Stromproduktion auf dem Meer Algorithmen machen Wellenkraftwerke effizienter

Die bisher nur wenig genutzte Wellenenergie ermöglicht eine dezentrale Stromversorgung. Um effiziente Wege der Einspeisung kümmert sich die Firma Sinn Power.

Bild: Sinn Power
24.10.2022

Früher war er passionierter Windsurfer, heute forscht Christoph Hackl als Professor an der Hochschule München zur Stromerzeugung aus Wellenkraft. Mit dem Start-up Sinn Power entwickeln er und der wissenschaftliche Mitarbeiter Simon Krüner Steuerungssysteme für Leistungselektronik. Das Ziel: eine effiziente und zuverlässige Einspeisung der grünen Energie ins Stromnetz.

Im Prinzip ist die Stromgewinnung auf See einfach: Das geplante Wellenkraftwerk besteht aus mehreren Reihen senkrechter Stangen, die miteinander verbunden am Meeresgrund verankert sind. An jeder Stange befindet sich ein Schwimmköper, der von den Wellen auf- und abbewegt wird. Dadurch werden Rollen angetrieben, die zwischen Schwimmkörper und Stange befestigt sind. Jede dieser Rollen ist mit einem Generator verbunden, der die Bewegung in elektrische Energie verwandelt. Beim Auf und Ab ändert sich die Drehrichtung, weshalb die Generatoren Drehstrom produzieren, dessen Frequenz sich abhängig von der Länge der Meereswellen ständig ändert.

Ins Netz lässt sich dieser Strom nicht ohne Weiteres einspeisen – dafür benötigt man Drehstrom mit einer konstanten Frequenz von 50 Hz, das entspricht 50 Schwingungen pro Sekunde. Der im Wellenkraftwerk erzeugte Strom muss daher erst einmal umgewandelt werden. „Rein technisch ist das kein Problem: Man benötigt einen Umrichter, der aus dem primären Drehstrom Gleichstrom macht, sowie einen zweiten Umrichter, der zusammen mit einem Netzfilter 50-Hz-Drehstrom erzeugt“, erklärt Prof. Christoph Hackl. „Die Herausforderung liegt darin, bei dieser Umwandlung eine möglichst hohe Effizienz und Zuverlässigkeit in allen Betriebsbereichen zu erreichen.“

Herausforderung Effizienz und Zuverlässigkeit

Für den Prototypen der neuen Wellenkraftanlage hat Hackl solche Algorithmen entwickelt, die unter anderem den Wirkungsgrad erheblich verbessern sollen. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Experimental Identification of the Optimal Current Vectors for a Permanent-Magnet Synchronous Machine in Wave Energy Converters“ veröffentlicht.

Hackls Algorithmen setzen da an, wo normalerweise Energie verloren geht: bei den verschiedenen Umwandlungsschritten – erst von Drehstrom in Gleichstrom und dann von Gleichstrom in netzkompatiblen Drehstrom. Jede dieser Umwandlungen verringert die Energieausbeute. Hackls Software minimiert die Verluste: „Unsere Algorithmen können das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten nicht nur optimal steuern, sondern steigern auch ihre Zuverlässigkeit.“ Wenn beispielsweise in einem Umrichter ein Schalter ausfalle, dann sorge die intelligente Software dafür, dass sich das System nicht abschaltet, sondern sich an die veränderten Umstände anpasst und weiterarbeitet – wenn auch mit etwas verringerter Leistung. Gleichzeitig werde eine Störungsmeldung an den Betreiber geschickt. „Insgesamt lässt sich so die Effizienz des Gesamtsystems erheblich verbessern“, resümiert Hackl.

Härtetest auf der Insel

Den Härtetest am Meer hat die Leistungselektronik mit Bravour bestanden: Für den Prototypen-Test wurden Umrichter, Netzfilter und Steuerungscomputer in eine wasserdichte, schuhschachtelgroße Box gepackt und nach Heraklion geflogen. Dort trotzt die Technik seit mehr als einem Jahr salziger Luft, Stürmen und spritzender Gischt und verwandelt den Strom des wellengetriebenen Generators in Netzstrom. Die Energieausbeute liegt bei 93 Prozent.

Von den fehlertoleranten Algorithmen aus München sollen in Zukunft nicht nur Hersteller von Wellenkraftanlagen profitieren, sondern auch Betreiber von Wind-, Solar- oder Geothermieanlagen, sagt Hackl: „Die Leistungssoftware eignet sich für die Optimierung des Outputs aller regenerativen Kraftwerke – egal ob Erdwärme, Sonne, Wind oder Wasser. Man braucht am Ende immer Wandler, um Netzstrom daraus zu machen. Tatsächlich sehe ich in den Algorithmen meinen persönlichen, bescheidenen, aber ganz konkreten Beitrag zur Energiewende. Ich habe selbst Kinder und ich möchte ihnen eine Welt hinterlassen, die lebenswert ist. Das ist meine Motivation.“

Bildergalerie

  • Seinen Härtetest bestreitet der wellengetriebene Generator im Meer in Griechenland.

    Seinen Härtetest bestreitet der wellengetriebene Generator im Meer in Griechenland.

    Bild: Sinn Power

  • Die Steuerungssysteme von Sinn Power sollen mit intelligenten Algorithmen mehr Effizienz und Zuverlässigkeit für Wellenkraftwerke bringen.

    Die Steuerungssysteme von Sinn Power sollen mit intelligenten Algorithmen mehr Effizienz und Zuverlässigkeit für Wellenkraftwerke bringen.

    Bild: Johannes Lesser

  • Christoph Hackl promovierte 2012 interdisziplinär an der TU München in Mechatronik und Systemtheorie. 2018 wurde er zum Professor für Elektrische Maschinen und Antriebe an die Hochschule München berufen. Mit fünf Kollegen gründete er 2019 das HM-Forschungsinstitut Nachhaltige Energiesysteme. 2022 gewann er den HM-Oskar für angewandte Forschung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen mechatronische und regenerative Energiesysteme. Er hat mehr als 150 Konferenz-/Journal-/Buchbeiträge veröffentlicht.

    Christoph Hackl promovierte 2012 interdisziplinär an der TU München in Mechatronik und Systemtheorie. 2018 wurde er zum Professor für Elektrische Maschinen und Antriebe an die Hochschule München berufen. Mit fünf Kollegen gründete er 2019 das HM-Forschungsinstitut Nachhaltige Energiesysteme. 2022 gewann er den HM-Oskar für angewandte Forschung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen mechatronische und regenerative Energiesysteme. Er hat mehr als 150 Konferenz-/Journal-/Buchbeiträge veröffentlicht.

    Bild: Johanna Weber

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