel erbracht werden (Fördermittelkombination, Anerkennung der personellen Eigenleistung). In beiden Fällen können die Kommunen selbst, jedoch auch weitere relevante Akteure wie kommunale Eigenbetriebe oder Unternehmen der Wohnungswirtschaft die Förderung in Anspruch nehmen und entsprechend den Eigenanteil erbringen.
Sanierung und Modernisierung
Was aber ist unter dem Ansatz und Anspruch zu verstehen, „integriert“ zu arbeiten? Und welche Möglichkeiten ergeben sich daraus? Diese Punkte lassen sich am besten anhand der Erfahrungswerte der inhaltlichen Bearbeitung klären.
Dass ein zentrales Aufgabenfeld bei der Gebäudesanierung liegt, ist unschwer zu erkennen. So entfällt auf die Wärmeversorgung des Gebäudebestandes derzeit gut ein Drittel des Endenergieverbrauchs in Deutschland. Bei den privaten Haushalten umfasst dieser Wert sogar rund 70 Prozent [1]. Bedenkt man nun, dass rund drei Viertel des Gebäudebestandes in Deutschland vor der ersten Wärmeschutzverordnung (1978) errichtet wurden, lässt sich erahnen, wie groß das energetische Einsparpotenzial ist.
Zwar besteht im Auftrag des Bundes bereits seit 2001 ein CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW (mit einigen Anpassungen bis heute), das einzelne Privatbesitzer als Zielgruppe einer Sanierungsförderung anspricht. Allerdings konnte die jährliche Sanierungsrate des privaten Gebäudebestandes von anhaltend knapp einem Prozent nicht umfassend verbessert werden. Mindestens eine Verdoppelung dieser Rate wird gemeinhin als notwendig angesehen, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen (gegenüber 1990 Minderung der CO2-Emissionen bis 2020 um 40 %, bis 2050 um 80 %).
Ein weiteres leicht erkennbares Aufgabenfeld besteht in der Modernisierung der technischen Anlagen und der Gebäudetechnik. In der Wärmeversorgung der privaten Haushalte sind gegenwärtig mit großem Abstand fossile Brennstoffe die wichtigsten Energiequellen (Heizöl und Gas, zusammen fast 75 % der privaten Haushalte) [1]. Hinzu kommt, dass die Anlagentechnik häufig nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Allein bei den privat genutzten Ölheizungen besteht ein enormer Erneuerungsbedarf bei knapp einem Drittel der Anlagen die über 20 Jahre alt sind und an die Grenzen ihrer regulären Lebensdauer angelangt sind [2].
Der große Handlungsbedarf ist in beiden Feldern enorm und nicht in Frage zu stellen. Beide Aspekte sind grundlegende Bestandteile der energetischen Stadtsanierung und finden unter Beachtung innovativer Ansätze bei bestandsangepasster Sanierung wie auch beim Einsatz moderner dezentraler und regenerativ betriebener Energieversorgungssysteme Eingang in die Konzepte.
Allround-Konzept
Interessant ist jedoch die Frage: Was können die „integrierten Quartierskonzepte“ noch leisten? Überspitzt lautet die Antwort: Fast alles. Im positiven Sinne der Sache können damit viele entscheidende Bereiche der Stadtentwicklung abgedeckt werden. Unter anderem sind das die Innenentwicklung und Stärkung der Zentren, die demografiespezifische Entwicklung von Quartieren, wie beispielsweise Nutzungsmischung und kurze Wege für mobilitätseingeschränkte Bewohner, und die Entwicklung von Frei- und Grünflächen mit Bezug zu einem ausgeglichenen Stadt- und Quartiersklima (Abbildung Seite 17). Des Weiteren die Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Resilienzerhöhung, etwa gelten ältere Menschen als Risikogruppe gegenüber Gefährdungen durch extrem heiße Witterung/Hitzeereignisse) ebenso wie die Entwicklung von nachhaltigen Verkehrssystemen und Mobilitätsformen. Allein der zuletzt genannte Bereich umfasst am gesamtdeutschen Endenergieverbrauch mit rund 28 Prozent einen erheblichen Anteil, der in erster Linie aus fossilen Energieträgern (Mineralöl) besteht [1].
All diese Punkte mit weiterreichenden Ansätzen für eine grundlegende Strategie der Stadtentwicklung lassen sich in die Bearbeitung der energetischen Stadtsanierung einflechten. Der Rahmen des Förderprogramms lässt diese Freiheit bewusst zu und ermuntert damit zu kreativen Ausgestaltungen auf lokaler Ebene. Der Schwenk von der Betrachtung und Förderung von Maßnahmen an Einzelgebäuden hin zu Stadtquartieren bietet dafür eine sinnvolle und gleichzeitig eine gut handhabbare Arbeits- und Handlungsebene.
