Falten gelten bisweilen als Schönheitsproblem. In automatisierten Verpackungsprozessen können sie dagegen die Abläufe empfindlich stören. Das kann beispielsweise bei Fleischwaren passieren, die in Kunststoffschalen verpackt und mit einer Folie versiegelt werden. Diese Folie ist bei der folgenden Kommissionierung der Angriffspunkt für die Vakuum-Sauggreifer. Sie verformt sich durch das Eigengewicht der Verpackung und zerknittert. Das Ergebnis: Durch den Faltenwurf stoßen herkömmliche Greiflösungen an ihre Grenzen. Sie dichten die Unregelmäßigkeiten trotz weicher Dichtlippen nur unzureichend ab und eine konventionelle Vakuum-Erzeugung hält den Unterdruck nicht aufrecht.
Bizerba, Spezialist für Logistik- & Verpackungssysteme, suchte daher nach einer geeigneten Lösung, um die Kommissionierung dieser folierten Schalen zuverlässig zu automatisieren. Das Unternehmen mit Hauptsitz im schwäbischen Balingen wurde 1866 gegründet und produziert heute Waagen, Auszeichnungs- und Etikettensysteme sowie Anlagen zur Lebensmittelbearbeitung und Inspektion. Das weltweite Bizerba-Team besteht zurzeit aus 4.500 Fachkräften, die in 120 Ländern aktiv sind. Das Unternehmen erwirtschaftet zirka 800 Millionen Euro Umsatz jährlich.
Hohe Pick-Rate rund um die Uhr
Ein spanischer Kunde beauftragte Bizerba damit, ein End-of-Line-System für die automatisierte Kommissionierung von Fleischverpackungen zu entwickeln. Bislang stapelten Beschäftigte nach dem Verpacken, Wiegen und Etikettieren die Lebensmittelschalen in Transportkisten. Die Geschwindigkeit der manuellen Tätigkeit entsprach jedoch nicht den Anforderungen und begrenzte damit den Output. Aufgrund des Fachkräftemangels war zusätzliches Personal für den Fleischverarbeiter nicht verfügbar. Daher sollte die Automatisierung eine höhere Pick-Rate sowie einen Betrieb rund um die Uhr sicherstellen.
Gemeinsam mit Kilivations konstruierte Bizerba eine neue End-of-Line-Anlage mit zwei Handling-Robotern – den Case-Packer. In Weil im Schönbuch hat sich Kilivations auf schlanke und effektive Automatisierungslösungen spezialisiert, die direkt auf dem Robotercontroller installiert sind. Das Unternehmen integrierte die Einzelkomponenten in die Automatisierungszelle für den Fleischverarbeiter. Wichtiger Bestandteil sind zwei Cobots von Universal Robots (UR), die den Greifern die notwendige Reichweite verleihen. Bei den End-of-Arm-Effektoren setzen Bizerba und Kilivations auf die smarten und leistungsfähigen Systeme des Vakuum-Experten Schmalz.
Prozesssicherer Griff
Beide identisch aufgebauten Greifer, die jeweils an einem Cobot-Arm sitzen, nutzen ein rein elektrisches Vakuum-System von Schmalz. In jeder dieser Einheiten arbeitet eine Compact-Pump des Typs GCPi, die den Greifer am Roboterarm mit Vakuum versorgt. Der kompakte Vakuum-Erzeuger bildet mit den elektrischen 3/2-Wege-Kompaktventilen LQEi ein leistungsstarkes System und ist genauso performant wie pneumatische Ejektor-Lösungen. Die GCPi erzeugt den notwendigen Unterdruck mithilfe einer effizienten Doppelkopf-Membranpumpe, die Schmalz mit einer integrierten Energiesparregelung ausgestattet hat. Diese steuert die Drehzahl der Pumpe bedarfsgerecht. Über eine IO-Link-Schnittstelle lassen sich Prozessparameter direkt übertragen.
