Heißwassertanks, Waschmaschinen, Wasserkocher – jedes Haushaltsgerät, das mit (heißem) Wasser in Kontakt kommt, verkalkt, besonders in Gegenden mit hartem, also kalkreichem Wasser. Oft hilft dann nur der Griff zum Essig oder Spezial-Entkalker, um den steinharten Belag aufzulösen und das Gerät wieder funktionstüchtig zu machen.
Im Haushalt ist das in erster Linie lästig, in thermischen Kraftwerken jedoch ein großes, teures Problem. Denn auch solche Kraftwerke, beispielsweise zur Stromerzeugung, kämpfen gegen die Verkalkung. Besonders in den Wärmetauschern bildet sich viel Kalk und mindert die Effizienz der Anlagen erheblich: Bereits eine nur ein mm dicke Kalkschicht in den Leitungen des Wärmetauschers senkt die Effizienz der Stromproduktion um circa 1,5 Prozent. Um den europaweiten Verlust auszugleichen, müssten 8,7 Millionen t Steinkohle zusätzlich verbrannt werden. Das ist schlecht für die CO2-Bilanz, das Klima und teuer für die Stromproduzenten.
Neuartige kalkabweisende Oberfläche
Ein Forschungsteam der ETH Zürich und der Universität Berkeley hat nun eine mögliche Lösung für dieses Problem gefunden: eine spezielle kalkabweisende Beschichtung, die mikroskopisch kleine Rippen aufweist und die Anhaftung von Kalkkristallen verhindert. Die entsprechende Studie ist nun erschienen.
Da es bis anhin kaum Grundlagen für die Entwicklung von kalkabweisenden Oberflächen gegeben hat, haben die Forschenden um den ehemaligen ETH-Professor Thomas Schutzius im Detail untersucht, wie einzelne wachsende Kalkkristalle, die umgebende Wasserströmung und die Oberfläche auf mikroskopischer Ebene wechselwirken.
Darauf basierend entwickelte Schutzius’ Doktorand Julian Schmid und weitere Forschende aus seinem Team mehrere Beschichtungen aus verschiedenen weichen Materialien und testeten sie im Labor an der ETH Zürich.
Hydrogel mit Mikrostruktur ist am wirksamsten
Als wirksamste Beschichtung entpuppte sich ein Polymer-Hydrogel, dessen Oberfläche die Forschenden mittels Fotolithografie hergestellter Formen mit mikroskopisch kleinen Rippen versehen haben.
Die Mikrostruktur des Hydrogels erinnert an jene von natürlichen Vorbildern wie Haischuppen, welche ebenfalls eine Rippenstruktur haben, was bei Haien die Bildung von Oberflächenbelägen unterdrückt.
Im Wasserkocher oder Heizkessel sorgen die Rippen dafür, dass die Kalkkristalle weniger Kontakt zur Oberfläche haben, sich nicht festsetzen können und sich deshalb besser ablösen lassen. Wasser, das über das Hydrogel und durch die Rippenstruktur fließt, trägt sie fort. Die Beschichtung kann zwar nicht verhindern, dass sich einige Kalkkristalle bilden. Durch das ständige passive Abtragen der mikroskopischen Kristalle wird jedoch vermieden, dass die Kristalle zu einer hartnäckigen Schicht zusammenwachsen.
In den verschiedenen Beschichtungen variierten die Forschenden in erster Linie den Polymeranteil. Je geringer dieser ist und je höher der Wasseranteil, desto schlechter haften die Kalziumkarbonat-Kristalle auf der Oberfläche.
Versuche mit Modellpartikeln aus Polystyrol zeigen, dass die Oberflächenstrukturen der Beschichtung kleiner sein muss als die Partikel, die sich auf ihr ablagern. Dadurch wird die Kontaktfläche und somit die Adhäsionskraft reduziert. „Wir variierten die Oberflächenstruktur des Materials, um die größte Effizienz zu erzielen und führten die Kristallexperimente mit dieser optimalen Strukturgröße durch“, sagt Schmid.
Ihre Experimente zeigen, dass die Hydrogel-Beschichtung sehr effektiv ist: Bis zu 98 Prozent aller Kalkkristalle mit einer Größe von etwa 10 µm, die zuvor auf einer mit Hydrogel beschichteten Oberfläche gewachsen sind, wurden abgetragen.
Umweltschonende Lösung
Die Forschenden betonen, dass ihre Lösung umweltschonender und effizienter ist als bisherige Ansätze zur Entkalkung. Dafür werden bis heute teilweise giftige und aggressive Chemikalien verwendet. Das Hydrogel ist hingegen biokompatibel und umweltfreundlich. Die Technik wäre auch skalierbar. Die Beschichtung aufzutragen wäre auf verschiedene Arten möglich, die die Industrie schon heute anwendet.
Auf ihre Entwicklung haben die Forschenden bislang kein Patent erhoben, sondern entschieden sich bewusst für eine Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Damit steht es allen Interessierten offen, die neue Beschichtung weiterzuentwickeln und nutzbar zu machen.
Für diese Forschung hat Schutzius 2019 einen ERC Starting Grant erhalten. Er arbeitet mittlerweile nicht mehr an der ETH Zürich, sondern ist Assistenzprofessor für Maschinenbau an der UC Berkeley.