Damit zielt die Stadtsanierung auch auf die Stärkung unserer kompakten, nutzungsgemischten Städte und kann in die Ansätze der nationalen Stadtentwicklungspolitik (NSP) einer nachhaltigen europäischen Stadt eingeordnet werden. Das Beispiel Verkehr zeigt den bereits heute vorhandenen Vorteil der europäischen Städte in Bezug zu ihrer strukturellen Verfassung (Abbildung oben).
Zusammenfassend lässt sich diese Verbindung mit den Leitmotiven formulieren: „Was wir haben, müssen wir nicht neu bauen" oder mit anderen Worten „Wenn wir uns im Bestand bewegen, haben wir schon energetisch gewonnen“. Beide Aspekte zielen letztlich auf den häufig wenig beachteten Aufwand, der in unseren Bestandsquartieren schlummert. Die sogenannte „graue Energie“ (Kasten Seite 15) der vorhandenen Bauten und Infrastrukturen wird bei Bilanzierungen zu Energie- und CO2-Werten von Gebäuden oder Quartieren meist unberücksichtigt gelassen. Bildlich gesprochen hinkt jedoch der Vergleich von hochmodernen Neubauten gegenüber mehr als 300-jährigen Altbauten in historischen Innenstädten. Dies betrifft einerseits die Bedarfs- und Verbrauchswerte solcher Gebäude – ein solcher Altbau wird nie den KfW-Standard eines Nullenergiehauses erreichen können, jedenfalls nicht bei Denkmal- und Bauphysik-gerechter Sanierung. Aber auch die zum Teil sehr alten Bauteile des Altbestandes, häufig ressourcenschonend aus regionalen Baumaterialien, stellen ein bedeutsames Potenzial dar, das nicht neu geschaffen oder gehoben werden muss – das alte Haus ist energetisch bereits abgeschrieben. Hinzu kommen Aspekte der städtebaulichen, architektonischen und ästhetischen Perspektive, die die grundsätzliche Frage aufwerfen, in welchen Städten wir leben wollen.
Lebenswerte Städte
Zwar besteht für die skizzierten großen Herausforderungen, die insbesondere für Bestandsquartiere gelten, weiterhin großer Handlungsbedarf – auch nach vielen erfolgreichen Jahren der Stadterneuerung und des Stadtumbaus und insbesondere in den Innenstädten mit zum Teil erheblicher historischer Bedeutung. Jedoch kann genau an dieser Stelle der Bogen gespannt werden von der energetischen Stadtsanierung – mit expliziter Schwerpunktsetzung bei Bestands- und Wohnungsbauten – hin zu den übergeordneten Motiven und Zielen der deutschen Städtebauförderung im weiteren Sinne und den Anstrengungen zum Erhalt lebendiger Kerne unserer Städte und Gemeinden.
Das Programm nach KfW 432 sollte somit nicht als zusätzlicher, abgegrenzter Monolith in einer vielfältigen Förderlandschaft rund um Stadtentwicklung, Klimaschutz und Energiewende gesehen werden. Vielmehr ist es in eine traditionsreiche Reihe der bewussten Entwicklung unserer Städte und Gemeinden einzuordnen wie beispielsweise die erfolgreiche seit über vierzig Jahren währende Städtebauförderung. Unterstrichen wird dies auch durch die Möglichkeit, Mittel der Städtebauförderung („Soziale Stadt“, „Stadtumbau Ost“) für den Eigenanteil der Programmnutzung einzusetzen.
Und diesen Anspruch gilt es bewusst als individuelle Chance zur Entwicklung der Siedlungskerne zu begreifen – und zu nutzen. Die energetische Stadtsanierung ist beides – Anspruch eines ganzheitlichen Ansatzes zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen der aktuellen Stadtentwicklung in Deutschland und gleichzeitig ein Baustein und Instrument dieser umfassenden Strategie.
Weitere Informationen
[1] UBA, 2012, Klimaschutz in der räumlichen Planung
[2] Bukold, 2013, Verheizt? Heizöl im deutschen Wärmemarkt
[3] DBU-Projekt: www.gutebaustoffe.de
[4] www.klimaquartier.de
[5] http://dsk-gmbh.de/staedte-und-gemeinden/energetische-stadtsanierung/klimaquartier