Die Anlage erzeugt aus Biogas – nicht nur aus dem enthaltenem CO2 – synthetische Kraftstoffe und biogene Wachse. Das Biogas wird dabei aus alten Fetten der Gastronomie und Lebensmittelproduktion gewonnen. Bei Bedarf lässt sich ein keramischer Elektrolyseur zuschalten, der die benötigten Stoffe für den Prozess auch unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellt. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS will das innovative Anlagenkonzept nun gemeinsam mit einem Leipziger Unternehmen für die Produktion im Industriemaßstab weiterentwickeln.
Mit Blick auf über 9000 Biogasanlagen, die in Deutschland in Betrieb sind, sieht Dr. Erik Reichelt, Leiter der IKTS-Arbeitsgruppe, erhebliches Marktpotenzial: „Solche erweiterten Biogasanlagen eröffnen erhebliche Chancen, um schon jetzt für die Zeit nach dem Kohleausstieg neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze im mitteldeutschen Revier aufzubauen.“
Allein in Sachsen seien derzeit ungefähr 270 Biogasanlagen im Betrieb – vor allem für die Größeren unter ihnen sei das neue System eine interessante Option. Es könne helfen, die Anlagen wirtschaftlicher zu betreiben und auf Marktschwankungen besser zu reagieren. Zudem trage das kreislaufwirtschaftliche Konzept dazu bei, natürliche Ressourcen zu schonen, den Einsatz von fossilem Erdgas und -öl zu mindern und die Umwelt zu schützen.
Dabei war die Zielstellung des Projekts im Jahr 2017 noch deutlich bescheidener gewesen. Ursprünglich wollte das Entwicklungskonsortium die Biogasanlagen „nur“ resilienter gegen Marktschwankungen und Einspeisevergütungen machen, indem man sie zusätzlich für die Wachs-Produktion ertüchtigt.
Der Gedanke dabei: Wenn es sich wegen ungünstiger Preise gerade nicht lohnt, das Biogas zu verstromen, können die Betreiber mit etwas zusätzlicher Technik flexibel auf die Produktion von biogenen Wachsen umschwenken. Dies lässt sich dann an die Kosmetik- und Schmiermittelindustrie verkaufen. Während des Entwicklungsprozesses hat sich das Konzept jedoch um zusätzliche Technologie-Pfade erweitert, die auch die Netzdienlichkeit einbeziehen.
Reformer, Fischer-Tropsch-Reaktor und Elektrolyseur kombiniert
Um diese Ansätze in der Praxis zu erproben und eine Pilotanlage zu bauen, haben sich die Forschungseinrichtungen Fraunhofer IKTS, TU Bergakademie Freiberg und die TU Dresden mit den sächsischen Unternehmen Ökotec-Anlagenbau, Sunfire und DBI Gas- und Umwelttechnik zu einem Entwicklungsverbund zusammengetan. Ökotec-Anlagenbau stellte seine bereits existierende Biogasanlage zur Verfügung. Dort installierten die Partner zusätzlich einen Reformer, einen Fischer-Tropsch-Reaktor und einen Elektrolyseur.
Im ersten Schritt leitet die so erweiterte Anlage Biogas und Wasserdampf in den Reformer, der daraus Synthesegas erzeugt – ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Das Fischer-Tropsch-Aggregat wandelt dieses Synthesegas dann in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe und Wachs um. Das Methan wird gleich wieder in den Prozess zurückgeleitet, um den Anlagenpark zu heizen. Übrig bleiben im Verhältnis 50 zu 50 das Wachs und die Flüssigprodukte. Letztere können dann in Raffinerien zu synthetischem Diesel oder Kerosin weiter aufbereitet werden.
Als alternative und zusätzliche Quelle für das Synthesegas ist ein Container mit dem erwähnten Elektrolyseur angedockt. Der wird dann zugeschaltet, wenn wenig Biogas verfügbar oder besonders viel Strom durch Lieferspitzen aus Solar- oder Windkraftwerken im Angebot ist. Dieser Elektrolyseur zerlegt Wasserdampf und Kohlendioxid in Wasserstoff und Kohlenmonoxid, also auch wieder Synthesegas. Er sichert zudem die kontinuierliche Versorgung der Fischer-Tropsch-Syntheseanlage ab, die nur dann richtig effizient arbeitet, wenn immer genug Synthesegas verfügbar ist.
Bedarfsgerecht produzieren
Eine solcherart ausgerüstete Biogasanlage hat also mehrere Möglichkeiten, auf Marktschwankungen zu reagieren: Der Betreiber kann das Biogas weiter verstromen, zum Beispiel per Gasmotor und Generator, wenn die Stromabnahmepreise hoch sind. Sind die Einspeisevergütungen niedrig, schwenkt er auf die Produktion von biogenem Wachs und synthetischen Kraftstoffen um. Und wenn viel Strom aus erneuerbaren Energien verfügbar ist, schaltet er den Elektrolyseur zu.
Die gewonnenen erdölfreien Kraftstoffe und Wachse sind zwar immer noch teurer als entsprechende Produkte auf fossiler Basis. So ergeben sich für die synthetischen Kraftstoffe und die Wachse Herstellkosten von etwa 2,50 Euro pro Kilogramm. Die aktuelle Energiepreiskrise hat die ehemals immensen Kostenunterschiede zu erdölbasierten Produkten allerdings bereits stark eingedampft. Und selbst wenn man von wieder sinkenden Preisen an den Öl- und Gasbörsen ausgeht: Der Bedarf vieler Industriezweige an nachhaltig gewonnenen Energieträgern und Stoffen wächst. Vor allem die Luftfahrtgesellschaften stehen dabei wegen restriktiverer Umweltschutzgesetze unter Druck. Die Bundesregierung hat angekündigt, ab 2026 erhebliche Beimischungen von elektrisch erzeugtem Kerosin (E-Kerosin) zum herkömmlichen Flugtreibstoff als Pflichtquote einzuführen.
Weitere Nachfragen könnten zukünftig auch aus anderen Bereichen kommen, so zum Beispiel von Farben- und Lackherstellern, die das gewonnene Wachs für die Herstellung von Additiven einsetzen könnten. Auch in der Kosmetik und der Schmierstoffindustrie werden sich genügend Abnehmer finden, meint Reichelt. Insofern können Biogasanlagen-Betreiber, die ihre Betriebe rasch mit der neuen Technik ausstatten, als erste diese Marktnachfrage für biogene Wachse bedienen. Und falls sich dieser Teilmarkt übersättigen sollte, lässt sich das Wachs durch zusätzliche Anlagentechnik ebenfalls zu Kraftstoff verflüssigen.
Transfer in industriellen Maßstab geplant
Auf der Agenda steht nun der Schritt von der Pilotanlage zum größeren industriellen Maßstab. Für diese Transferphase bemüht sich das Fraunhofer IKTS derzeit um Gelder aus dem Strukturwandel-Förderprogrammen für die Kohlereviere. In nächsten Projektabschnitt soll eine Anlage projektiert werden, die mehrere hundert Liter Syntheseprodukte pro Stunde erzeugen kann.