In den letzten Jahren hat die Wasseraufbereitung eine enorme Entwicklung gemacht, so Elmar Billenkamp, Experte für Zero Liquid Discharge bei Envirochemie. Er sagt jedoch auch, dass nicht immer jede Möglichkeit ausgeschöpft werden muss. Envirochemie entwickelt und baut für seine Kunden maßgeschneiderte Anlagen für die Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung. Dabei ist eine entscheidende Frage, wie weit die Behandlung gehen muss.
Mittlerweile ist es technisch möglich, dass Unternehmen aufgrund einer gänzlich abwasserfreien Produktion kein Abwasser mehr in die Kanalisation einleiten müssen. Besonders gefragt sind die Zero-Liquid-Discharge-Konzepte in Regionen, in denen ausgeprägte Wasserknappheit herrscht. Tritt dieser Fall ein, wird das Abwasser jeweils durch eine Kombination verschiedener Verfahren so weit vorbehandelt, dass sich ein Großteil wiederverwerten lässt. Das behandelte Abwasser wird dann für Kühlsysteme, Bewässerung oder Reinigungszwecke eingesetzt.
An anderen Produktionsstätten wiederum ist es nicht möglich, die örtliche Kanalisation zu nutzen, weil zum Beispiel die Abwassermenge aus der Produktion das kommunale System oder Gewässer überfordert, es keine Möglichkeit zur Einleitung gibt oder die Menge durch Behörden begrenzt ist. In diesen Fällen müssen dringend alternative Lösungen für das Abwasser gefunden werden. An diesen Standorten kann Abwasser so aufbereitet werden, dass nur Schlämme und Salzlaken als Reststoffe bleiben.
Eine unternehmerische Entscheidung
In Regionen, in denen Wasser gut und günstig verfügbar ist und es ein gut funktionierendes Abwassersystem gibt, spielt Zero Liquid Discharge hingegen in der Regel keine Rolle. Vor allem da es sich wirtschaftlich einfach nicht lohnt. In diesen Regionen ist Zero Liquid Discharge vielleicht keine Notwendigkeit durch die Gegebenheiten vor Ort, jedoch eine unternehmerische Entscheidung. Zum Beispiel macht es Sinn wenn Unternehmen spezielle Umweltschutzzertifikate anstreben, wie das Leadership in Energy and Environmental Design (LEED)-Zertifikat, welches Pluspunkte für ein innovatives Abwasserbehandlungssystem vergibt.
Ein anderer Entscheidungsgrund könnte sein, dass ein Unternehmen sich durch eine abwasserfreie Produktion unabhängig von behördlichen Vorgaben machen möchte. Die Anfangsinvestitionen und die laufenden Posten für die Abwassertechnik sind langfristig planbar. Es ist jedoch zu beachten dass die Gebühren über die Zeit in der Regel steigen, manchmal zudem willkürlich.
Die Rahmenbedingungen für eine Abwasserbehandlung können, wie eben erläutert, vielfältig sein. Aus diesem Grund werden bei Envirochemie auch keine Standardlösungen angeboten. Maßgeschneiderte Konzepte werden speziell für jeden Kunden entwickelt, diese können auf Zero Liquid Discharge hinauslaufen, allerdings nur wenn es auch wirklich sinnvoll ist.
Die optimale Behandlung wird derzeit für einen Pharmahersteller in Indien, im Rahmen einer Studie, an drei Standorten untersucht. Das weltweit tätige Unternehmen produziert dort Medikamentenkapseln, die im Wesentlichen aus Gelatine oder für die vegane Variante aus Zellulose bestehen. Zugesetzt werden zudem, je nach den Wünschen der Abnehmer, unterschiedliche Farbstoffe. Bei der Reinigung der Anlagen gelangt ein Teil dieser Substanzen ins Abwasser. Es färbt sich daher grün und enthält eine relativ hohe organische Fracht sowie Stickstoffverbindungen. Dieses Abwasser wurde bisher nach einer Basisreinigung zur Bewässerung genutzt, da es vor Ort keine kommunale Kanalisation gibt. Weil Wasser an den Produktionsstandorten aber knapp ist, möchte das Pharmaunternehmen sein Wassermanagement nun optimieren und besonders nachhaltig damit umgehen, aus diesem Grund wird derzeit überprüft wie ein Konzept für das Recycling von aufbereitetem Abwasser aussehen könnte, gegebenenfalls bis hin zu Zero Liquid Discharge.
Analyse in Indien, Laborversuche in Rossdorf
Zuerst analysierte Experte Billenkamp den Ist-Zustand der aktuellen Abwasserbehandlung, ermittelte Wasserströme und nahm Proben, vor Ort in Indien. Anschließend wurde im Labor in Rossdorf ein Pilotversuch gestartet, im Zuge dessen wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Abwasser der Produktion aufbereiten lässt. Dabei wird durch eine Oxidation zunächst die Farbe eliminiert.
Die chemisch-physikalischen und biologischen Reinigungsstufen, die im Anschluss daran durchgeführt werden, entfernen weitere Inhaltsstoffe. Ein Puffertank gleicht dabei Mengenschwankungen aus, da direkt nach der Reinigung mehr Abwasser anfällt. Theoretisch könnte danach das Abwasser der Kanalisation zugeführt werden, jedoch geht das in diesem Fall nicht, deshalb wurde dafür ein Recyclingkonzept entwickelt.
Zuerst wurde hierbei untersucht wo aufbereitetes Abwasser in welcher Qualität wieder eingesetzt werden kann. In der Analyse wurde festgestellt, dass ein Teil weiterhin zur Bewässerung genutzt werden kann. Die Kehrseite ist, dass es nicht das ganze Jahr über funktioniert. Wenn es während des Monsuns schon viel regnet, können die Standorte nicht auch noch aufbereitetes Wasser zur Bewässerung nutzen. Die Alternative ist also die weitere Aufbereitung des Abwassers mittels einer Umkehrosmose, damit es unter anderem für die Kühltürme geeignet ist. Der verbliebene Rest verdampft. Sollte das Pharmaunternehmen das Konzept so umsetzen, bliebe an den Standorten kein Wasser übrig, das nicht genutzt wird.
Zero ist nicht immer Null
In diesem Beispiel aus Indien zu Zero Liquid Discharge geht tatsächlich kein Wasser ungenutzt verloren, das ist jedoch nicht immer so. Auch wenn kein Abwasser eingeleitet wird, fallen manchmal Flüssigkeiten an, die entsorgt werden müssen. Selbst wenn das nicht der Fall ist, bleiben die Feststoffe, die aus dem Abwasser gelöst wurden, auf jeden Fall zurück. Deshalb muss auch immer im Konzept vorgesehen sein, was mit den abgeschiedenen Stoffen passiert.