Am Greifer sitzen dezentral die beiden Kompaktventile LQEi, die zwei getrennte Saugkreise kontrollieren. Sie schalten das Vakuum dort, wo es gebraucht wird und sorgen für eine schnelle Evakuierung sowie Belüftung des Vakuumsystems. Dies beschleunigt die Ansaug- und Ablegezeiten deutlich. Ein im Ventil integrierter Sensor überwacht den Unterdruck und garantiert eine hohe Prozesssicherheit. Durch die Endlagenfixierung und Rückschlagklappe des LQEi hält das System auch bei einem Energieausfall das Vakuum aufrecht.
Der PXT-Greifer überzeugt durch seine Flexibilität und Modularität. Bizerba und Kilivations stellten aus den Standard-Komponenten passende Endeffektoren zusammen. Falls sich die Geometrie der Lebensmittelschalen später ändern sollte, lassen sich die Bestandteile neu kombinieren. „Das ist innovativ und passt zu unserer offenen Roboterzelle, die nur durch Lichtschranken geschützt ist“, betont Oliver Deifel. Er ist Director Global Customer Solutions & Integration Business bei Bizerba. Bislang setzten die Lebensmittelverarbeiter auf geschlossene Zellen, die meist nur für ein Werkstückformat ausgelegt waren. „Das System musste auf wechselnde Packungsgrößen aufwändig umgerüstet werden“, blickt Deifel zurück.
Den direkten Kontakt zur Fleischverpackung haben die Balgsauggreifer PSPF. Jeweils sechs Stück werden durch ein Kompaktventil LQEi gesteuert. Sie besitzen neben einem flexiblen und zugleich stabilen Balg eine besonders weiche Dichtlippe. Damit kann das System die Folienverpackung automatisiert handhaben – trotz Faltenwurf. So werden Falten auch hier zum reinen Schönheitsproblem. PSPF besteht aus FDA-konformem Silikon und ist für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet.
Individuelle Lösung
Doch wie so oft steckt die Technik im Detail: Mit der Compact-Pump GCPi lassen sich über IO-Link zwei voneinander getrennte Vakuumkreise pro Greifer realisieren. „Über die IO-Link-Kommunikation haben wir die Möglichkeit, alle relevanten Prozessparameter wie Ansaugzeit und Leckagerate auszuwerten“, erklärt Jan Walter. Er ist Leiter des Verkaufs Deutschland und Außendienstes bei Schmalz. „So können wir einen schleichenden Saugerverschleiß erkennen oder Leckagen im System detektieren.“ Durch diese vorausschauende Wartung vermeidet der Lebensmittelbetrieb ungeplante Stillstandszeiten.
Das gesamte System arbeitet rein elektrisch, optimierte Strömungsquerschnitte und Leitungslängen ermöglichen ein schnelles und zuverlässiges Ablegen der gegriffenen Werkstücke ohne Druckluft. Das senkt die Betriebskosten. Durch den dezentralen Einbau der LQEi am Greifer realisiert Schmalz extrem schnelle Evakuierungs- und Ablegezeiten, die notwendig sind, um die geforderten 96 Picks pro Minute zu erreichen.
Ein Transportband bringt die verpackten und gelabelten Schalen an die Aufnahmestelle der Handhabungslösung von Schmalz. Jeder der beiden PXT-Greifer nimmt vier Lebensmittelverpackungen auf und setzt diese in die bereitstehenden Ladekisten – alle fünf Sekunden, eine Lage nach der anderen. Ein Rollenförderer transportiert anschließend diese Kisten zur Versandabwicklung. „Das läuft wie am Schnürchen“, freut sich Walter.
„Die Zusammenarbeit mit Schmalz und Kilivations verlief durchweg positiv und wir konnten gemeinsam ein hervorragendes System bei unserem Kunden in Spanien installieren“, erzählt Oliver Deifel. „Und auch unser Auftraggeber ist sehr zufrieden. Er fährt die Anlage jetzt mit einem hohen Durchsatz, spart Personalkosten und dies bei maximaler Prozesssicherheit durch die Automatisierung.“ Der Case-Packer arbeitet wie geplant seit Ende 2023 in Spanien, andere Kunden haben bereits Interesse an der Lösung gezeigt. „Das smarte Konzept dieser Anlage bildet die Grundlage für weitere Projekte“, verrät Deifel.